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Sinti und Roma
Zwangsarbeit
Die Volksgruppe der deutschen Sinti und Roma
Die Volksgruppe der deutschen Sinti und Roma wird
auf etwa 50.000 bis 70.000 Angehörige geschätzt. Die Mehrheit der
deutschen Sinti und Roma lebt in den Hauptstädten der alten Bundesländer
einschließlich Berlin und Umgebung sowie in den Ballungsgebieten des
Raums Hamburg, des Rhein-Ruhr-Gebiets mit dem Zentrum Düsseldorf/Köln,
des Rhein-Main- und des Rhein-Neckar-Ballungszentrums.
Teilweise leben die deutschen Sinti und Roma auch in größerer Zahl in
Regionen räumlich nicht weit voneinander entfernter kleinerer Städte. So
gibt es deutsche Sinti und Roma z. B. in Mittel- und Kleinstädten
Ostfrieslands, Nordhessens, der Pfalz, Badens und Bayerns.
Die deutschen Sinti und Roma hatten wie die Sinti und
Roma insgesamt, während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
unter Verfolgung und Völkermord zu leiden.
Heute sind die deutschen Sinti und Roma weitgehend in
die Gesellschaft integriert, jedoch bestehen hier auch noch Defizite.
Die Angehörigen der Volksgruppe haben sich zur Vertretung ihrer
Interessen in Vereinen und - entsprechend der föderalen Struktur der
Bundesrepublik Deutschland - in Landesverbänden organisiert. Neun dieser
Landesverbände sind im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
zusammengeschlossen, dem auch noch weitere Institutionen wie der Verein
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und größere
Vereine auf lokaler Basis angehören. Ein weiterer Landesverband ist
nicht Mitglied des Zentralrats, dem auch einige andere lokale und
regionale Büros und Vereine deutscher Sinti und Roma nicht angehören.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist zusammen
mit den Verbänden der dänischen Minderheit, des sorbischen Volkes und
der Volksgruppe der Friesen in Deutschland Mitglied der Föderalistischen
Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), des Dachverbandes der nationalen
Minderheiten und traditionellen (autochthonen) Volksgruppen in Europa.
Wegen der großen räumlichen Streuung der Wohnsitze der
deutschen Sinti und Roma ist die direkte Mitwirkung der Volksgruppe im
politischen Leben schwieriger als bei den geschlossen lebenden
nationalen Minderheiten. Dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist die
Wahl einzelner Sinti in Kommunalparlamente bekannt. Angehörige der
Volksgruppe sind - soweit bekannt - nicht als Abgeordnete im Deutschen
Bundestag oder in den Landtagen vertreten. Die Verbände der deutschen
Sinti und Roma sprechen daher Parlamente und Regierungen,
parlamentarische Gremien und Gremien der Parteien sowie einzelne
Politiker an, um für ihre Interessen zu werben und politische
Unterstützung zu erhalten.
Die Bundesregierung finanziert das Büro des
Zentralrats Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, in dem fünf
Mitarbeiter hauptamtlich tätig sind. Außerdem erhalten Landesverbände in
acht Ländern Landesförderung, die ihnen überwiegend auch die
Finanzierung hauptamtlicher Mitarbeiter ermöglicht. Damit ist durch
staatliche Mittel die Infrastruktur gesichert, um die Interessen der
Volksgruppe in der Öffentlichkeit vertreten zu können und am
öffentlichen Leben teilzunehmen. Der Zentralrat und die Landesverbände
können sich dabei auch auf die Arbeit des Dokumentations- und
Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma stützen, das zu 90 Prozent aus
Bundesmitteln und zu 10 Prozent aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg
finanziert wird. Im Dokumentations- und Kulturzentrum sind 14
Mitarbeiter hauptamtlich tätig. Das Zentrum gibt auch Publikationen
heraus und gestaltet kulturelle Projekte. Außerdem erhält eine Reihe von
örtlichen Vereinen der Sinti und Roma regelmäßig Förderung auf
kommunaler Ebene. Neben der Verbandsarbeit und Beratungsaufgaben werden
seitens der Länder und Kommunen ergänzend insbesondere kulturelle, aber
auch soziale Projekte gefördert. Die Förderungsprogramme des Bundes und
der Länder sowie die Projektförderungen der Kommunen verfolgen das Ziel,
der Teilhabe der deutschen Sinti und Roma am gesellschaftlichen Leben
unter Erhaltung ihrer kulturellen Identität zu dienen und die soziale
Integration der Sinti und Roma zu unterstützen.
Zu den langfristigen Projekten gehört beispielsweise
die Förderung des Theaters "Pralipe" in Mülheim an der Ruhr, das seine
Stücke in Romanes spielt, durch das Land Nordrhein-Westfalen. Der
Berliner Radiosender SFB 4 Multikulti sendet zweimal im Monat 15 Minuten
in Romanes. Das Land Baden-Württemberg fördert z. B. die Kulturtage der
Kurpfälzer Sinti und Roma, eine Kooperation mit Volkshochschulen und
wissenschaftliche Projekte. Hamburg unterstützt kulturelle Aktivitäten
wie z. B. die Kulturinitiative Sam Roma, die musikalische Traditionen
pflegt und öffentlich präsentiert. Hessen hat u. a. staatliche Mittel
für eine Sinti und Roma betreffende Veranstaltungsreihe zum Thema
Kultur, Information, Koordination und Begegnung bewilligt. Daneben
fördern auch einige Kommunen lokale Kultur- und Begegnungsprojekte.
Der Unterricht der Sprache Romanes ist in keinem
Schulgesetz der Länder vorgesehen. Dies entspricht auch den Wünschen des
Zentralrats deutscher Sinti und Roma. Der Zentralrat ist aufgrund des
Mißbrauchs der sogenannten wissenschaftlichen Forschung über die
Volksgruppe - unter Einschluß der Erforschung des Romanes - in der Zeit
des Nationalsozialismus und des sich daran anschließenden Völkermords an
Sinti und Roma der Auffassung, daß die Sprache allein innerhalb der
Volksgruppe weitergegeben und nicht durch Außenstehende im staatlichen
Bildungssystem gelernt und gelehrt werden soll. Somit wird die
Muttersprache Romanes überwiegend durch mündliche Überlieferung
innerhalb der Familien und der Volksgruppe gepflegt. Die starke
räumliche Zerstreuung von Wohnsitzen der Sinti und Roma auch in
Ballungsgebieten würde auch die Einrichtung spezieller Klassen mit
Unterricht in Romanes erschweren oder unmöglich machen.
Die Verwendung von Romanes im öffentlichen Schulsystem
beschränkt sich daher auf Pilotmaßnahmen für (ausländische) Roma-Kinder,
die in räumlicher Nähe zusammenleben. Der Zentralrat Deutscher Sinti und
Roma legt größten Wert darauf, daß das vorhandene staatliche und
staatlich anerkannte Schul- und Bildungssystem für die Kinder der
Volksgruppe uneingeschränkt wie bisher genutzt wird. Er lehnt daher
separate Schulen für Roma oder Schulklassen nur für Sinti und Roma ab.
Das entspricht augenscheinlich auch dem Wunsch der Eltern, denn die
Kinder der deutschen Sinti und Roma besuchen überwiegend die örtlichen
Regelschulen bzw. weiterführende Schulen.
Besondere Möglichkeiten der Förderung der schulischen
Entwicklung für Kinder von Sinti und Roma unter Einbeziehung ihrer
kulturellen Traditionen und ihrer Sprache haben sich in einigen Ländern
der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen standortbezogener Projekte
ergeben. So wurden beispielsweise in Hamm und in Köln unter Beteiligung
der örtlich ansässigen Sinti und Roma Materialien für Unterricht und
regionale Fortbildung erstellt, die über den Kulturkreis und die
Geschichte der Sinti und Roma informieren und im Unterricht den Bezug
zwischen Volksgruppe und Schule stärken sollen.
(Quelle:
BMI, Stand: 1996)
Ein Workshop in der
Jerusalemer Synagoge
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma |