Kein Mausklick für Rechte
taz vom 28.06.2000
Justizministerin Däubler-Gmelin, das amerikanische Simon Wiesenthal
Center und andere Organisationen fordern eine effektive Abwehr gegen
Neonazis im Internet BERLIN taz Mit einer freiwilligen
Selbstverpflichtung sollen große Computer-Provider dafür sorgen, dass
rechtsradikale Anbieter ihre "Hate-Pages" nicht mehr ins Internet
stellen können. Dies forderte eine internationale Konferenz, zu der das
Simon Wiesenthal Center, die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und das
Bundesjustizministerium eingeladen hatten. Die Konferenz verabschiedete
gestern eine "Berliner Erklärung" gegen Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus im Internet. Das Ziel ist ein Kodex über die Grenzen der
Meinungsfreiheit im Internet. "Wir wollen keine Zensur", betonte
Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD). Aber die Freiheit, die das
Internet biete, dürfe nicht die Freiheit beinhalten, Hass und Straftaten
ungehindert zu verbreiten. Die Konferenzteilnehmer befürchten,
dass vor allem die neonazistische Szene das Internet zunehmend nutzt, um
Straftaten vorzubereiten. Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, geht davon aus, dass jede fünfte Internetseite
strafbare Inhalte transportiert. Die Zahl der rechten Anbieter im
deutschen Netz steige wöchentlich. Ende vergangenen Jahres zählte Fromms
Amt 300 Webseiten, bis Ende dieses Jahres sollen es etwa 900 sein. In
Nordamerika tauchte vor fünf Jahren die erste Neonazi-Homepage auf,
mittlerweile sind es 2.000, ermittelte das Simon Wiesenthal Center.
Doch wie es konkret gelingen soll, die Rechten aus dem weit verzweigten
internationalen Netz zu vertreiben, wusste auf der Tagung niemand zu
sagen. Die US-amerikanische Justizministerin, obgleich eingeladen,
zeigte kein Interesse am Thema. Die Freiheit der Meinungsäußerung
scheint in den USA nahezu heilig. Zudem blockieren viele Internetfirmen
jeden Versuch, neonazistischen Anbietern auf die Pelle zu rücken. Darum
verspricht sich das Simon Wiesenthal Center viel von dem Bündnis, das es
nun mit der deutschen Justizministerin eingegangen ist. Rabbi
Cooper versteht die "Berliner Erklärung" als eine Art "Weckruf" sowohl
an die Clinton-Regierung als auch an die amerikanischen Internetfirmen
dafür zu sorgen, dass das Internet "ein demokratischer Spielplatz für
unsere Kinder bleiben kann". ANNETTE ROGALLA
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