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Judentum und Israel
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Debatten auf der Sommerakademie:
Orientalische Geschichten in Wien II

Von Karl Pfeifer

In der Ankündigung der Sommerakademie des "Instituts für die Geschichte der Juden in Österreich" heißt es: "Mit außergewöhnlichen Ansätzen beleuchten hochkarätige Wissenschaftler die vielschichtigen Hintergründe des Konflikts um Israel/Palästina". Wer von den Vortragenden ein "hochkarätiger" Wissenschaftler ist, kann ich nicht beurteilen. Aber auch am zweiten Tag der Tagung habe ich keine "außergewöhnlichen Ansätze" erlebt.

Gestern, war ich wirklich schockiert, als ich eine durchaus pathetische, vollkommen unakademische, emotionale Präsentation erlebte und darauf - auch ein wenig emotional antwortete - dass in der Regel diejenigen, die einen Krieg verlieren, den Preis dafür zahlen. Ich meinte das mußten auch beispielsweise die Ostpreußen erfahren, nur die Palästinenser, die ein Haus oder Land verloren haben, stellen ihr Schicksal als etwas einmaliges dar. Dann wies ich noch darauf hin, dass Österreicher meinen Eltern ihr Haus sowie Hab und Gut 1938 im Frieden geraubt haben.

Das erregte den israelischen Akademiker Uri Ram derart, dass er mir zurief, "Ihre Eltern haben ihr Haus verloren, weil die Juden vor 2000 Jahren Christus gekreuzigt haben". Die Empörung mit denen meine Worte über Österreich von einem Teil des Publikums aufgenommen wurden, war nur ein Vorgeschmack auf den zweiten Tag, der mit einem differenzierten Vortag Thomas Schmidingers über "Importing the ‚Protocols of the Elders of Zion‘: Anti-Semitism in Arab and Muslim Societies" begann. Schmidinger versuchte in der halben Stunde, die ihm zur Verfügung stand, auch auf die Vergangenheit einzugehen. Er schilderte u. a. einige in Österreich im allgemeinen unbekannte Tatsachen, z.B. dass während der Unruhen 1936-39 Araber mehr Araber umbrachten als Juden und Briten. Er erzählte vom Mufti Hadj Amin el Husseini, der u.a. sich an die deutschen Behörden mit der Bitte wandte, nicht 5000 jüdische Kinder gegen 20.000 Deutsche auszutauschen und diese Kinder dann in den Gaskammern endeten. Er erwähnte auch, dass der Mufti in Bosnien und der Herzegowina unter den Moslems Werbung für die Waffen-SS machte. Was dann Rebecca Stein von Durham/North Carolina zu der Frage veranlasste, ob denn Schmidinger beweisen könne, "dass der Mufti auch Antisemit war?" Diese Dame ist eine der "hochkarätigen Wissenschaftler", die an der Tagung teilnehmen!

Die Semiten

Doch Schmidinger hatte auch eine Reihe von ehemaligen SS und SD-Männern genannt, die in ägyptische und syrische Dienste traten, um u.a. Judenhetze und Bespitzelung von jüdischen Gemeinden zu betreiben. Das ließ dem Soziologen Uri Ram keine Ruhe, der Schmidinger belehrte, dass doch auch die Amerikaner nach 1945 Deutsche in ihre Dienste nahmen. Die Antwort war eindeutig: "Es ist bedauerlich, dass die USA dies wirklich tat, nur gibt es einen wesentlichen Unterschied, diese deutschen Wissenschaftler und Techniker wurden nicht angestellt, um Judenhetze zu betreiben oder jüdische Gemeinden zu bespitzeln". Ram replizierte das übliche: "Aber auch in den USA gibt es Antisemitismus"! Basem Ra’ad, ein Vortragender aus Jerusalem behauptete in seiner Replik, dass Palästinenser keine Antisemiten sein können, seien sie doch selbst Semiten. Schmidinger: "Es gibt zwar semitische Sprachen, wie Arabisch, Hebräisch, Aramäisch. Aber es gibt kein semitisches Volk, keine semitische Rasse und wer etwas anderes behaupte, der sei Rassist." Nun kam der Einwurf, dass die europäischen Juden doch keine Semiten seien. Anscheinend glauben einige "hochkarätige" Wissenschaftler, mit semantischen Tricks das Problem des arabischen Antisemitismus so aus der Welt schaffen zu können.

Den Vogel aber schoß wirklich Dr. John Bunzl ab, der vor jedem zweiten Satz erklärte, "ich rechtfertige nicht den Antisemitismus, aber.... Und dann kam wie das Amen im Gebet die Rechtfertigung. Wenn also irgendwelche andere Fremde sich in Argentinien angesiedelt hätten, so Bunzl, dann hätte man auch die gehaßt und weitere "Argumente" in dieser Preisklasse, um dann Schmidinger demagogisch zu beschuldigen, er würde Ursache und Wirkung vertauschen, denn der Antisemitismus sei ja nicht die Ursache des Konflikts. Auch das wurde geduldig von Schmidinger beantwortet, der darauf hinwies, dass er das überhaupt nicht sagte, dass aber dieser virulente Antisemitismus in der arabischen Welt auch unter den israelischen Linken, die eine Verständigung wünschen Angst und Pessimismus hervorrufe und somit ein Faktor der Politik geworden ist. Auf die Erklärung, die Dr. Bunzl schlußendlich für Schmidingers Verhalten gab, dass ja Deutsche und Österreicher mit derartigen Meinungen die unbewältigte Vergangenheit ihrer Verwandten aufarbeiten wollen, antwortete Schmidinger zu Recht nicht.

Abgelutscht

Der Vortrag von Sari Hanafi, aus Ramallah, der das Verhalten der palästinensischen und jüdischen Diaspora zur Intifada vergleichen wollte, betonte die "kolonialistischen Elemente des Zionismus". Desto mehr ausländische Juden er treffe, umso pessimistischer werde er. Hanafi wiederholte die Theorien von den verschiedenen "Narrativen" und der Wichtigkeit, den Palästinensern das "Recht auf Rückkehr" zu gestatten und sprach in diesem Sinne auch von der "Mythologie" der Nakba. Er meinte, so wie die meisten Juden nicht nach Israel einwandern wollen, so wollen auch die meisten Palästinenser nicht wirklich zurückkehren. Wenn das so ist, versteht man nicht, weshalb sie auf dem Rückkehrrecht bestehen. Ich wies auf die Asymmetrie hin, dass Juden im Ausland - auch hier in Wien Opfer von arabischen Anschlägen wurden, in Frankreich vermehren sich die Fälle von durch junge Moslems gegen Juden begangene Aggressionen und in gewissen Schulen verhindern moslemische Schüler den Unterricht über den Holocaust. Ich fragte Sari Hanafi, was dagegen unternommen werden könne. Die Antwort war etwas verblüffend, "in Nantes wurden zweimal soviel moslemische Gräber geschändet". Dann aber kam der wirkliche Knüller. "Der Philosoph Alain Finkielkraut erklärte, dass 95% der französischen Juden mit Israel solidarisch seien". Wenn die Juden in der Diaspora sich nicht vom "israelischen Kolonialismus" distanzieren, dann sehe er schwarz.

Ich fragte Prof. Klaus Lohrmann, warum denn nicht wenigsten ein Bezug zu Österreich bei dieser Tagung gestellt wird, zum Beispiel, wie die österreichische Medienberichterstattung über diesen Konflikt rezipiert wird. Darauf erhielt ich keine befriedigende Antwort.

Auf meine Frage, ob denn das "Institut für die Geschichte der Juden in Österreich" im nächsten Jahr eine Tagung ankündigen könnte "Wie die Zweite Republik nach 1945 die rückkehrenden Juden behandelt hat?", kam die Reaktion: "Das Thema ist abgelutscht", keiner interessiere sich dafür. Dazu befragte ich den wissenschaftlichen Leiter des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, der mir sagte, dass die Forschung zu diesem Thema erst begonnen habe und da noch viel zu tun wäre. Zwei Meinungen, die einander widersprechen.

Fazit: Es ist leichter eine Tagung in Wien zu organisieren, die einigen "hochkarätigen" Wissenschaftlern die Gelegenheit bietet, ihre Frustrationen, ihre berechtigte und meistens unberechtigte Kritik an Israel zu äußern. Dass die palästinensischen Araber u.a. auch die sattsam bekannten Propagandasprüche klopfen, kann man ihnen kennend was sie erwarten würde, wenn sie das nicht täten nicht übel nehmen. Schwierig wird es aber eine österreichische wissenschaftliche Institution dazu zu bewegen, die eigene Gesellschaft und das eigene Land mit dem gleichen Maßstab zu beurteilen, wie Israel. Auch das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass für solche Tagungen Geldgeber gefunden werden müssen. Vielleicht könnte man auch einmal das Maß an wissenschaftlicher Selbstkritik in Israel und in Österreich vergleichen, das wäre ein sicher nicht "abgelutschtes" Thema für eine Tagung des "Instituts für die Geschichte der Juden in Österreich"!

"Whose Holy Land":
Orientalische Geschichten in Wien (1)
Fazit:
Orientalische Geschichten in Wien III

hagalil.com 02-07-03

 


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