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Judentum und Israel
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"Whose Holy Land":
Orientalische Geschichten in Wien

Von Karl Pfeifer

Es ist schon mehr als eigenartig, wenn ausgerechnet "Das Institut für Geschichte der Juden in Österreich" seine Sommerakademie 2003 dem "Heiligen Land" widmet und all das noch auf Englisch abspult. Das Motto des ersten Tages war "Whose Holy Land?", ich konnte an diesem ersten Tag leider nur zwei Vorträge hören.

Der an der Ben Gurion Universität Beerschewa lehrende Soziologe Uri Ram sprach über "Clash of Civilizations? Thinking About the Global and the Local in Israel/Palestine". Sein Vortrag handelte vom Kampf zwischen Falafel und Hamburger, mit einem langen Exkurs über McDonald. Als ob diese Kritik an der amerikanischen Zivilisation ein Spezifikum Israels wäre, hörten wir eine gelehrt sein wollende, substanzlose Gegenüberstellung der globalisierten kapitalistischen Lebensweise und der Anschauungen von "Nationalisten", die am Falafel festhalten wollen, das doch ein arabisches Essen ist. Und man höre und staune, da hat sogar das israelische Außenministerium Gästen Falafel als israelische Nationalspeise vorgesetzt. Das war der "kulinarische" Teil, dann aber kam Uri Ram zum wesentlichen Punkt. Die wichtigste Straßenkreuzung in Nordisrael heißt Golani. Dort hat man für diejenigen, die da gekämpft haben, ein Denkmal gesetzt. Laut diesem illustren Akademiker, hat so ein Denkmal zwei Zwecke:

1) Es ist ein Platz wo man jährlich an die Gefallenen denkt
2) Es soll den Soldaten erleichtern in den Kampf zu gehen

Das zweite halte ich als jemand, der selbst Soldat war und an Kämpfen teilgenommen hat, um ein Lieblingswort des "Nahostsachverständigen" John Bunzl zu benützen, für einen "Schwachsinn". Im Unabhängigkeitskrieg, den die "politisch Korrekten" Nakba = Katastrophe nennen, haben in den Kämpfen 6.000 israelische Soldaten ihr Leben verloren und ich glaube nicht, das nur einer von ihnen an ein Denkmal dachte, das sein Opfer verewigen wird. Soldaten denken im Kampf an das eigene Überleben, an die Familie und an die Freundin, manche sogar an die Heimat, doch nicht an ein Denkmal. Aber das ist so richtig zynisch und deshalb gefällt es auch einem Teil des Publikums. Und dann noch der Kampf der "Nationalen" gegen McDonald, dessen Pächter niemand anderer ist als ein Proponent von "Frieden jetzt". Und was machte der Pächter, er kam den "Nationalen" entgegen und ließ das große M vom Gebäude entfernen und setzte anstatt dessen das Abzeichen von Golani drauf.

Später in der Diskussion wurde Ram entgegengehalten, dass auch in Salzburg eine McDonald Gaststätte das M entfernte. Wie die Italiener sagen tutto il mondo è paese. Die ganze Welt ist ein Dorf. Insbesondere in Zeiten der Globalisierung Dann kam die obligate Geschichte vom Palästinenser, dessen Land für öffentliche Arbeiten beschlagnahmt wurde, und der vor ein paar Jahren feststellen mußte, dass darauf eine McDonald Gaststätte gebaut wurde. Er ging zum Gericht. Wie die Sache ausging hörten wir nicht. Da wurde Land beschlagnahmt, ob er irgendeine Kompensation erhielt, das durften wir nicht erfahren. Ich kenne diesen konkreten Fall nicht. Aber in Israel haben Gerichte schon oft zugunsten derjenigen entschieden, deren Land beschlagnahmt wurde.

Dann hielt der israelische Araber und Akademiker Elias Zeidan einen Vortrag, den die meisten Zuhörer als "gemäßigt" charakterisierten. Er sprach über eine Geschichte des palästinensischen Schriftstellers Ghassan Khanafani, die erzählt - nur so vom falschen Pathos triefend - die unglaubliche Geschichte von Dov und Chaldoun. Da flieht eine arabische Familie im April 1948 aus Haifa und in der Wohnung bleibt ihr fünf Monate altes Baby zurück. Die jüdische Nachbarin hört etwas aus der Nachbarwohnung, nimmt das Kind zu sich und bringt es zum Sochnut. Dort bittet ein kinderloses jüdisches Ehepaar um eine Wohnung und zur großen Freude, sagt ihnen der Sachbearbeiter, sie könnten die Wohnung haben aber nur unter einer Bedingung, wenn sie das Baby zu sich nehmen. Und Mirjam, die ein KZ überlebt hatte, pflegt das Kind, das Dov genannt wird und erzieht es als Juden. Doch die Eltern, die in Ramallah leben, haben ihr Kind nicht vergessen. Und nach 1967 fahren sie nach Haifa und läuten an ihrer ehemaligen Wohnungstür. Und wer öffnet ihnen? Es ist Dov in israelischer Armeeuniform, es kommt zu einer ernsten Aussprache und Mirjam und ihr Mann stellen es Dov frei zu wählen. Bereits einige Jahre zuvor hatten sie aber Dov erklärt, dass sie nicht seine biologischen Eltern sind. Dov sagt, auch wenn er positiv wüßte, er sei Araber ist er ein jüdischer Israeli. Und die edlen palästinensischen Eltern akzeptieren dies. Eine unglaubliche Geschichte aus einem orientalischen Märchenbuch.

Denn es ist undenkbar, dass die Eltern nicht Gott und die Welt und vor allem das Internationale Rote Kreuz mobilisiert hätten, um ihr "vergessenes" Kind zu finden. Es ist eine abstruse Geschichte, die aber vom Publikum ohne Widerspruch aufgenommen wurde. Wahrscheinlich, weil es so schön menscherlt. Und Menschen, Menschen san ma alle! Was Zeidan, der an die Emotionen seiner Zuhörer appellierte, vergaß zu erzählen, war, dass der damalige jüdische Bürgermeister von Haifa, die Führer der Araber mit Tränen in den Augen bat, nicht das Land zu verlassen und ihr Leben und Eigentum garantierte. Tatsache ist, dass ein Teil der Araber von Haifa geblieben ist und ihnen kein Haar gekrümmt wurde. Wir kennen keinen Fall, wo ein Jude in einem in Palästina von Arabern verwalteten Gebiet nach dem Unabhängigkeitskrieg bleiben konnte. Das aber kommt natürlich nicht zur Sprache. Zeidan machte es sich leicht, und klammerte einige wesenliche Fakten aus seiner Geschichte. Und was bitte wollen die israelischen Araber, die Chaldouns und Chaldounas, sie wollen nur von der israelischen Gesellschaft akzeptiert werden. Natürlich wollen sie keine Juden werden, sie wollen gleichberechtigt als Araber akzeptiert werden. Das ist vollkommen legitim und ein großer Teil der israelischen Bevölkerung ist damit auch einverstanden. In den israelischen Medien wird im Detail über Fälle der Diskriminierung berichtet. Auch Zeidan führt konkrete Beispiele von Diskriminierung an.

Zeidan begnügt sich aber nicht damit, er erzählt auch vom grausamen Schicksal derjenigen Soldaten, die als Nichtjuden nicht am Militärfriedhof begraben werden können. Was wieder ein Märchen ist. Es werden ja auch drusische Soldaten z.B. auf solchen Friedhöfen begraben. Es gab zwar einzelne Fälle, wo Rabbiner Schwierigkeiten machten, doch in letzter Zeit hat sich Innenminister Poraz (Shinui) beispielhaft für diese Soldaten und ihre Verwandten eingesetzt und auch vorgeschlagen, den in Israel geborenen Kindern von Gastarbeitern die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Was mich stört, kein einziges positives Wort über die vielen Juden, die für die Gleichberechtigung der Araber eingetreten sind. Doch auch die liberalen Juden bekommen ihr Fett ab, mit wenigen Ausnahmen sind sie zu lahm ja manche erwägen sogar den "Bevölkerungstransfer".

Und da platzt sogar einem alten Journalisten, wie mir der Kragen, denn entgegen allen Prophezeiungen der propalästinensischen Ultras, erfolgte während des Irakkriegs kein Transfer von Palästinensern. Und ich erinnerte Zeidan und die Zuhörer an die vielen Gelegenheiten, als Juden für die Rechte der Minderheit in Israel eintraten, wie zum Beispiel 1966 die Militäradministration auf Grund einer solchen Bewegung, die nicht nur Linke umfaßte, abgeschafft wurde. Aber dann komme ich auf den Transfer und auf die Häuser, die man den Palästinensern wegnahm zu sprechen und erinnere daran, wie meine Eltern hier von Österreichern beraubt wurden, und wie ein sozialistischer Minister dafür eintrat die Entschädigung in die Länge zu ziehen. Schon das wollen einige Zuhörer nicht hören. Wo käme man da schlußendlich hin, wenn bei einer vom "Institut für die Geschichte der Juden in Österreich" veranstalteten Tagung über den österreichischen Kontext der propalästinensischen Begeisterung spricht. Doch den ultimaten Tabubruch beging ich, als ich auf die Tatsache verwies, dass die Ostpreußen die Zeche für den verlorenen Krieg bezahlen mußten und zu Millionen transferiert wurden, ohne dass nur ein österreichischer Linker deswegen eine Träne vergießen würde. Und das die Palästinenser letztendlich auch den Preis für verlorene Kriege und für die Fehler ihrer Führer bezahlen. Uri Ram erwidert darauf, dass meine Eltern ihr Haus verloren hätten, "weil vor 2000 Jahren die Juden Christus gekreuzigt hätten!" Am Ende stellte Edwin Roth die wesentliche Frage, warum Zeidan nicht mit einem Wort erwähnte, dass Israel seit 1948 mit einigen Nachbarn im Kriegszustand ist.

Debatten auf der Sommerakademie:
Orientalische Geschichten in Wien II
Fazit:
Orientalische Geschichten in Wien III

hagalil.com 01-07-03

 


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