Einseitiges Klagen:
Antwort an die Frauen in Schwarz
Von Karl Pfeifer
Die Frauen in Schwarz (FIS) haben sich viel Zeit mit der
Antwort auf meinen
Anfang Juni erschienenen
Artikel gelassen. Wenn sich eine Gruppe von Frauen, die selbst von
sich behaupten, “gesellschaftliche Analysen überlassen wir daher
anderen” und bekennen, nur ein Ziel zu haben, gegen den Staat Israel zu
protestieren, einem österreichischen Journalisten, der wohl die Zustände
in seinem Land analysiert, deswegen denunziatorisch “Verunglimpfung der
Österreicher” vorwerfen, dann ist das mehr als seltsam.
Die FIS versuchen den Eindruck zu erwecken, sie wären
wirklich eine Friedensgruppe, die Gewalt jeder Seite in diesem Konflikt
anprangert. Doch genau das tun sie nicht. Sie beklagen lediglich die
Gewalt der einen Seite, schweigen aber zum blutigen Terror der von der
Seite ausgeht, deren propagandistische Sache sie geschickt betreiben.
Wenn ausgerechnet in Wien, lediglich die Gewalt der einen Seite in
diesem Konflikt angeprangert wird, dann ist das eine richtige
Ermunterung für Antisemiten, die so noch ein Argument gegen "die Juden"
erhalten.
Da nützt es auch nicht, wenn wir dann erzählt bekommen, dass sich ja unter
ihnen auch Jüdinnen befinden. Denn die Tendenz ist doch klar. Gegen das
Lynchen von angeblichen Kollaborateuren haben sie beispielsweise noch
nie die Stimme erhoben. Das warf ich den FIS vor und tatsächlich
bestätigen die FIS meine Vorwürfe: “Karl Pfeifers Polemik gegen "Frauen
in Schwarz (Wien)" beruht auf einem Un- bezw. Missverständnis unserer
Rolle und der Aufgaben, die wir uns gesetzt haben. Wie "Frauen in
Schwarz" in Israel und in anderen Ländern, protestieren wir gegen die 36
Jahre andauernde Besetzung Israels der palästinensischen Gebiete...
Gesellschaftliche Analysen überlassen wir daher anderen, vor allem den
Palästinensern selbst.” In meinem Text habe ich mich u.a. auf die
Aussendung der FIS “Weg mit der Apartheidmauer” vom 5.6.03
http://austria.indymedia.org bezogen.
Da heißt es: “Die Wiener Frauen in Schwarz sind gegen
Antisemitismus, Rassismus, Neonazismus, Fremdenfeindlichkeit und
Militarismus.” Offensichtlich unterlag ich einem Missverständnis, wenn
ich diesen Satz als allgemeingültig verstanden habe. Jetzt gibt die FIS
klar zu verstehen, dass es ihr nur auf eines ankommt, Kritik an Israel.
Sonst interessiert sie gar nichts. Nichts anderes habe ich behauptet.
Die antisemitische Hetze in palästinensischen Medien und Schulbüchern
interessiert die FIS nicht, dafür schiessen sie sich auf eine im
öffentlichen Verkauf nicht erhältliche Monatszeitschrift ein: “An
feindseligen Angriffen auf letztere [die Palästinenser] fehlt es ja
nicht, besonders in den Medien der jüdischen Gemeinden in Europa und den
U.S.A., wie z.B. im Wiener Jüdischen Gemeindeblatt, dessen Chefredakteur
Karl Pfeifer viele Jahre war.” Wenn die gegenwärtige Berichterstattung
des “Wiener Jüdischen Gemeindeblatt” kritisiert wird, dann bin ich
wahrlich die falsche Adresse. Ich war zu keiner Zeit Chefredakteur und
bin seit 1995 (Pensionierung) nicht mehr Redakteur des offiziellen
Organs der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, “Die Gemeinde”. Es
entbehrt aber nicht der unfreiwilligen Komik, wenn die Damen,
unterschwellig ihre Einseitigkeit auf mich projizieren. Bereits vor mehr
als zwanzig Jahren habe ich Texte zum Konflikt veröffentlicht, in denen
ich auch die Politik Israels kritisch beleuchtet habe, hier sei nur
einer von vielen erwähnt: “Das Problem der besetzten Gebiete” AZ
2.1.1981.
Wer Menschenrechtsverletzungen so einäugig wahrnimmt, wie
die FIS, der kann dann auch die österreichischen Medien nicht mit beiden
Augen sehen: “Wenn wir die Folgen der Besetzung durch Israel anprangern,
tun wir dies u.a. weil die österreichischen Medien - im Gegensatz zu
z.B. den französischen und britischen - oft nur spärlich darüber
berichten.“ Ein Blick in die seriösen österreichischen Zeitungen genügt,
um festzustellen, dass über keinen Konflikt in der Welt, auch nicht über
Konflikte in Afrika, zum Beispiel in Algerien, wo während des letzten
Jahrzehnts an die 175.000 Todesopfer zu beklagen sind, so viel berichtet
wird, wie über den Konflikt, der allein die FIS interessiert. Das
gleiche gilt natürlich für den ORF. Jetzt aber kommt der Hammer:
“Zahlreiche österreichische Journalisten, Politiker und Intellektuelle
scheuen sich an der repressiven und aggressiven Politik Israels
gegenüber den Palästinensern Kritik zu üben, da sie eine geradezu
panische Angst haben, von den offiziellen jüdischen Gemeindevertretern
des Antisemitismus beschuldigt zu werden, wie es immer wieder der Fall
ist.” Die FIS stellen die Welt auf den Kopf und transportieren das alte
antisemitische Stereotyp, der mächtigen Juden, vor denen man “panische
Angst” haben muß. In ihrem propagandistischen Eifer übersehen die FIS,
dass die österreichischen Medien voll mit Israelkritik sind und niemand
vor den wenigen Juden in Österreich oder gar vor Israel Angst hat.
Andererseits dient diese Behauptung von der angeblichen Macht der
jüdischen Gemeinde dazu, die eigene Haltung als couragiert zu
phantasieren. Doch um bei der Wiener Pestsäule ausgerechnet auf
israelische Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen, braucht man keine
Courage.
Die jüdische Gemeinde, sollte doch anerkennen, so die FIS dass die
israelfeindlichen Propagandisten, die sie “Kritiker” nennen “die
Existenz des Staates Israel” nicht in Frage stellen. Ist es nicht eine
Selbstverständlichkeit die Existenz aller in der UNO befindlichen
Staaten anzuerkennen? Wieso muß das bei Israel extra als Positivum
hervorgehoben werden? Es kommen dann die ganze Liste der Klagen gegen
den Staat Israel ohne auch mit einem Wort die mörderischen Angriffe zu
erwähnen, die palästinensische Terrororganisationen auf dem Gebiet des
Staates Israel verübt haben: “Man kann daher den Palästinensern nicht
das Recht auf bewaffneten Widerstand absprechen, zumal das Recht eines
besetzten Volkes einen Befreiungskampf zu führen, auch international
rechtlich anerkannt ist. Es ist dies der Widerstand eines Volkes wie er
seit eh und je gegen Besatzungsmächte geführt wurde und weiterhin
geführt wird, ob von der französischen résistance oder den
jugoslawischen Partisanen im zweiten Weltkrieg,...” Es ist eine
Beleidigung der antifaschistischen Widerstandsbewegungen, wenn die FIS
mit diesen ausgerechnet die palästinensischen Selbstmordanschläge gegen
Zivilisten gleichsetzt.
Den Befürworterinnen des Terrors gegen hauptsächlich
jüdische Frauen, Alte und Kindern sei gesagt, bevor die palästinensische
Autonomiebehörde eine beispiellose Terrorwelle im September 2000
entfesselte, gab es Friedensverhandlungen, in denen den Palästinensern
weitgehende Zugeständnisse gemacht wurden. Die Selbstmordattentate
erweckten bei der israelischen Bevölkerung den Eindruck, die
Palästinenser wünschten keinen Frieden. Es ist eine Schande, wenn von
dem sicheren Österreich aus, eine Gruppe von Frauen, die
palästinensische Gewalt gegen Zivilisten noch dann rechtfertigt, wenn
schon die Palästinensische Autonomiebehörde eingesehen hat, dass das
Blutbad ihrer Sache enormen Schaden zugefügt hat. Die FIS, die angeblich
unterdrückte Fakten über die Palästinenser transportieren wollen, kennen
nicht die Geschichte der Palästinenser wenn sie behaupten: “Was immer
die historischen Umstände gewesen sein mögen oder sind, Besetzung bleibt
Besetzung und wird von den Besetzten nicht toleriert und daher bekämpft.
Israel ist dabei keine Ausnahme. Auch der Holocaust, der immer wieder
als Rechtfertigung ins Spiel gebracht wird, entschuldigt in keiner Weise
dieses Vorgehen.” Besetzung ist offensichtlich nicht immer Besetzung,
denn von 1948 bis 1967 war die Westbank von Jordanien und der
Gazastreifen von Ägypten besetzt. Und man kann nicht von einer
wohlwollenden Besetzung sprechen. Trotzdem gab es keinen bewaffneten
Widerstand.
Die FIS sollten besser den Holocaust aus dem Spiel lassen.
Fakt ist, dass kein Staat auf der Welt dulden kann, wenn Terroristen
seine Staatsbürger, die meisten davon Zivilisten, umbringen und
verletzen. Es mag schon sein, dass Überlebende des Holocausts, die in
Israel leben, diesen mörderischen Terrorismus als Fortsetzung der
Geschichte sehen. Aber wie die Ereignisse zeigen, in dem Moment, wo der
Terror aufhört, hören auch die Gegenaktionen auf. All das hat wirklich
nichts mit dem Holocaust zu tun. Die Behauptung der FIS, dass ich die
israelischen Araber mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten
verwechsle ist irreführend. Es können - und das geben die FIS ja zu -
auch Palästinenser den Flughafen Ben Gurion benützen, wenn sie die
Erlaubnis der Sicherheitsbehörden haben. Die FIS tun immer so, als ob
Israel nicht von Terroristen bedroht wäre. Was aber die Grenzübergänge
zu Jordanien betrifft, da hat Jordanien die Einreisebestimmungen für
Palästinenser in letzter Zeit erheblich erschwert, dafür den Staat
Israel verantwortlich zu machen, ist ein wenig zynisch.
Selbstverständlich gibt es in der prekären Sicherheitslage
Beschränkungen der Reisefreiheit. Wenn es gelingt dem Blutvergiessen
Einhalt zu bieten, wie die Ministerpräsidenten Sharon und Abbas
vereinbart haben, dann wird sich die Lage des palästinensischen Volkes
verbessern. Allerdings müssen beide Seiten dazu ihren Beitrag leisten.
Schlußendlich werfen mir noch die FIS, Verunglimpfung
meiner Landsleute vor: “Karl Pfeifer stellt fest, dass ‚viele
Österreicher sich freuen, die implizite Botschaft zu hören, dass die
Juden die Palästinenser so behandeln, wie einst ihre Eltern, Großeltern
und Urgroßeltern die Juden in Österreich.‘ Dass es wahrscheinlich solche
gibt soll nicht bestritten werden, aber diese Aussage, ist immerhin,
mangels an Beweisen, eine gewagte Verallgemeinerung und eine
Verunglimpfung der Österreicher, Karl Pfeifers eigener Landsleute.” Als
Ariel Muzicant, Präsident der Wiener Kultusgemeinde, das Scheitern der
Verhandlungen mit der österreichischen Regierung Anfang Juni bekanntgab,
stellte der “Standard”, also eine liberale Zeitung, in seiner online
Ausgabe, die Veröffentlichung von Postings mit der Begründung ein, dass
die Flut grob antisemitischer Briefe nicht veröffentlicht werden kann.
Im “Mund” vom 9.6. und in www.hagalil.com habe ich einige wenige
antisemitische online postings publiziert, im übrigen nicht zum ersten
Mal.
In der Israelitischen Kultusgemeinde aber gibt es viele
Ordner mit antisemitischen Briefen und das ist nicht alles, Prof. Dr.
Wolfgang Neugebauer, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs
der Österreichischen Widerstandes, der kein Jude ist, bekommt wegen
seiner Stellungnahmen gegen antisemitische Erscheinungen in Österreich
ebenfalls antisemitische Zuschriften, darunter solche, die ihn
auffordern nach Israel zu gehen. Und auch mir persönlich ist dies mehr
als einmal passiert. Ich finde es unverschämt von den FIS, die ihre
Kritik ausschließlich auf Israel begrenzen, einem österreichischen
Journalisten “eine Verunglimpfung der Österreicher” vorzuwerfen und
gleichzeitig zu behaupten der “Antisemitismus ist endemisch”. Ich habe
nicht “die Österreicher” verunglimpft, sondern von “vielen
Österreichern” geschrieben was ja keine Verallgemeinerung ist, sondern
eine Feststellung, die durch empirische Forschungen bestätigt ist.
Endemisch hingegen heißt laut Duden: “im Volke, einheimisch.” Ich
betrachte den Antisemitismus als ein gesellschaftliches Problem, also
nicht als “endemisch”, mußte jedoch immer wieder beklagen, dass der
Antisemitismus seit 1945 nicht aus der Politik und aus den Medien dieses
Landes verschwunden ist.
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hagalil.com
07-07-03 |