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Reden bei der
Schlusskundgebung auf dem Münchner Marienplatz:
Martin Löwenberg
Meine Worte der Begrüßung möchte ich verbinden mit
einigen Anmerkungen darüber, was für den Veranstalterkreis wichtige
Anliegen der heutigen Kundgebung sind:
Statt „Nie wieder“ heißt es „schon wieder“ seit
längerer Zeit. Ähnlich wie während der Nazizeit werden Menschen wegen
ihrer Rasse, ihres Glaubens, ihres Aussehens, ihrer politischen
Überzeugung, ihrer Andersartigkeit, vertrieben, gejagt,
zusammengeschlagen und ermordet. Zahlreiche neonazistische Terrorakte
werden seit Jahren von Politik und Massenmedien entweder unterbelichtet
oder als Taten „alkoholisierter Einzeltäter“ hingestellt.
Auch in München gibt es bekanntlich schon lange
organisierte rechte Aktivitäten und Gewalt. Erfreulicherweise
entwickelte sich dagegen eine Gegenwehr antinazistischer und
antirassistischer Initiativen und Organisationen, getragen meistens von
jüngeren Menschen. Deren Engagement führte bekanntlich auch zu einer
Reihe punktueller Erfolge. Ich verweise z.B. auf den 1. März 1997, als
tausende Münchnerinnen und Münchner den Naziaufmarsch gegen die
Wehrmachtsausstellung stoppten.
Ich erinnere auch an den 8.11.97, wo die
NPD-Jugendorganisation ihre angemeldete Kundgebung vor der SPD-Zentrale
am Oberanger, mit der Ankündigung, dort eine Fahne der
JungsozialistInnen zu verbrennen, nicht durchführen konnten, weil
AntifaschistInnen zu einer Gegendemonstration aufgerufen hatten.
Ich nenne aber auch antinazistische Handlungen, die
schließlich beitrugen zur Schließung des NPD-Büros in der Holzstraße,
sowie des Kommunikationsladens des Neonazis und Auschwitz-Leugners
Althans in der Herzog-Heinrich-Straße. Unterstrichen werden muß, daß
diese antirassistischen und antinazistischen Aktivitäten häufig von der
offiziellen Politik nicht nur als Störung empfunden, sondern oft sogar
diffamiert, kriminalisiert und mit dem Stempel „verfassungsfeindlich“
versehen wurden. Ich glaube, ich brauche hier nicht aufzuzählen, wie oft
auch in unserer Stadt mit dem Einsatz von Polizeiknüppeln Neonazis der
Weg freigemacht wurde, den ihnen Demokraten, Antirassisten und
Antinazisten versperrten.
An dieser Stelle möchte ich als Verfolgter und
Inhaftierter des NS-Terrorsystems all jenen danken, die den Neonazis und
Anhängern offensiv und kämpferisch Paroli geboten haben und bieten, auch
mit solchen Aktionsformen wie Behinderung und Verhinderung ihrer
Aufmärsche. Sie ließen sich dabei von den Grundsätzen leiten: Es gibt
kein Recht auf Nazipropaganda! Und: Keine Demokratie für die Feinde der
Demokratie.
Ein weiteres wichtiges Anliegen des breiten
Bündnisses, welches zur heutigen Kundgebung aufgerufen hat, ist,
folgende Auffassung deutlich zu machen:
Wirksame Bekämpfung von Naziterror, Rassismus und
Antisemitismus erfordert, daß die offizielle Politik nicht länger den
Stichwortgeber für rechte Gewalt machen. Dazu zählen für mich „Kinder
statt Inder“, was bekanntlich im Mittelpunkt des CDU-Wahlkampfes in
Nordrhein-Westfalen stand, aber auch die Aussage von Bundesinnenminister
Schily, „Das deutsche Boot ist voll“, was ja bekanntlich auch NPD, DVU
und Republikaner wie auch CDU/CSU sagen. Und auch Stoiber, Beckstein und
Co. schüren in Bayern Fremdenangst und Ausländerfeindlichkeit.
Ich sage: Wer bisher als geistiger Brandstifter
wirkt, dessen Ruf nach der Feuerwehr ist Heuchelei. Denn: Wer
Nationalismus und hundsgemeinen Rassismus sät, erntet Naziterror,
Rassismus und Antisemitismus.
Rechtsextremismus wirksam bekämpfen verlangt aber
auch: ausländerfeindliche Gesetze müssen abgeschafft werden. Erfordert
Rechte für alle hier lebenden Menschen. Heißt: Die Abschiebehaft und das
Asylbewerberleistungsgesetz gehören endlich auf den Misthaufen. Das
Ausländergesetz, das Grundlage der Diskriminierung und Isolierung von
Millionen Menschen in Deutschland ist, gehört abgeschafft. Und ich sage:
Schluß mit der weiteren Diffamierung antinazistischer und
antirassistischer Gruppen und Initiativen. Treten wir gemeinsam und
einheitlich auf für ein solidarisches Miteinander statt rassistischer
Ausgrenzung.
Nie wieder Faschismus ist kein Lippenbekenntnis, sondern Ansporn und
Anlaß zum aktiven Handeln.
hagalil.com
06-10-02 |
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