Erfolgreiches Engagement von haGalil gegen
Rechtsextremismus im Internet:
Meldeformular hat sich bewährt
Von
Rechtsanwalt Dr. Dan Maor, Tel Aviv
Nach einer
Pressemitteilung
der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke erklärte die Bundesregierung
auf eine kleine Anfrage, daß im Jahr 2000 298 polizeiliche
Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer Propaganda im Internet
aufgenommen worden seien. Dies würde bedeuten, daß ungefähr jede vierte
der entsprechenden Strafverfahren auf Initiative der mit haGalil onLine
und dem Förderverein haGalil zusammenarbeitenden Rechtsanwälte
eingeleitet wurde.
Nach eigenen Unterlagen haben die Rechtsanwälte, die mit haGalil onLine
und dem Förderverein haGalil zusammenarbeiten, im Jahr 2000 annähernd
100 Strafanzeigen wegen rechtsextremistischer Inhalte im Internet
erstattet. Ein großer Teil dieser Anzeigen war auf Hinweise von Lesern
des größten jüdischen Onlinedienstes in Europa,
www.hagalil.com, zurückzuführen, ein anderer Teil beruhte auf
eigenen Recherchen.
Dabei ist freilich zu beachten, daß einige, wenige der im Jahr 2000
erstatteten Strafanzeigen erst im Jahr 2001 von den Staatsanwaltschaften
registriert wurden. Umgekehrt wurden aber auch Anzeigen von Ende 1999
erst im Jahr 2000 statistisch erfaßt. Nicht bekannt sind auch die in der
Bundesstatistik verwendeten Erfassungskriterien - wobei antisemtisiche
Volksverhetzung, in fast allen Strafanzeigen der zutreffende Tatvorwurf,
eigentlich stets unter die Definition der "rechtsextremistischen
Propaganda" fallen dürfte.
Es kam zu Verurteilungen
Nach der von Jelpke verbreiteten Mitteilung gab die Bundesregierung
bekannt, es sei im Jahr 2000 wegen rechtsextremer Propaganda im Internet
zu keiner Verurteilung gekommen. Diese Angabe kann aber nur wenig
aussagekräftig sein, da sie sich auf Fälle bezieht, zu denen erst im
Jahr 2000 Strafverfahren eingeleitet wurden. Und daß keines dieser
Verfahren im selben Jahr durch Urteil abgeschlossen wurde, ist
angesichts des Umstandes, daß in manchen Bundesländern die Auswertung
einer Festplatte 14 Monate (und länger) dauern kann, nicht unbedingt
erstaunlich.
Verurteilungen aufgrund der in Zusammenarbeit mit haGalil onLine
erstatteten Strafanzeigen aus den Vorjahren werden zahlreich gewesen
sein. Allerdings sieht die Strafprozeßordnung nicht vor, daß dem
Anzeigeerstatter, der selbst nicht Opfer der Tat ist, der Richterspruch
bekanntgegeben wird - einige Staatsanwälte teilen das Endergebnis des
Verfahrens erfreulicher- und zulässigerweise aus eigenem Antrieb mit,
die meisten ersparen sich jedoch diese Arbeit. So werden Verurteilungen
oft nur aufgrund Mitteilungen in der Presse bzw. durch öffentliche
Äußerungen der Täter bekannt. Dennoch sind haGalil onLine etliche
solcher Verurteilungen bekannt - viele erfolgten aufgrund von
Strafanzeigen, die 1999 erstattet wurden.
Einige abgeschlossene Verfahren
In einem Fall handelte es sich um einen Mann, der als "Fubbes" in den
damals noch offenen Foren von haGalil onLine sein Unwesen trieb und
inzwischen rechtskräftig verurteilt wurde. Zuvor wurde bei einer
Hausdurchsuchung festgestellt, daß über dem PC des Täters eine
Hakenkreuzfahne hing, die wohl einen inspirierenden Eindruck auf seine
Aktivitäten im Internet entfaltete. Gefunden wurde in der Wohnung nach
Täterangaben auch rechtsextreme Literatur.
Ein Freiburger Student, der sich in denselben haGalil-Foren als
"Historiker" ausgab, leugnete die Schoah. Er wurde zu einer
Freiheitsstrafe (6 Monate auf Bewährung) verurteilt.
Der auch in Verfassungsschutzberichten erwähnte Ex-NPD-Funktionär Axel
Möller aus Stralsund erhielt einen Strafbefehl, wonach er wegen
Volksverhetzung eine Geldstrafe zahlen sollte. Er legte gegen diesen
Strafbefehl Einspruch ein, allerdings sehr erfolglos, denn die Anzahl
der Tagessätze wurde im Gerichtsurteil erhöht.
Erwähnenswert ist auch ein gutsituierter Weinbauer aus dem Burgenland,
der sich in den Foren von haGalil unter dem Pseudonym "Werwolf"
betätigte. Er wurde im Jahr 2000 vom Landesgericht für Strafsachen in
Wien wegen eines Verstoßes gegen das österreichische Verbotsgesetz zu
einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Auch auf US-amerikanischen Servern gehostete Hetze ist dem
Strafrecht zugänglich
Für das Jahr 2001 ist mit etlichen weiteren Verurteilungen aufgrund der
Aktivität von haGalil onLine zu rechnen - und zwar diesmal auch wegen
angeblich der deutschen Strafverfolgung nicht zugänglicher Seiten, die
auf US-amerikanischen Servern gelagert werden.
Nazipropaganda
- manchmal auch "gutbürgerlich" verpackt
Die im Jahr 2000 erstatteten Anzeigen betrafen rechtsextremistische
Webseiten, Foren und Forenbeiträge oder andere Dateien volksverhetzenden
Inhalts. Das Kaleidoskop der angezeigten Webseiten reicht von
durchgehend im NS-Propaganda-Stil gestalteten Auftritten und versuchten
Absprachen zur Waffenbeschaffung für rechtsterroristische Zwecke (die
Täter wurden ermittelt) bis hin zu privaten Homepages, in denen hinter
einer "bürgerlichen Fassade" neben allerlei Harmlosem auch NS-Material
angeboten wird. In den zuletzt genannten Fällen verrät die in den
Ankündigungen und Links zu diesen Seiten verwendete Semantik dann oft,
daß die Urheberin oder der Urheber der Seite solchem Gedankengut
durchaus zugetan ist und nicht aus "Naivität" etwas ins Netz gestellt
hatte, das für harmlos gehalten wurde. Dies ist auch ein wichtiges
Gegenindiz gegen ein bevorzugtes Argument von Strafverteidigern.
Moorhühner und Geheimgesellschaften
Die von den Anzeigen erfassten strafrechtlich relevanten Dateien
betrafen unter anderem Spiegelungen des berüchtigten
"Nazi-Moorhuhn"-Spieles, in dem die Grafiken der abzuschießenden
Moorhühner durch Darstellungen von Figuren mit "jüdischen Attributen"
(gemeint sind Schläfenlocken und Kippoth) ersetzt wurden, oder
Textarchive, in denen die sogenannten "Protokolle der Weisen von Zion"
abrufbar sind, oder auch das unter dem Pseudonym "Jan van Helsing"
veröffentlichte Machwerk "Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20.
Jahrhundert", das längst bundesweit beschlagnahmt ist und in dem
antisemitische Verschwörungstheorien in neuer Form wiedergekäut werden.
Ziel: Ermittlung und nicht frühzeitige Warnung
des Urhebers
HaGalil onLine, der Förderverein und die kooperierenden Rechtsanwälte
wenden sich niemals an die Provider rechtsextremer Seiten, es sei denn,
eine Strafverfolgung erscheint von vornherein aussichtslos. Denn der
Täter und sein Umfeld würden bei einer plötzlichen Löschung der Inhalte
durch den Provider gewarnt, etwa noch vorhandene Beweise könnten oft mit
einem Knopfdruck für immer vernichtet werden.
Die Täterermittlung wird von haGalil onLine für wichtiger erachtet als
die Gefahr, daß rechtsextreme Webinhalte noch etwas länger im Netz
stehen. Denn: Eine Ermittlung des unmittelbaren Urhebers rechtsextremer
Seiten - im Gegensatz zur Verwendung von Mißbrauchs-Formularen der
Provider - hat den Vorteil, daß der Täter bei Polizei und
Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem bekannt wird. Der Täter ist
abgeschreckt und wird seine Inhalte nicht gleich nach der Zwangslöschung
beim nächsten "Free-Provider" unterbringen. Und nach einer Verurteilung
wird seine Tat im Bundeszentralregister eingetragen. Dies hat z.B.
folgende Konsequenzen:
- Gewerbebehörden werden etwa beim Antrag auf eine
gaststättenrechtliche Erlaubnis genauer nachklopfen,
- Die zuständigen Stellen werden waffen-, sprengstoff- oder
jagdrechtliche Erlaubnisse nicht erteilen oder widerrufen,
- Im Zusammenhang mit der Einstellung/Fortsetzung der Beschäftigung im
öffentlichen Dienst liegt ein Anhaltspunkt für die mangelnde
Verfassungstreue vor,
- Sollte der Täter Mitglied eines Vereins, einer "Kameradschaft",
etc., sein, haben die Innenbehörden als Verbotsbehörden Beweismaterial
hinsichtlich der Betätigung der Mitglieder an der Hand.
Selbst wenn es nur bei einem Ermittlungsverfahren bleibt, geschieht
in der Regel folgendes:
- Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber oder berufsständische
Einrichtungen (etwa Anwalts- oder Ärztekammern) erfahren von dem
Verdacht rechtsextremer Betätigung ihres Arbeitnehmers oder Mitgliedes,
- Bei Jugendlichen werden die Jugendbehörden kontaktiert, die
vielleicht auch einmal einen Blick in's Elternhaus werfen,
- Bei Schülern werden die Schulleiter informiert, die dann über die
rechtsextremistische Betätigungen ihrer Schüler informiert sind,
- Die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sowie die
Verfassungsschutzbehörden führen auch ein Register mit eingestellten
Fällen. Sollte der Täter erneut in Erscheinung treten, ist es
unwahrscheinlicher, dass noch einmal "Geringfügigkeit" angenommen wird.
Bei massivem Mißbrauch unter Nutzung bestimmter Internetangebote können
gegen betreffende Provider zudem aufsichtsrechtliche Mittel nach dem
Medienstaatsvertrag durchgeführt werden, die sich dann gegen den
Provider richten.
Ermittlungen benötigen Zeit
Geht eine Mitteilung im
Meldeformular
ein, bedeutet dies also in den allermeisten Fällen nicht, daß die
betreffenden Seiten gleich vom Netz verbannt werden. Zunächst werden die
mit der Bearbeitung betrauten Rechtsanwälte, die sehr viel Zeit -
ehrenamtlich - in die Verfolgung rechtsextremer Internetinhalte
investieren, die Anzeige formulieren, was wegen der technischen und
rechtlichen Komplexität der Angelegenheit oft sehr aufwendig ist. Nach
der üblichen Eingangsprüfung und Erfassung bei der Staatsanwaltschaft
sind dann oft weitere, manchmal umfassende Ermittlungen und
Beweissicherungen nötig, bevor eine Löschung der Inhalte oder ein
"erster Zugriff" beim Verdächtigen erfolgen kann. Schließlich geht das
Interesse der Staatsanwaltschaften dahin, Beweise zu erlangen, die auch
vor Gericht Bestand haben.
Schutz der Anzeigenerstatter wird großgeschrieben
Das Meldeformular sieht die Angabe persönlicher Daten des
Anzeigenerstatters vor. Der Anzeigenerstatter soll ein "Feedback"
erhalten können, damit er sehen kann, daß sein Engagement gegen
Rechtsextremismus tatsächlich auch zu Ergebnissen führt. Sobald etwa
eine Eingangsbestätigung der zuständigen Staatsanwaltschaft vorliegt,
wird ihm auch die Geschäftsnummer des Verfahrens mitgeteilt. Sofern eine
Mitteilung über den Ausgang des Verfahrens gemacht wird, wird sie
ebenfalls an den Anzeigeerstatter weitergegeben. Dennoch besteht für ihn
keine Gefahr, unangenehmen "Besuch" der "Kundschaft" zu erhalten: Die
Strafanzeigen werden von den Rechtsanwälten stets im eigenen Namen,
nicht im Namen des Meldenden, erstattet. Aus der Verfahrensakte ist
daher nicht ersichtlich, von wo die Information stammt. Diese
Information ist zudem rechtlich privilegiert, die Rechtsanwälte können
und werden die Auskunft über ihre Informationsquellen verweigern.
Derartige Anfragen sind allerdings noch nie gestellt worden und sind
auch nicht zu erwarten.
Keine unnötige Belastung der Ermittlungsbehörden
Die über das Meldeformular erstatteten Anzeigen werden nicht, wie bei
einigen anderen Meldestellen, ungefiltert einfach an Behörden
weitergeleitet, sondern zunächst aufgrund profunder technischer
Kenntnisse und langjähriger Erfahrung mit dem Internet hinsichtlich der
strafrechtlichen Relevanz und der technischen Möglichkeit einer
Täterermittlung geprüft. Sodann werden, soweit dies ohne die besonderen
Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden möglich ist, eigene
Ermittlungen zur Person des Täters unternommen, wobei ausschließlich
allgemein zugängliche Quellen zur Verfügung stehen und ausgewertet
werden.
In vielen Fällen wird bereits im Zuge dieser eigenen Ermittlungen ein
Verdächtiger namentlich bekannt. Erst wenn die eigenen
Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, leiten die damit betrauten
Rechtsanwälte die Ergebnisse an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden
weiter, und zwar zusammen mit detaillierten Ausführungen zur Sach- und
Rechtslage, die es auch einem in den technischen Besonderheiten des
Internet eher unerfahrenen Staatsanwalt ermöglichen sollten, effektive
Strafverfolgung zu betreiben.
Eigene Initiativermittlungen
Sobald die mit haGalil onLine und dem Förderverein zusammenarbeitenden
Rechtsanwälte aufgrund ihrer Ermittlungen Kenntnisse über einschlägige
Tätergruppen oder mehrfach im Netz vorhandene Veröffentlichungen
gewinnen, nehmen sie auch auf eigene Initiative weitere Ermittlungen
vor. Auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse, soweit sie verwertbar
sind, werden an die zuständigen Behörden weitergeleitet.
Beratung von Ermittlungsbehörden
Die Rechtsanwälte von haGalil teilen auf Anforderung ihre technischen
Kenntnisse mit den Verantwortlichen bei den zuständigen Behörden. Auf
Anregung von Behörden findet etwa eine - unentgeltliche - allgemeine
Beratung statt, bei der von haGalil onLine die gewonnenen Erfahrungen
bei der Täterermittlung mit den Behörden geteilt werden können.
Vor kurzem hat ein mit haGalil onLine und dem Förderverein
zusammenarbeitender Rechtsanwalt die technischen und rechtlichen
Erfahrungen, die durch die bisherige Aktivität gewonnen wurden, auch
schriftlich zusammengetragen. Das so entstandene Papier, das nur an
Verfassungsschutz- und Strafverfolgungsbehörden weitergegeben wird,
stieß bei diesen Stellen auf deutliches Interesse.
Die Kooperation findet aber auch Grenzen. Entsteht der Eindruck, daß
Ermittlungsbehörden nicht oder nur schleppend tätig sind, werden die
zuständigen Aufsichtsbehörden eingeschaltet, damit diese in die Lage
versetzt werden, auf die zügige und effektive Erledigung hinzuwirken.
Schlußgedanke
Man sollte sich stets vor Augen halten, daß es sich bei rechtsextremen
Propagandadelikten und Angriffen auf die Menschenwürde, nicht etwa um
Lappalien handelt. Mit ihrem Gedankengut, dessen Verbreitung sie suchen,
stellen solche Täter eine unmittelbare Gefährdung für die Demokratie und
das Miteinander in der Gesellschaft dar, indem sie absichtlich das
gesellschaftliche Klima vergiften. Die notwendige soziale Kontrolle ist
daher eine Aufgabe nicht nur des Staates, sondern der gesamten
Gesellschaft.
haGalil onLine 22-03-2001
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