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stellungnahmen frauen in schwarz
womeninblack-vienna
womeninblack-vienna@gmx.at
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Frauen in Schwarz (Wien) übersendet Ihnen zwei Texte
anlässlich der von Ihnen veröffentlichten
Kritik des Journalisten Karl
Pfeifer an unserer Initiative. Der erste ist eine
Stellungnahme zu Pfeifers Behauptungen, der zweite, der
Wortlaut des aktuellen Flugblattes
(Selbstdarstellung) der Frauen in Schwarz, das auf den monatlichen
Mahnwachen verteilt wird.
Wir hoffen, dass Sie die beiden Texte veröffentlichen
werden.
Stellungnahme
zu Karl Pfeifers Kritik
Karl Pfeifers Polemik gegen "Frauen in Schwarz (Wien)"
beruht auf einem Un- bezw. Missverständnis unserer Rolle und der
Aufgaben, die wir uns gesetzt haben. Wie "Frauen in Schwarz" in Israel
und in anderen Ländern, protestieren wir gegen die 36 Jahre andauernde
Besetzung Israels der palästinensischen Gebiete, der Westbank und des
Gazastreifens sowie Ostjerusalems und weisen auf die immer
unerträglicheren Folgen dieser Besetzung für das palästinensische Volk
hin.
Es ist nicht unsere Aufgabe - und kann es nicht sein - die
Probleme der palästinensischen und der moslemischen Gesellschaft
schlechthin zu kritisieren, wie z.B. die Stellung der Frau oder die
Frage von "Mischehen" mit Juden, die Karl Pfeifer anspricht.
Schliesslich wird es ja auch von religiösen Juden oder Katholiken,
gelinde gesagt, nicht gerne gesehen, wenn Ehen mit Andersgläubigen
geschlossen werden. Warum sollte dies bei Moslems anders sein?
Gesellschaftliche Analysen überlassen wir daher anderen, vor allem den
Palästinensern selbst.
An feindseligen Angriffen auf letztere fehlt es ja nicht,
besonders in den Medien der jüdischen Gemeinden in Europa und den
U.S.A., wie z.B. im Wiener Jüdischen Gemeindeblatt, dessen Chefredakteur
Karl Pfeifer viele Jahre war. Wenn wir die Folgen der Besetzung durch
Israel anprangern, tun wir dies u.a. weil die österreichischen Medien -
im Gegensatz zu z.B. den französischen und britischen - oft nur spärlich
darüber berichten. Zahlreiche österreichische Journalisten, Politiker
und Intellektuelle scheuen sich an der repressiven und aggressiven
Politik Israels gegenüber den Palästinensern Kritik zu üben, da sie eine
geradezu panische Angst haben, von den offiziellen jüdischen
Gemeindevertretern des Antisemitismus beschuldigt zu werden, wie es
immer wieder der Fall ist. Dabei stellen die meisten Kritiker die
Existenz des Staates Israel nicht Frage, sondern lediglich die Politik
seiner Regierungen, wie es ja auch bei anderen Staaten getan wird. Daher
haben es sich "Frauen in Schwarz (Wien)" zur Aufgabe gemacht, die
österreichische Bevölkerung, soweit wir es können, über die Lage in den
besetzten Gebieten aufzuklären, nämlich über die täglichen
Menschenrechtsverletzungen an den über 300 Strassensperren, die
gewalttätigen Übergriffe bei Hausdurchsuchungen, über die fortwährenden
Ausgangssperren, die willkürlichen Verhaftungen, auch von Kindern, die
Zerstörungen von Wohnhäusern und deren Einrichtungen, der
palästinensischen Infrastruktur und Landwirtschaft, der Entwurzelung
tausender Olivenbäume durch die israelische Armee und die illegalen
Siedler, die die palästinensischen Bauern an der Ernte hindern, sich in
vielen Fällen die Oliven aneignen und die Bäume verkaufen, was selbst
gegen israelisches Recht verstösst.
Ferner berichten wir über den Bau einer 8m hohen
Betonmauer, der sogenannten "Apartheidmauer", quer durch
palästinensisches Gebiet, wodurch die Palästinenser noch mehr Land und
Wasserreserven an Israel verlieren. Aus einem Bericht der "Weltbank"
geht hervor, dass dem Bau der Mauer bislang 83.000 Olivenbäume und 37 km
Bewässerungskanäle der palästinensischen Bauern zum Opfer fielen ("Le
Monde", Paris, 25.06.03). Die Palästinenser wehren sich folglich gegen
die Besatzungsmacht wie sie können - sie haben weder Tanks noch
Kampfflugzeuge, wie sie die Israelis einsetzen - wenn auch nicht alle
Mittel gut geheißen werden können. Aber welche Mittel werden von der
israelischen Armee eingesetzt? Man kann daher den Palästinensern nicht
das Recht auf bewaffneten Widerstand absprechen, zumal das Recht eines
besetzten Volkes einen Befreiungskampf zu führen, auch international
rechtlich anerkannt ist. Es ist dies der Widerstand eines Volkes wie er
seit eh und je gegen Besatzungsmächte geführt wurde und weiterhin
geführt wird, ob von der französischen résistance oder den
jugoslawischen Partisanen im zweiten Weltkrieg, ob gegen die britischen,
französischen u.a. Kolonialmächte oder gegenwärtig von den Tibetern oder
den Tschetschenen. Was immer die historischen Umstände gewesen sein
mögen oder sind, Besetzung bleibt Besetzung und wird von den Besetzten
nicht toleriert und daher bekämpft. Israel ist dabei keine Ausnahme.
Auch der Holocaust, der immer wieder als Rechtfertigung ins Spiel
gebracht wird, entschuldigt in keiner Weise dieses Vorgehen. Für viele
Israelis und auch für Juden ausserhalb Israels, die dessen Politik
bedingungslos unterstützen, ist dies schwer einzusehen. Nicht umsonst
wurde Ariel Sharon kürzlich, als er nach 36 Jahren das Wort "Besatzung"
erstmals aussprach, von seiner eigenen Partei heftig kritisiert.
Was die Benutzung des israelischen Ben Gurion Flughafens
von Palästinensern betrifft, verwechselt Karl Pfeifer offensichtlich
Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft mit jenen aus den
besetzten Gebieten. Während erstere den Flughafen für ihre Ein- und
Ausreise benutzen dürfen , ist es letzteren praktisch nicht möglich. Wie
die israelische Organisation "Hamoked" (Center for the Defense of the
Individual, http:www.hamoked.org.il) in ihrem Jahresbericht 2002 auf
S.56 feststellt "können seit Beginn der Besetzung palästinensische
Einwohner der besetzten Gebiete nur mit Erlaubnis des Armeebefehlshabers
der Westbank und Gazas ausreisen. Israel hat oftmals diese Machtausübung
als Strafmassnahme oder als Instrument Kollaboration zu erpressen
missbraucht. Zahlreiche Bewohner der besetzten Gebiete, die versuchten
über die Grenzübergänge Allenby Bridge oder Rafah auszureisen, wurden
zurückgewiesen, da ihre Ausreiseansuchen abgelehnt worden waren" (
übersetzt aus dem Englischen). Als Begründung, so "Hamoked", werden
meist "Sicherheitsgründe" genannt, egal ob die Gründe Auslandsstudien,
Familienbesuche oder medizinische Behandlung sind. In einigen Fällen,
die im Jahrbuch 2002 zitiert werden, konnte "Hamoked" nach monatelanger
Verzögerung Ausreisen durchsetzen, in anderen nicht, wie im Fall Nr.
16465 (S.57), jene eines Agronomiestudenten, dem die Ausreise vom Ben
Gurion Flughafen nach Griechenland verweigert und ihm von der Behörde
geraten wurde über Amman zu reisen. Aber auch diese Ausreise wurde ihm
im letzten Moment verwehrt. Man darf sich daher nicht wundern, wenn die
von Karl Pfeifer geschmähte Frau Sumaya Farhat-Nasser über Schleichwege
versuchen muss, ihr Land zu verlassen.
Die von Karl Pfeifer wegen ihres Berichts kritisierte
"Evangelische Wochenzeitung für Bayern"(Nr. 19, 12.05.02) befand sich
daher weder im Irrtum noch hatte sie eine "Lüge" gedruckt! Karl Pfeifer
behauptet ferner, dass die Aktion der "Frauen in Schwarz (Wien)"
Antisemiten "ermuntert". Dazu sei gesagt, dass Antisemiten weder
Ermunterungen noch Argumente gegen die Juden brauchen. Antisemitismus
ist endemisch, daher ist es für Antisemiten gleichgültig was Juden tun
oder nicht tun. Karl Pfeifer stellt fest, dass "viele Österreicher sich
freuen die implizierte Botschaft zu hören, dass die Juden die
Palästinenser so behandeln wie einst ihre Eltern, Grosseltern und
Urgrosseltern die Juden in Österreich". Dass es wahrscheinlich solche
gibt soll nicht bestritten werden, aber diese Aussage ist immerhin,
mangels an Beweisen, eine gewagte Verallgemeinerung und eine
Verunglimpfung der Österreicher, Karl Pfeifers eigener Landsleute.
Antwort an die Frauen in Schwarz
Von Karl Pfeifer
Text des aktuellen Flugblattes der
Frauen in Schwarz
Friedensinitiative Frauen in Schwarz (Wien)
Für Gerechtigkeit. Gegen Gewalt.
Für ein Ende der israelischen Besetzung palästinensischen
Landes - der Weg zum Frieden! Für eine Zwei-Staaten-Lösung - für einen
gerechten Frieden für Israel und Palästina! Räumung der Siedlungen in
den besetzten Gebieten! Stopp der systematischen Zerstörung von Häusern
und Anwesen in den besetzten Gebieten! Stopp der Gewalt - Stopp der
Kollektivstrafen! Für internationalen Schutz der PalästinenserInnen!
Am 8. Juni 2001 folgten die internationalen
Organisationsgruppen der "Women in Black" dem Aufruf der "Coalition of
Women for a Just Peace" (der israelischen Dachorganisation von zehn
Frauenfriedensorganisationen www.coalitionofwomen4peace.org) und hielten
weltweit in über 150 Städten Mahnwachen gegen die andauernde israelische
Okkupation palästinensischer Gebiete ab.
Auch in Wien hatten sich Frauen wie Männer
unterschiedlicher politischer Überzeugung und verschiedener Berufe zu
einer Mahnwache am Stephansplatz eingefunden und somit den Grundstein
zur Organisationsgruppe "Frauen in Schwarz (Wien)" gelegt. Seitdem
organisieren die Wiener Frauen in Schwarz an jedem ersten Freitag des
Monats zwischen 17:00 und 19:00 Uhr eine Mahnwache, um der
interessierten Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung zu stellen,
das kolportierte "Opfer-Täter-Bild" zu korrigieren und die
unerträglichen Lebensbedingungen der PalästinenserInnen unter Besatzung
aufzuzeigen. Gleichermaßen appelliert die Mahnwache an die Verantwortung
der internationalen Staatengemeinschaft, Europas und insbesondere
Österreichs, sofortige Maßnahmen zur Deeskalierung der sich immer
brutaler drehenden Spirale der Gewalt zu setzen und aktiv für einen
gerechten, auf den einschlägigen UN-Resolutionen und dem Völkerrecht
beruhenden Friedensprozess einzutreten. Dies ist umso mehr ein Gebot der
Stunde, da die israelischen Besatzungstruppen unmittelbar nach dem aufs
schärfste zu verurteilenden Terrorangriff auf die USA verstärkt in
autonome palästinensische Gebiete einmarschiert sind.
Da besonders in Österreich jedwede Kritik an der
völkerrechtswidrigen Politik der israelischen Regierung mit dem Stigma
des Antisemitismus belegt wird, betonen die Wiener Frauen in Schwarz,
dass sie die unzulässige Gleichsetzung des Judentums mit der
israelischen Staatspolitik ablehnen und gegen jede Form der Gewalt,
gegen Antisemitismus, Rassismus, Neonazismus, Fremdenfeindlichkeit und
Militarismus auftreten und ihre Forderungen Teil der internationalen,
noch immer ihrer Umsetzung harrenden Lösungskonzepte zum Nahost-Konflikt
sind.
Die schwarze Kleidung der Frauen in Schwarz symbolisiert
die Trauer um die Opfer des Konfliktes.
Frauen in Schwarz (Wien). Für Gerechtigkeit. Gegen
Gewalt.
e-mail:
WomenInBlack-Vienna@gmx.at
Antwort an die Frauen in Schwarz
Von Karl Pfeifer
hagalil.com
07-07-03 |