Was ist das nur, ein Vaterland,
In welchen Grenzen wohnt es?
Denselben wie vor hundert Jahr’n,
Wen haßt es, wen verschont es?
Und was verbindet uns mit ihm,
Sein Reichtum, seine Siege?
Wie schnell hat man ihm doch verzieh’n
Die Toten und die Kriege.
Was läßt mich stolz sein auf ein Land,
Nur weil es nicht so arm ist
Wie andre, wo’s vielleicht dafür
Dem Volk im Herzen warm ist?
Und hätte nicht ein Mutterland
– Ich weiß, das gibt es nicht –
Für alle, die ihm anvertraut,
Ein lieberes Gesicht? ...
Was ist das nur, ein Vaterland?
Was ist das nur, ein Vaterland?
Ist es dein Fleisch und Blut?
Macht es dir, wenn du rebellierst
Zum freien Denken Mut?
Ist es dein Vater, der dich stets
Auch über Klippen führt,
Oder ein sturer alter Mann,
Der dir den Hals zuschnürt?
Willst du an dieses Vaters Hand
Wirklich in schweren Zeiten
Voll Zuversicht zu diesem Band
Durch Höh’n und Tiefen schreiten?
Liebt dich denn dieser Vater auch?
Wie wirst du ihn beerben?
Läßt er dich ohne Eifersucht
Wirklich erwachsen werden?
Vom Untertan zum Bürger werden?
Genügt es denn, ein Kind zu sein,
Daß man sich erst beschwert,
Wenn einen dieser Vater Staat
Nicht wie gewohnt ernährt?
Und müßten wir nicht endlich auch
Den Vater uns erziehen?
Ihn fordern mit Ideen,
Mit Visionen, Utopien?
Was soll das noch, ein Vaterland
In den vernetzten Zeiten!
Wollen wir denn wirklich noch
Um Blut und Rasse streiten?
Nicht spreche ich von Heimat,
Ihren Kindheitszauberorten,
Den Klängen, den Gerüchen,
All den wohlvertrauten Worten.
Und Heimat ist doch überall,
Wo man sich damit segnet,
Daß man, für Augenblicke nur,
Sich endlich selbst begegnet.
Nur dieses arg mißbrauchte Wort
Läßt sich für mich nicht fassen.
Ich kann den Ausdruck Vaterland
Nicht lieben und nicht hassen.
Und glaubt mir, Freunde, mir genügt
Mein Vater zur Genüge.
Ein ganzes Land als Vater war
Schon immer eine Lüge.
Ich will mich weder an ein Wort
Noch an Parolen binden:
Laßt uns doch unser Vaterland
Tagtäglich neu erfinden.