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Judentum und Israel
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Rechtsextrem oder postmodern?
Max Preglau's Regierungs- und Wahlkampf-Watch

Teil 3

6. Die öffentliche Meinung zur Wendekoalition im Spiegel der "Sonntagsfrage"

Wie haben sich die WählerInnen auf die neues Situation eingestellt? Bezüglich der ÖVP lässt sich feststellen, dass Sie sich nach einem Absturz nach der Regierungsbildung in der Zeit der "Sanktionen" erholt hat und seither relativ stabil bei einem Stimmenanteil von 27 - 30 % über dem Wahlergebnis von 1999 liegt.

Die FPÖ hatte Ihren Höhepunkt mit 33 % kurz vor der Regierungsbildung, als sie angesichts der festsitzenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ sogar zur stimmenstärksten Kraft aufgestiegen war. Nach der Regierungsbeteiligung unter dem Eindruck der bestürzten internationalen ein Rückgang und eine Schwankung zwischen 19/20 und 24 % - mit stärkeren Phasen in Perioden mit aktuellem Sicherheitsthema (z.B. nach dem Anschlag auf das New Yorker WTC am 11.9.2001) und Einbrüchen in Zeiten extremer Haider-Eskapaden und innerparteilicher Konflikte (z.B. Irak-Reise Haiders; Machtkampf Haider – Riess-Passer im Sommer 2002).

Die SPÖ klettert nach einer Schwächeperiode in der neuen ungewohnten Rolle als Oppositionspartei und als Opfer der in der Zeit der EU-"Sanktionen" genährten Dolchstoßlegende, in der sie mit 30 % unter dem Wahlergebnis von 1999 lag, dank einer konsequenten und angesichts der eisernen Sparpolitik der Regierung populären sozialpolitischen oppositionellen Linie und beflügelt durch Erfolge bei Landtags- und Arbeiterkammerwahlen beständig auf einen Wert von 36 – 37 %.
Die Grünen fluktuieren seit Beginn der Regierungsperiode - dank einer konsequenten und glaubwürdigen Oppositionspolitik in Fragen Menschenrechte und Demokratie und gestärkt durch den Zustrom ehemaliger LIF-WählerInnen - mit Werten zwischen 10 und 14 % deutlich über ihrem Ergebnis bei den Nationalratswahlen 1999.

Parteien im Spiegel der Umfrage von 2000-01 – 2002-09

Stand

ÖVP

(1)   (2)

FPÖ

(1)   (2)

SPÖ

(1)   (2)

Grüne

(1)   (2)

Sonstige

(1)  (2)

NR-Wahlen 99

27

27

33

7

6

2000 – 01

23  -

33

30

10

4

      02

- 21

- 34

- 31

-  11

-    3

      03

22  -

26  -

32  -

15  -

5    -

      05

31  -

24  -

30  -

12  -

3    -

      07

33  ­­-

23  -

30  -

11  -

3    -

      09

32  -

24  -

28  -

13  -

3    -

      11

34  -

21  -

30  -

11  -

4    -

      12

33  -

19  -

32  -

13  -

3    -

2001 – 01

32  30

21  22

32  32

12  14

3    2

      03

-    29

-    23

-     33

- 12

-    3

      04

29  -

19  -

34  -

15  -

3    -

      06

28  29

22  22

35  33

13  13

2    3

      08

28  -

23  -

34  -

13  -

2    -

      09

-     26

-     25

-    34

-    12

-    3

      10

29  -

23  -

36  -

10  -

2    -

      12

28  24

24  26

35  36

11  12

2    2

2002 – 01

26  26

26  23

35  37

12  11

2    3

      02

27  -

25  -

35  -

12  -

1    -

      05

-    29

-    22

-     37

-     10

-    2

      08

28  27

19  21

36  37

14  12

3    3

      09

28  29

20  20

35  36

14  12

3    3

00-01/02 – 01-01

+9  +9

-12 -12

+2  +1

+2  +3

-    -

01-01 – 02-01

-6  -4

+4  +1

+3  +5

+-0 -3

-    -

02-01 – 02-09

+2  +3

-5  -3

+-0  -1

+2  +1

-    -

00-01 – 02-09

+5  +8

-13 -14

+5  +5

+4  +1

-    -

Legende: (1) = OGM, (2) = market; Stichproben: N = 400 - 500, +- 4,5 % Schwankungsbreite, Irrtumswahrscheinlichkeit = 1 : 20
Quelle: derStandard-online

Die meiste Zeit hindurch hatte schwarz-blau eine deutliche Mehrheit. Anders war es nur im Frühjahr 2001 - kurz nach der für die SPÖ höchst erfolgreichen Wiener Wahl, und im August und September 2002 – während des offenen Machtkampfs in der FPÖ. Darin spiegelt sich die "Seele" der österreichischen WählerInnen: Sparsam, eher austro-chauvenistisch und xeno-phob und sehr harmoniebedürftig und sicherheits- und ordnungsorientiert. Daher die Popularität der Kampfs gegen die "ungerechten Sanktionen", der Sparpolitik und der Fremdenpolitik der Wendekoalition und die Unempfindlichkeit der Mehrheit gegenüber Verletzungen der Werte von Humanität, Demokratie und Solidarität; daher aber auch der öffentliche Unmut und die Abnahme der Stimmen für die Wendekoalition im Falle "ordnungswidrigen" Verhaltens von Haider oder eskalierender Konflikte in der FPÖ.

7. Wende am Ende? FPÖ und Wendekoalition in der Krise des Sommers 2002

Seit dem Sommer 2002 hat sich eine Wende innerhalb der FPÖ und in der Folge in der schwarzblauen Wendekoalition abgezeichnet. Bis dahin hatte sich seit dem formellen Wechsel der Parteiführung von Haider zu Riess-Passer in der FPÖ ein Muster der Arbeitsteilung und der Interaktion zwischen Haider- und Regierungsfraktion eingespielt: Die Regierungsfraktion inszeniert sich staatstragend und pragmatisch, die Haiderfraktion mahnt gewissermaßen in Opposition zu ihrem Gegenpart in populistischer Weise ihre z. T. ideologisch extrem rechten Grundsätze ein. Wenn dabei die Kluft zu groß zu wird, droht Haider mit seinem Rückzug und oder der Mobilisierung der Parteibasis – und die ihm ergebene offizielle Parteispitze kriecht zu Kreuze, der Koalitionspartner gibt seinerseits nach, um die Regierungsmacht zu erhalten, und ein weiteres Stück recht(sextrem)e Programmatik wird zur Regierungspolitik.

Diese Muster wurde nunmehr durchbrochen: Haider, der nach eigener Karriereplanung längst Kanzler sein sollte, hatte trotz dieser für ihn strategisch durchaus vorteilhaften Position immer größere Schwierigkeiten damit, Parteiführung und Regierungseinfluss nur informell auszuüben. Vor dem FP-Bundesparteitag im Juni 2002 hatte er daher Riess-Passer angetragen, wieder den Parteivorsitz zu übernehmen. Auf deren Ablehnung reagierte er neuerdings mit deftiger Kritik an der Regierungsarbeit, die den Kampf gegen Privilegien vernachlässigt habe, und mit der Drohung, die FPÖ im nächsten NR-Wahlkampf nicht zu unterstützen: "Ich bin nicht der Klempner der FPÖ" (News Nr. 31/2002) – um nächsten Tages bei einer Pressekonferenz teilzunehmen, bei der die "Parteichefin" eilfertig versichert, den Kampf gegen Privilegien zu verstärken und das "einfache Parteimitglied" ihr im Gegenzug aus der sich selbst in blasphemischer Weise angemaßten Position eines "Oberhirten" gönnerhaft attestiert, stets ein "unbeflecktes Lamm" gewesen zu sein (derStandard-online 01.08.2002).

10 Tage später ließ er dann in einem Kurier-Interview abermals ausrichten, dass es von ihm "einen Wahlkampf außerhalb Kärntens … nicht geben wird"; auch mit der "bisherige(n) Arbeitsteilung …, dass die Regierung das vornehme Oberhaus spielt und die Kanalräumerbrigade die Schmutzarbeit macht", sei es vorbei. Das Ziel der FPÖ bei den Nationalratswahlen gab Haider mit "25 Prozent plus" vor. Gelingen müsse eine Mehrheit von FPÖ und ÖVP. "Wenn es ganz schlecht ausgeht und die FPÖ aus der Regierung fliegt, erwarte ich, dass sich die Verantwortlichen vertschüssen, weil sie gescheitert wären", so der Altparteiobmann. Dann wäre eine völlige Neukonstruktion der FPÖ erforderlich. Wenn er dann Obmann werden wollte, würde er nicht fragen, sondern einfach kandidieren. Der Wahlausgang wäre keine Frage: "Eine Mehrheit wäre mir sicher" (derStandard-online 11.08.02). Haider drohte also damit, bei den nächsten Wahlen die formale Parteispitze, die Regierungsfraktion um Riess-Passer, im Regen stehen zu lassen, um sie dann nach dem zu erwartenden Misserfolg wiederum selbst einzunehmen und die Partei im Sinne einer extrem-populistischen Rechtsorientierung zu erneuern!

Als die Regierungsfraktion anlässlich der Hochwasserkatastrophe im August 2002 einen Parteivorstandsbeschluss herbeiführte, einer Verschiebung der (öffentlich versprochenen und vom Parteitag im Juni 2002 beschlossenen) Steuerreform zuzustimmen, drohte Haider abermals damit, die Parteibasis gegen die Parteispitze zu mobilisieren: "Der Bundesparteitag ist das höhere Gremium, der hat die Steuerreform beschlossen" (derStandard-online 18.08.02). Damit erreichte er immerhin einen gemeinsamen Entschließungsantrag von FPÖ und ÖVP mit der Bitte an die Bundesregierung, "an einer ihrer besonderen Prioritäten, nämlich die Abgabenquote bis 2010 auf 40 Prozent abzusenken, festzuhalten und daher direkte und steuerliche Entlastungen wie z.B. jüngst für Hochwasseropfer mit bisher 1,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern - wenn notwendig auch darüber hinaus - konsequent und schrittweise durchzuführen". Er – Haider - selbst habe diese "Letztentscheidung mit dem Bundeskanzler herbeigeführt" (derStandard-online 20.08.02). Tags darauf genügte ihm dies doch wieder nicht, und er stellte seiner Partei ein Ultimatum: Sie müsse sich wieder als Reformbewegung etablieren, die bereit sei, "das starre Geflecht der rot-schwarzen Beziehungen und des Proporzes aufzubrechen", und den Privilegien des "geschützten Sektor" den Kampf anzusagen – "Der Hackler in der Privatwirtschaft muss genau die gleichen Rechte haben wie alle anderen". Er erwarte sich nun eine Klärung des Kurses der FPÖ bis spätestens Oktober (derStandard- online 21.08.02).

Die FPÖ schien damit immer mehr auf die Zerreißprobe und ein Show-Down zwischen Parteivorstand und Rebellenfraktion zuzusteuern. Haider wollte seine Forderung nach einer Steuerreform mit Hilfe der Basis auf einem Sonderparteitag durchsetzen, Riess-Passer war strikt gegen einen solchen Sonderparteitag und drohte, sie würde "… in diesem Fall überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen" (derStandard-online 24.08.02), Haider erklärte seinerseits: "Wenn diese undemokratische Gesinnung aufrechterhalten wird, … dann gibt es meinen totalen Rückzug. Dann sind all jene zu 100 Prozent in der Verantwortung, die diesen Weg gehen wollen. Und dann werden wir sehen, was 2003 von der FPÖ noch überbleibt" (derStandard-online 25.08.02).

Als sich die Parteispitze und Landesorganisationen in einem Anlauf zur Emanzipation vom großen Bruder in Koalitionstreue trotzdem mehrheitlich hinter Riess-Passer und den Aufschub der Steuerreform stellten und damit der Weg zu einem Sonderparteitag blockierten, entschloss sich Haider, seine freiheitliche Partei und die von ihm mit auf den Weg gebrachte blau-schwarze Wendekoalition nun durch demagogische Massenmobilisierung von außen unter Druck zu setzen: Er wolle sich mit einem Volksbegehren "… an die Spitze einer Bürgerbewegung quer durch Österreich stellen" und gleichzeitig auch "einen Finanzierungsplan für eine Steuerreform 2003 präsentieren". Mit diesem Finanzierungsplan – Einsparungen durch Verkleinerung von Parlament und Landtagen, die Kürzung der Parteienfinanzierung, die Abschaffung der Selbstverwaltung bei den Sozialversicherungen, keine zusätzlichen Nettozahlungen im Zuge der EU-Osterweiterung - legte Haider neuerdings sein autoritäres und europafeindliches Politikprogramm offen. Wenn dieses Volksbegehrens eine Beteiligung von 15 Prozent erreiche, solle es "… in eine Volksabstimmung münden, wie es die Bundesregierung sich für erfolgreiche Volksbegehren vorstellen kann" (derStandard-online 26.08.02).

Darauf konterte Riess-Passer nun ihrerseits mit der - auch für den Koalitionspartner überraschenden - Ankündigung einer Volksbefragung über die Steuerreform. Bestärkt durch Umfragen, die bei der Bevölkerung ein mehrheitliches Verständnis für den Aufschub der Steuerreform signalisierten, wollte sie den zornigen Meisterdemagogen mit den eigenen Waffen schlagen und das Wahlvolk mobilisieren und als Richter im FPÖ-Richtungsstreit einsetzen (derStandard-online 26.08.02). Damit hatte Riess-Passer die Auseinandersetzung von der Parteiebene auf die Ebene der Regierungskoalition verlagert und damit den Koalitionspartner in die Auseinandersetzung hineingezogen. Sie hoffte, damit Haider in die Schranken zu weisen und zugleich die im nächsten Jahr fällige Wahlentscheidung durch eine Entlastung von der Frage der Steuerreform im Vorfeld positiv zu beeinflussen, sie hatte sich damit jedoch auch von der Zustimmung der ÖVP abhängig gemacht. Diese zögerte zunächst, und es wäre durchaus wahrscheinlich gewesen, dass Kanzler Schüssel im Interesse des politischen Überlebens des Koalitionspartners und damit der von ihm geführten Koalition diese Zustimmung in seiner Partei erwirkt hätte.

Tags darauf folgte jedoch wieder eine Kehrtwendung Haiders: Wohl wissend, dass ihn Riess-Passer diesmal überboten hatte und im Bemühen, aus dieser Niederlage einen moralischen Sieg zu machen, sagte er sein Projekt Volksbegehren "vorerst" ab - unter der Bedingung dass die FPÖ-Spitze noch einmal mit ihm über mögliche Steuererleichterungen diskutiert. Es handle sich dabei um ein "sehr großes Entgegenkommen" seinerseits, mit dem die Parteiführung "nicht leichtfertig umgehen" sollte. Wenn es "nicht möglich ist, und die Partei nicht bereit ist, einen Schritt in dieser Frage auf uns zuzugehen, zwingt sie mich, mich aus der Politik zurückzuziehen", drohte Haider neuerlich mit Rücktritt, um seiner Forderung innerparteilich Nachdruck zu verleihen (derStandard-online 27.08.02). Später schob er dann noch die Forderung nach einer Neuverhandlung des Koalitionsübereinkommens nach. Riess-Passer, nach ihrer Selbsteinschätzung ohne ihr Zutun "von der willenlosen Marionette zu seiner großen Gegenspielerin" geworden, bekräftigte jedoch ihre Haltung und kündigte an, in der Parteivorstandssitzung am 3.9.2002 die Vertrauensfrage zu stellen, um damit die "Richtungsentscheidung" herbeizuführen (News-Networld 28.08.02).

In dieser Konfrontation stellten sich prominente VertreterInnen des Koalitionspartners (Rauch-Kallat, Bartenstein, Gehrer, Khol), und die Mehrheit der WählerInnen, aber auch die Mehrheit des Parteivorstandes und der FPÖ-Anhängerinnen hinter Riess-Passer.

Am Abend des 29. 8. Abends gab es dann ein "Geheimtreffen" zwischen Haider auf der einen und dem Riess-Passer und ihrem Regierungsteam auf der anderen Seite. Riess-Passer blieb inhaltlich bei ihrer Position, machte Haider aber das Angebot, mit ihr in die Bundesregierung zu gehen. Haider lehnte ab, wartete die Parteivorstandssitzung vom 3.9. gar nicht mehr ab und teilte bereits am 30.8. mit, sich "völlig und endgültig" aus der Bundespolitik zurückzuziehen - mit der Begründung, die Partei in der Regierung eine andere Linie, als sie nach der Nationalratswahl 1999 noch mit seiner Mitwirkung konzipiert worden sei, und er wolle nun "nicht mehr stören" und der Parteiführung die Chance geben, "ihre Arbeit zu tätigen mit der Möglichkeit, dass (sie) auch ... die volle Verantwortung dafür trägt" (derStandard-online 30.08.02). Bereits am nächsten Tag machte er sich daran, seine Niederlage mit einer Dolchstoßlegende zu umranken und sich selbst in die Phalanx antiker Helden einzureihen: Mit der nun eingeschlagenen Linie habe sich "... meine Partei ... mit unseren Gegnern verbündet ..., um mich so zu sagen zur Strecke zu bringen". Er aber sei, wie Phönix aus der Asche, zur Auferstehung und für eine neue Mission bereit: nach einer etwaigen Wahlniederlage im kommenden Jahr werde er wieder als Parteiobmann zur Verfügung stehen: "Wenn Sie so wollen bin ich sicherlich ein Sisyphus der FPÖ, der bereit ist, den Stein wieder nach oben zu bringen" (derStandard-online 31.08.02) - die triumphale Rückkehr nach dem bloß taktisch motivierten Rückzug war also von ihm bereits eingeplant.

Riess-Passer - offenbar bemüht, sich nicht von Haider in die Rolle der Verräterin drängen zu lassen - beeilte sich zu versichern, dass sie sich "... immer den Zielsetzungen Jörg Haiders verpflichtet gefühlt (habe)". Sie stehe nach wie vor auf dem Boden des von Haider mitverhandelten Regierungsprogramms, 90 % dieses Programms seien bereits umgesetzt und auch die Steuerreform sei nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Man werde sich auch nach seinem Rückzug anstrengen, "sein Vertrauen zu rechtfertigen" (derStandard-online 31.08.02).

Aber die Wiederkehr Haiders sollte schon viel früher erfolgen als angekündigt. In den Bundesländern wurden – ausgehend von Kärnten, Niederösterreich und Oberösterreich - Unterschriften von Funktionären gesammelt, um einen außerordentlichen Parteitag einzuleiten, die Landesorganisationen Niederösterreichs und Oberösterreichs forderten offiziell einen Sonderparteitag, und auch der 2. NR-Präsident Prinzhorn sprach sich in der Folge gegen den Aufschub der Steuerreform und für den Sonderparteitag aus. Bis Dienstag Nachmittag sind dann 350 Delegierten-Unterschriften für den Sonderparteitag und für "Steuerreform für Abfangjäger" bei der Bundesgeschäftsstelle abgegeben worden - weit mehr als für die Beantragung erforderlich. Das Kräftemessen bei der Vorstandssitzung am Dienstag dauerte dann die Marathondistanz von 12 nächtliche Stunden, ohne dass ein Kompromiss gefunden werden konnte. Nach der Sitzung war man so weit wie vorher: der Vorstand bekannte sich zur Regierungsbeteiligung, im Streitpunkt Steuerreform gab es keine Entscheidung, und Riess-Passer und ihre Stellvertreter Westenthaler, Scheibner und Gorbach erklärten, ihre Ämter zur Disposition zu stellen, sollten nicht genügend Stimmen (mindestens 131) für den – vorläufig mit 13. Oktober terminisierten - Sonderparteitag wieder zurückgezogen werden und dieser tatsächlich stattfinden. NR-Präsident Prinzhorn machte demonstrativ mit dem Stimmenrückzug gleich den Anfang (derStandard-online 01.09.08 - 04.09.02).

Durch das Basisvotum gestärkt meldete sich nach 5 Tagen höchst wirkungsvollen beredter Schweigen auch Jörg Haider wieder zu Wort: ein Sonderparteitag zum Thema "Steuerreform statt Abfangjägern" wäre – so der nun wieder ganz biedermännliche Brandstifter - nur der "letzte Ausweg. … Wir sollten jetzt gemeinsam eine Lösung finden", und, an die Adresse seiner RivalInnen, es wäre auch der falsche Weg, "mit Drohungen zu agieren". Es läge ja ein Vorschlag auf dem Tisch, der von ihm am Montag mit Kanzler Schüssel und BM Bartenstein ausgehandelt worden sei (Was Schüssel allerdings postwendend dementiert hat; es habe sich lediglich um ein Informationsgespräch gehandelt). Bei diesem Vorschlag gehe es nicht allein um eine Steuerreform. "Es geht auch um die Ankurbelung von Wirtschaft und Beschäftigung, es geht um die Pensionsanpassung und auch um die Abfangjäger". Diesen Vorschlag, der u.a. auch eine umfassende Steuerreform mit ersten Auswirkungen im Jahr 2003 beinhalte und zu dessen Finanzierung auch Rücklagen und Reserven der Nationalbank (ein Lieblingsobjekt der Begierde J. Haiders) ins Auge gefasst werden sollen, würde auch der Koalitionspartner ÖVP mittragen. Die Koalitionspartner sollten eine gemeinsame Kommission einsetzen, dann "… sollte es nicht schwer sein, innerhalb der FPÖ eine Lösung zu finden". Er – gab er sich plötzlich flexibel - bestehe auch nicht auf den Termin 2003 für die Steuerreform; wenn man sage, man könne eine große Reform erst 2004/2005 umsetzen, dann sei das ein Programm, mit dem man auch in die Wahl gehen könne. Er werde für Samstag den 7.9. alle Delegierten nach Knittelfeld einladen, um Sie dort von diesem neuen Plan und von der Hinfälligkeit eines Sonderparteitags für den Fall, dass auch die Parteispitze diesen Plan akzeptiert, zu überzeugen (derStandard-online 04.09.02, 05.09.02).

Die derart von ihrem Parteirivalen und angeblich auch von ihrem Koalitionspartner Hintergangene gab an, "überhaupt nichts" von einem Alternativ-Plan zur Steuerreform zu wissen. Auch sie plante ihren nächsten Zug in der innerparteiliche Auseinandersetzung: Am Wochenende sollte ein Treffen der blauen Regierungsmannschaft mit den neun Landesobleuten stattfinden. Riess-Passer wollte dort - neben der Absage des umstrittenen Sonderparteitages – weitere Bedingungen für den Weiterverbleib an der Parteispitze stellen: So sollte öffentliche Kritik an Partei oder Parteifreunden bei Sanktionen verboten werden. Weiters hat sie ein erneutes klares Bekenntnis zu Regierungsbeteiligung und Koalitionsvereinbarung einschließlich der EU-Osterweiterung gefordert - diese dürfe nicht durch ein Veto blockiert werden. Zusätzlich sollten die Landesparteien versprechen, allfälligen SPÖ-Anträgen für eine Steuerreform 2003 in den diversen Landtagen nicht zuzustimmen. Letzter Punkt des Riess-Forderungspakets war die eindeutige Abkehr von allen kommunizierten Abspaltungsplänen blauer Landesparteien - gemeint ist primär Kärnten (derStandard-0nline 05.09.02, News Networld 05.09.02).

In einer "Schlammschlacht hinter den Kulissen" wurden auf beiden Seiten Killergerüchte über die jeweilige Gegenseite lanciert: Haider habe seit seinem Rückzug als FPÖ-Parteiobmann als "einfaches Parteimitglied" insgesamt mehr als 20 Millionen Schilling (über 1,5 Millionen Euro) an Spesen kassiert, und Riess-Passer wolle sich ein Penthouse in Wien-Döbling um über 10 Mio Schilling (750.000.- Euro) kaufen … (New-Networld 06.09.02).

Nach versöhnlichen Kreidetönen und beschwichtigenden Scheinverhandlungen mit Riess-Passer im Vorfeld des Delegiertentreffens schaltete Haider dann in Knittelfeld wieder auf Konfrontation: in seinem Beisein wurde das mit der Vizekanzlerin ausgehandelte Papier von einem Funktionär coram publico zerrissen und dem Regierungsteam von der "Basis" ultimativ eine neue Agenda vorgegeben. Grundlage dafür war ein von Herbert Scheibner, Mitglied des Regierungsteams und Stellvertreter Riess-Passers, formulierter und von Haider als "zielführender" und "substanzieller" als das Verhandlungsergebnis mit der Vizekanzlerin bezeichneter "Kompromiss-Vorschlags" folgenden Inhalts (derStandard-online 07.09.02):
1. Eine Kommission soll die Möglichkeiten einer noch im Jahr 2003 in Kraft tretenden Steuerreform prüfen und bis Ende dieses Jahres berichten. Über die weitere Vorgangsweise hätte dann zu Beginn des nächsten Jahres ein Parteitag zu befinden.
2. Dem Abfangjägerkauf wird unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Zahlungen erst nach Wirksamwerden der Steuerreform begonnen werden.
3. Eine FPÖ-interne Kommission soll die Frage der Benes-Dekrete und Temelins und einer allfälligen Vetopolitik in dieser Frage behandeln.
4. Heider kehrt in den Koalitionsausschuss zurück.
5. Der Antrag auf den Sonderparteitag wird erst zurückgezogen, nachdem Riess-Passer und das Regierungsteam diesem Vorschlag zugestimmt haben. Die 400 Delegiertenstimmen dafür werden inzwischen von E. Stadler, Volksanwalt, berüchtigter Feuerredner und Redelsführer der Parteirebellion, als Faustpfand treuhändisch verwaltet.
Dieser "Kompromiss" steht in Widerspruch zu praktisch allen Forderungen, die Riess-Passer für die Fortsetzung ihrer Regierungstätigkeit gestellt hatte. Aufgestachelt vom informellen Leitwolf Jörg Haider und aufgehetzt von Ewald "Dobermann" Stadler und unter mit Mitwirkung von Herbert "Brutus" Scheibner hat die Delegiertenversammlung ihrer formellen Führung den Kampf angesagt und dieses unter ihr Kuratel gestellt.
Noch am Abend dann Kapitulation und die Rücktritte aus allen Regierungs- und Parteifunktionen von Riess-Passer, Grasser und Westenthaler, die sich freilich noch im Moment ihres Sturzes in ungebrochener ideologischer Verblendung zur "freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft" bekannt haben. In den folgenden Tagen folgten noch Rücktritte weiterer Spitzenpolitiker der FPÖ (Reichholds, Gorbach, Sichrovsky). Herbert Scheibner führt interimistisch die Parteigeschäfte, noch im September soll dann auf einem Parteitag die neue Führung gewählt werden (derStandard-online 08.09.02). Eine Parteivorstandssitzung am 11.9. hat Jörg Haider als Obmannkandidaten und Herbert Haupt als Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl nominiert. Haupt sollte also die nach Riess-Passers Sturz vakante Rolle des freiheitlichen Politkommissars in der Regierung antreten und –nach seinen eigenen Worten - "Übersetzter und Erklärer der Haiderschen Ideen" sein (derStandard-online 11.09.02).
Haider selbst hat im nachhinein versucht, den Schein aufrechtzuerhalten, dass die Versammlung in Knittelfeld eine Friedensversammlung zum Zweck des Erhalts der Einheit der Partei und der Rettung der Koalition gewesen, der Rücktritt der formellen Führungsspitze der FPÖ nicht als inhaltlich begründet, sondern als bloße Folge persönlicher Eitelkeiten anzusehen, und er selbst der eigentliche Verlierer sei, dem es nicht gelungen ist, im Streit zu vermitteln (derStandard-online 09.09.02).

Doch die – laut Meinungsumfragen auf einen Stimmenanteil von nur mehr 14 % halbierte – FPÖ kann nicht zur Ruhe: Die ganze Woche nach dem Rücktritt der Parteispitze gab es Nachbeben in der Partei: Selbstauflösung einzelner Ortsgruppen, Rücktritte von FunktionärInnen und MandatarInnen, Parteiaustritte, Rücktrittsforderungen an die Organisatoren der Rebellion Achaz und Stadler; ja es wurde sogar Kritik an der Vorgehensweise von Jörg Haider laut, selbst in der Kärntner FPÖ. Das wiederum wollte sich der Kandidat für das Amt des Parteiobmanns und selbsternannte Sisyphus nicht bieten lassen und zog zu allgemeinen Überraschung kurzerhand seine Kandidatur wieder zurück, nicht ohne neuerdings kryptische Anschuldigungen gegen das FP-Regierungsteam zu erheben und ihm indirekt Korruption und Verrat an die ÖVP zu unterstellen: "Die bisherigen Regierungsmitglieder und die sie umgebenden Lobbys und Interessensgruppen haben nun die Möglichkeit, ihre Linie in der Gesamt-FPÖ durchzusetzen und einen für die ÖVP maßgeschneiderten Koalitionspartner darzustellen" (derStandard-online 14.09.02). Er selbst erklärte am folgenden Tag seinen Rücktritt damit, dass er und seine Familie wegen seiner Ablehnung des Abfangjäger-Kaufs bedroht worden seien: "Ich muss der Gewalt weichen", so Haider in Anspielung auf die Formulierung, die Schussnigg 1938 zur Erklärung seines Rücktritts nach dem Anschluss Österreichs an NS-Deutschland gebraucht hatte, "Auch in Österreich wird unwahrscheinlicher Druck gemacht, um dieses Geschäft zu machen". Auch der Mord an Pim Fortuyn, dem niederländischen Populisten, sei ja erfolgt, nachdem er sich gegen ein Waffengeschäft ausgesprochen hätte (derStandard-online 16.09.02). Diese Erklärung stieß freilich seitens der Behörden auf Verwunderung, denn einerseits hat Haider selbst keine Anzeige erstattet, andererseits passten seine Angaben nicht mit seinem Verhalten zusammen: Haider hat ja gesagt, er sei am Freitagabend wegen seiner Haltung in der Abfangjäger-Beschaffung in einem Lokal bedroht worden. Doch noch am Samstag machte Haider aber in einer Aussendung deutlich, dass gewisse Umstände hinter dem Abfangjäger-Deal aufklärungsbedürftig seien, um dann am Montag zu behaupten, die Drohung vom Freitag sei der Grund für seine Kapitulation gewesen (ORF-online 17.09.02).
Ob nun aus narzistischer Kränkung oder Terrorangst, aus Spekulation auf einen Märtyrer-Effekt für sich oder um seinen Vorwurf des Lobbyismus an die Regierungsfraktion Nachdruck zu verleihen, auch "Er" war nun doch wieder weg, und die nunmehr ihrerseits führerlosen Rebellen und ihre Partei vollends orientierungslos.

Tatsächlich forderte Böhmdorfer Tags darauf in der ORF-Pressestunde die rücktrittsbereiten FP-Regierungsmitglieder und insbesondere Riess-Passer auf, ihre Ämter und Funktionen in Partei und Regierung wieder aufzunehmen. Riess-Passer hat allerdings umgehend abgewunken (derStandard-onlined 15.09.02), und nachdem am 17.9 auch noch der oberösterreichische Landesparteivorsitzende Achatz zurückgetreten war, um "die Partei vor einer Zerreißprobe zu bewahren" und "der Rückkehr Riess-Passers nicht im Wege zu stehen", wurde dann, ganz im Sinne des Vermächtnisses Haiders, mit Verkehrsminister Helmut Reichhold doch wiederum ein Mitglied der Regierungsfraktion vom Parteipräsidium zum Obmannkandidaten gekürt – und damit fraktionspolitisch der status quo ante, vor dem Machtkampf, wieder hergestellt (derStandard-online 17.09.02). Reichhold, der vor Annahme der Kür sowohl mit Riess-Passer als auch mit der Kärntner Landespartei und Haider Rücksprache gehalten hatte, setzt künftig auf Geschlossenheit in der Partei, wird sich ein Vetorecht vorbehalten und kündigt "weitere Konsequenzen" an. So ist er strikt dagegen, dass der niederösterreichische Funktionär Ewald Stadler für den Nationalrat kandidiert (was dieser nach eigenen Angaben allerdings auch nicht vor hatte; an seiner Stelle wird nun Barbara Rosenkranz, verheiratet mit einem Rechtsextremen, Gastgeberin Stadlers zu Sonnwend 2002 und Mutter von 10 Kindern, als Zweite der niederösterreichischen FP-Liste in den Nationalrat einziehen!). Weitere "starke" Ansagen des Obmannkandidaten: ohne "überzeugendes Votum" (80%) am Parteitag am 21.9. würde er die Wahl nicht annehmen, und die Forderungen der "Parteirebellen" würden nicht umgesetzt (derStandard-online 18.09.02). Vor den Delegierten am Parteitag gab sich Reichhold dann schon wieder demütiger, stellte fest: "Es gibt bei uns keine Putschisten" und empfahl sich dann mit den Worten zur Wahl: "Ich stehe hier, weil Jörg Haider entschieden hat, nicht zum Parteiobmann zu kandidieren … Dieser Mann hat mich ausgewählt". Prompt wurde er mit über 92,2 % zum Obmann und Haupt (96,1%), Bleckmann (83,1%), Prinzhorn (72,1%) und Walch (70,3%) zu seinen Stellvertretern gewählt. Nachfolger Westenthalers als Klubobmann wurde übrigens Karl Schweitzer (derStandard-online 21.09.02).

Damit scheinen die Weichen für ein Come-Back der Regierungsfraktion in der FPÖ gestellt. Deren Erfolgsaussichten auf dem Wählermarkt erscheinen allerdings begrenzt: Traditionelle WählerInnen der FPÖ hat sie ja durch von ihr mitbeschlossenen unpopuläre Maßnahmen (Sparpolitik, verschobene Steuerreform, Zustimmung zum Abfangjägerkauf) "verraten", neuen WählerInnenschichten hat sie mangels einer echten persönlichen und programmatischen Emanzipation von Haider wenig zu bieten: Ihre bisherige Sprecherin Riess-Passer hat jedenfalls bisher nahezu alle rechtsextreme Initiativen und Eskapaden des "einfachen Parteimitglieds" – von der Fremden- und Asylpolitik bis zu den Angriffen auf den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs – gedeckt und sich bis zuletzt vorgenommen, das zu bleiben, was sie seit März 2000 war: Statthalterin und willige Vollstreckerin Jörg Haiders, und noch nach ihrem Sturz hat sie ihre "freiheitliche Gesinnung" betont. Bei ihrem Nachfolger Reichhold scheint es sich nicht anders zu verhalten. Überdies schwebt bis auf weiteres ständig das Damoklesschwert einer Intervention Haiders sowie die Gefahr, dass dieser in der Waffenaffaire doch noch "auspackt", über der Partei. Nach einem solchen Wechsel an der Spitze wäre die FPÖ daher vermutlich so geschwächt, dass eine schwarz-blaue Mehrheit nicht nochmals zustande käme. Nur eine wirklich veränderte, programmatisch und personell "normalisierte" , liberalisierte Partei hätte neue Chancen am Wählermarkt und käme auch für andere Parteien des "Verfassungsbogens" prinzipiell als Koalitionspartner in Frage. Eine "Wendekoalition" mit der ÖVP hätte aber wohl auch in diesem Falle keine Mehrheit mehr.

So endete der Machtkampf in der FPÖ also vorerst mit einem Unentschieden. Im Richtungsstreit zwischen den neoliberalen, den rechtspopulistischen und den "(rechts-) radikalen Elementen" mit "(rechts-) extremistischer Ausdrucksweise" (EU-Weisenbericht) haben damit die letzteren die Oberhand behalten – die Knittelfelder Delegierten-Beschlüsse sind ja nicht vom Tisch. Im Kampf um die Führung hat sich die Regierungsfraktion behauptet: Sie hat die Spitze gehalten, ein Redelsführer der Rebellion wurde bestraft (Achatz musste gehen), sie ist jedoch durch den Lobbyismus-Vorwurf Haiders als korrupt und/oder erpressbar gezeichnet, hat obendrein ihre wichtigsten SpitzenexponentInnen verloren und wird nun von Personen repräsentiert, die der Landesorganisation von Haiders Provinzkaiserreich Kärnten (Reichhold, Haupt) angehören und/oder als vertraute Haiders gelten und am "Rebellenaufstand" beteiligt waren (Bleckmann, Prinzhorn). Ungeachtet seines neuerlichen Rückzugs hat Haider einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, dass er unabhängig von allen statutarischen Regelungen und von allen formellen Führungsstrukturen in der Partei nach wie vor de facto die Führungsposition und die maßgebliche "Richtlinienkompetenz" (A. Mölzer) in der FPÖ besitzt, und die FPÖ hat nicht nur wieder inhaltlich ihre wahre "Natur" zur Schau gestellt, sondern auch zu erkennen gegeben, dass sie allen formal-demokratischen innerparteilichen Mechanismen zum Trotz de facto eine autoritäre Führerpartei ist, mit der "kein Staat zu machen" (E. Busek) ist. Es ist wieder ganz offenkundig geworden, wo sie sich nach wie vor befindet: außerhalb des Verfassungsbogens.

Am 9.9.02, dem Tag nach dem Rücktritt des Kerns des freiheitlichen Regierungsteams, folgte die Rückwirkung auf die Wendekoalition. Kanzler Schüssel und die ÖVP zogen aus der unhaltbaren Situation des Abgangs der loyalsten freiheitlichen Regierungsmitglieder und der Infragestellung der Regierungsbeschlüsse zur Steuerreform und der drohenden Blockade der Osterweiterung als des "Herzstücks" der Koalitionsvereinbarung die Konsequenzen: Mangels "Vorhersehbarkeit und Durchsetzbarkeit von Entscheidungen in der FPÖ" bleibe nur die Auflösung der Koalition, die Auflösung des Nationalrats am 20. September und Neuwahlen zum ehest möglichen Zeitpunkt, also am 24. November oder am 1. Dezember (derStandard-online 09.09.02). Ein Versuch des freiheitlichen Obmann-Kandidaten Reichhold, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dazu zu bewegen, die vorgezogenen Neuwahlen wieder abzublasen, bleib ergebnislos (derStandard-online 18.09.02). Das blau-schwarze Wendeprojekt war damit gescheitert - nicht am Widerstand Europas, nicht an den 130 wöchentlichen "Donnerstagsdemonstrationen" und auch nicht an der Opposition, sondern an seinen eigenen inneren Widersprüchen – an der Arroganz der Macht und der Korruption der angeblichen "Antiprivilegienpartei", an der Belastungspolitik der angeblichen "Partei der kleinen Leute", an den unvereinbaren Standpunkten der Koalitionspartner zur Frage der europäischen Integration – und an den Reflexen dieser Widersprüche innerhalb der FPÖ in Gestalt des von Haider in Regie genommenen Aufstands der Parteibasis gegen das Regierungsteam.

Im Hinblick auf die Zukunft bemerkenswert ist freilich die nachträgliche Interpretation der Ereignisse sowie die Zukunftsperspektiven der Hauptakteure: Westenthaler und Riess-Passer etwa, eigenen Aussagen zufolge nach wie vor vom Herzen Freiheitliche, sind offenbar weit entfernt von der Einsicht, dass das, was Ihnen widerfahren ist, innere Konsequenz des Rechtsextremismus der "Gesinnungsgemeinschaft" ist, zu der sie sich nach wie vor bekennen. Die Unterwerfung Riess-Passers geht sogar so weit, dass sie bereit ist, in Tirol als Wahlhelferin aufzutreten. Ebensowenig scheint Kanzler Schüssel die reale Situation zur Kenntnis nehmen zu wollen: Er weigert sich, das Scheitern der Projekte "Zähmung der FPÖ" einzugestehen. Er bildet sich ein, dass für das Ende der Koalition nicht letztlich die Europaunfähigkeit seines Partners, sondern lediglich formale Gründe – dessen mangelnde Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit – verantwortlich sind. Er blendet in seiner Erfolgsbilanz der Koalition die - wesentlich auf freiheitliches Betreiben zurückgehende - nachhaltige Beeinträchtigung der politischen Kultur (Verfall des Respekts und der Toleranz für den Anderen und das Fremde, neue Salonfähigkeit des Geschichtsrevisionismus), der Menschenrechte (restriktive Fremdengesetze, Einschränkung des Asylrechts, Verweigerung von Minderheitenrechten, Ausbau des Überwachungsstaats), des Rechtsstaats (Attacken auf den Verfassungsgerichtshof, Schwächung der richterlichen Gewalt im Strafprozess) sowie der gesellschaftlichen Selbstverwaltung (Übergriffe auf Arbeitnehmervertretungen und Sozialpartnerschaft, Abschaffung der kollegialen Selbstverwaltung der Universitäten) und der Demokratie (Eingriffe in das Demonstrationsrecht) völlig aus. Ja Schüssel kann sich sogar eine Neuauflage der Wendekoalition mit den "Reformkräften" und "Patrioten, denen man vertrauen kann" in der FPÖ vorstellen (derStandard-online 09.09.02).
Schüssel ist also mangels Tateinsicht ein potentieller Wiederholungstäter, so zu sagen ein zweiter Sisyphus, gefangen im Wiederholungszwang, das Unmögliche zu versuchen und daran zu scheitern. Er wird – mit tätiger Unterstützung des bereits gewendeten ORF – alles unternehmen, um seine selektive Interpretation der Lage in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Obwohl mächtige Landeshauptleute der FPÖ (Pröll, Pühringer) erklärt haben, sich auf eine FPÖ unter Jörg Haider nicht mehr einzulassen (derStandard-online 13.09.02), ist die Gefahr einer Wiederaufnahme des blau-schwarzen Wendeprojekts trotz seines Scheiterns also nach wie vor keineswegs gebannt!

8. Abschließender Befund und Ausblick

Die Analyse von Rhetorik und Kommunikationskultur, Parteiprogramm, Interaktionsformen und Führungsstil, Mitgliederstruktur und Außenbeziehungen der FPÖ sowie von Regierungsprogramm und –praxis von FPÖ und blau-schwarzer Wenderegierung haben ergeben, dass
- die FPÖ eine ihrer äußeren Erscheinungsform und in ihrem Stil nach scheinbar postmodern-beliebig-populistische, nach ihren ideologischen Grundlagen und ihrer gesellschaftspolitischen Stoßrichtung sowie ihrem Verhaltensstil jedoch nach wie vor ihrer Regierungsbeteiligung eine tendenziell rechtsextreme Partei ist;
- sich auch in Regierungsprogramm und –praxis der blau-schwarzen Koalition Momente des Ethno-Nationalismus und Rassismus, der Geringschätzung von gesellschaftlicher und staatlicher Gewaltenteilung, des staatlichen Übergriffs auf die Persönlichkeitssphäre, des Volksgemeinschaftsdenkens, von verschwörungstheoretischen Feindbildern und Sündenbockprojektion sowie des Revisionismus, also rechtsextreme Elemente (im Sinne der Definition von Holzer 1994) finden, die längerfristig zu einer schleichenden Aushöhlung von Menschenrechten und liberaler Demokratie in Österreich führen könnten;
- die Gefahr besteht, dass eine zunehmend als "normal" akzeptierte Regierungsbeteiligung der FPÖ auch auf europäischer Ebene problematische Wirkung entfaltet: Die Aufhebung der "Sanktionen" wurde von der Regierung und der FPÖ in höchst selektiver Wahrnehmung und aktiver Uminterpretation als Persilschein ausgelegt, der es ihnen nun ermöglicht, mit dem Siegel der "demokratischen Unbedenklichkeit" nicht nur Österreich im Geiste der "Dritten Republik" zu verändern, sondern auch die Entwicklung eines stärker integrierten europäischen Bundesstaates von innen zu verhindern. Zudem ist nun der "cordon sanitaire" gegen rechtsextreme Parteien auch in anderen Ländern Europas nicht mehr so ohne weiteres aufrecht zu erhalten. Tatsächlich scheint bereits eine rechtsextreme und rechtspopulistische Welle über Europa zu rollen: Sieg von Forza Italia, Alleanza Nationale und Lega Nord bei den Parlamentswahlen in Italien, Lokale Wahlerfolge des Vlaams Block in Belgien, Sieg der Konservativen und Rechtsextremen bzw. -populisten bei den Parlamentwahlen in Dänemark und Holland (Pim Fortuyn – ermordet vor den Parlamentswahlen im Mai 2002), Lokale Erfolge von Rechtspopulisten in Deutschland (Schill), Einzug Le Pens in die Stichwahl zur französischen Präsidentschaft – Europa scheint nationalistisch zu entgleisen.
Die unmittelbare Folgen dieser Entwicklung: zwischen der sozialdemokratischen Regierung Schwedens und der rechts-konservativen Regierung Dänemarks ist ein Streit um die Ausländerpolitik geplant. Die dänische Rechtspopulistin Kjärsgaard droht im haideristischen Stile damit, "… die Öresund-Brücke hochzuklappen, wenn die Schweden ihre Städte zu Schmelztiegeln mit Clankriegen, Fememorden und Massenvergewaltigungen in Beirut machen wollen", und die "Festung Europa" ist im Begriff, noch dichter zu machen: Beim EU-Gipfel Ende Juni 2002 in Sevilla wurde auf Betreiben des spanischen Konservativen Aznar und des britischen Neu-Sozialdemokraten Blair ein Paket gegen illegale Einwanderung geschnürt, dass von einer Vereinheitlichung der Asylpolitik über den Aufbau einer Datenbank mit den Fingerabdrücken aller AsylwerberInnen ("Eurodac"), ein schärferes Vorgehen gegen "mafiose Schlepperbanden", die Kooperation und Vernetzung der nationalen Grenzschutzkräfte bis zur Androhung von Maßnahmen gegen Herkunfts- und Transitländer, die bei der Verhinderung und Rückführung illegaler GrenzgängerInnen "kooperationsunwillig" sind, reicht (derStandard-online 19.06.02, 22.6.02).

Soweit der unerfreuliche Befund. Die ProtagonistInnen der Wende sind offenbar entschlossen, ihr Projekt trotz des Scheiterns und ungeachtet der in diesem Beitrag dokumentierten problematischen politischen und gesellschaftlichen Folgen des ersten Anlaufs fortzusetzen. Spätestens seit den Wiener Wahlen im März 2001 kann man freilich hoffen, dass fremdenfeindliche Hetze von den WählerInnen nicht mehr honoriert wird. Die Fähigkeit des demokratischen Systems zur Selbstkontrolle scheint also nach wie vor intakt. Nach dem (vorläufigen?) Scheitern der Wende in Österreich im September 2002 scheinen der Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa zudem auch international in eine Krise zu geraten: die Liste Pim Fortuyn in Holland ebenso wie Alleanza Nazionale und Lega Nord in Italien, die Partido Popular in Portugal oder die rechtsextreme Partei Megrets in Frankreich (derStandard-online 03.10.02), und auch die holländische Mitte-Rechts-Regierung. ist nach nur drei Monaten zusammengebrochen (derStandard-online 16.10.02).


Wahlkampf im Herbst 2002 und Koalitionsverhandlungen im Winter 2002/03


a) Die Vorbereitung auf den "Zahltag" – Der Wahlkampf von 9. September bis 24. November 2003

Die Ausgangslage der Wahlauseinandersetzung

Partei * ÖVP FPÖ SPÖ Grüne
Ergebnis der
NRW 1999
27 27 33 7
Wahlziel SPÖ überholen (30 % +), Wende mit Reformkräften der FP fortsetzen 15 % + , Behaup-tung als Faktor der Regierungs-bildung 40 %, schwarz-blau verhindern 15 % - FPÖ einholen, schwarz-blau verhindern
SpitzenkandidatIn Schüssel

Reichhold;
ab 31.10.: Haupt

Gusenbauer Van der Bellen
Themen Fortsetzung des Wendeprojekts mit Kanzler Schüssel: EU-Erweiterung, Finanzpolitik ohne Schulden, effiziente Sicherheit, behutsame Integration

Sozialpolitik („1000 Euro Mindestlohn“), Steuerreform,

keine Osterweiterung mit Benes-Dekreten und Temelin,
Zuwanderung

Faire Chancen für alle: Arbeit und Wirtschaft, Gesundheit und Pensionen, Bildung; keine Abgangjäger Osterweiterung, Arbeit und Soziales, Frauenpolitik, Umwelt, geistige Öffnung
Koalitionspräferenz Schwarz-blau Schwarz-blau

Rot-grün
(Rot-schwarz )

Rot-grün

* neben den in dieser Übersicht berücksichtigten im Parlament vertretenen Parteien werden noch folgende bundesweit antreten: Liberales Forum (Neugegründete liberale Nachfolgepartei des 1999 aus dem Nationalrat ausgeschiedenen LIF) und die KPÖ. Die Demokraten (Neugegründete liberal-populistische Partei des Initiators des Volksbegehrens gegen Abfangjäger vom August 2002) werden nur in Wien und Vorarlberg antreten
Quelle: derStandard-online

In diesem Abschnitt wird der Wahlkampf nach dem (vorläufigen?) Ende des Wendeprojekts dokumentiert, mit dem Schwerpunkt auf der Frage, ob und wie das rechtsextreme Element der FPÖ, das ja mit der Rebellion von Knittelfeld ein kräftiges Lebenszeichen gegeben hat, hier in Erscheinung tritt. Die Berichterstattung stützt sich hier im wesentlichen auf Berichte in APA OTS, derStandard-online und news-networld; nicht Gegenstand dieser Beobachtung sind Printmedien, Rundfunkberichte, private Fernsehberichterstattung und Wahlkampfveranstaltungen der Parteien (sofern sich diese nicht in den oben genannten berücksichtigten Quellen widerspiegeln), schon aus diesem Grund ist dieses Tagebuch selektiv. Zudem spiegelt sich in der Auswahl der Ereignisse sowie in der - zur Steigerung des Unterhaltungswerts gewählten – teils sarkastisch-polemischen Ausdrucksweise die Subjektität des Verfassers. Dieser Teil hat also einen eher impressionistischen als streng wissenschaftlich-objektiven Charakter

Die Ausgangslage - Stimmenstärken, SpitzenkandidatInnen, Wahlziele, Schwerpunktthemen und Koalitionspräferenzen der wahlwerbenden Gruppen – ist obiger Übersicht zu entnehmen:

Nachstehend der Versuch, Verlauf und Ausgang der Wahlauseinandersetzung abzuschätzen:
Koalitionsparteien: Hier ist zu erwarten, dass der Höhenflug der ÖVP gestoppt und auch das Regierungslager insgesamt nicht weiter zulegen wird. Die bürgerlich konservativen Teile der FPÖ sind bereits im Lauf des September zur ÖVP abgewandert, sie wird daher von der FPÖ nicht weiter gewinnen. Die FPÖ ihrerseits steht vor der Alternative, Regierungsfähigkeit zu demonstrieren und auf niedrigem Niveau zu stagnieren, oder durch rechts-populistische Mobilisierung Stimmen zu gewinnen, damit aber in Kauf zu nehmen, als nicht regierungsfähig zu erscheinen. Diesem strategischen Dilemma korrespondiert der unaufgelöste Konflikt zwischen Rebellen- und Regierungsfraktion. Im Spannungsfeld dieses Konflikts wird es ihr kaum gelingen, innere Konsolidierung und Berechenbarkeit auszustrahlen. Damit wird aber auch Schüssels Strategie für die ÖVP durchkreuzt, die ja auf die Fortsetzung der blau-schwarzen Koalition mit einer "seriösen" FPÖ setzt: je heftiger die Turbulenzen in der FPÖ und je mehr die Knittelfelder Rebellen die Oberhand gewinnen, desto mehr läuft sie Gefahr, "liberale" WählerInnen an die ÖVP zu verlieren. Davon kann die ÖVP profitieren, sie läuft aber zugleich – solange sie auf schwarz-blau fixiert ist - Gefahr, bürgerliche und christlich soziale WählerInnen wieder zu verlieren.

Auf der Seite der Oppositionsparteien hängt bei der SPÖ alles davon ab, ob es der Partei und Gusenbauer gelingt, die Arenen des Wahlkampfs dazu zu nutzen, um sich von den von den Regierungsparteien und den Medien verbreiteten negativen Images - "Fundamentalopposition" bzw. "Vernaderer", "Kühlschrank" und "Apparatschik" - zu befreien, sich als personell und politisch geläuterte und erneuerte, konstruktive und vertrauenswürdige Alternative zu profilieren – und damit die laut Umfragen günstige Ausgangsposition zumindest zu halten. Die Grünen gehen bereits mit einem relativ populären Spitzenkandidaten und relativ hoher Zustimmung in den Wahlkampf und haben gute Chancen, diese Position zu verteidigen. Unterm Strich: es besteht die realistische Chance, dass die Wahlen das endgültige "Ende der Wende" bedeuten!

Die Heftigkeit der politischen Polarisierung und Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition in den letzten Jahren sowie die den Neuwahlen vorangegangenen Konflikte zwischen den Koalitionsparteien lassen einen besonders harten Wahlkampf erwarten. Zudem lässt die Tatsache, das die "Ostererweiterung" im Allgemeinen und die "Benes-Dekrete" im Besonderen - Themen, die ja im deutsch-völkisch-nationalen Milieu eine rassistische und revisionistische Ladung besitzen - ein zentrales Wahlkampfthema darstellen, eine Eskalation des Wahlkampfs insbesondere von Seiten des deutschnationalen Flügels der FPÖ befürchten. Diese Partei ist zwar angesichts ihrer existenzbedrohlichen Krise im Augenblick hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt, gerade diese innere Krise könnte sie freilich zur Flucht nach vorne in eine besonders aggressive Wahlkampfführung treiben. Der Bundespräsident hat jedenfalls bereits vorsorglich davor gewarnt, wichtige Sachthemen und v.a. die EU-Erweiterung für Wahlkampfzwecke zu "missbrauchen". Österreich brauche, so Klestil im Rückgriff auf die Formulierung, die er bereits im Jahre 2000 gebraucht hatte, um vor der Bildung einer schwarz-blauen Koalition zu warnen, "… so rasch wie möglich eine handlungsfähige, berechenbare und stabile Regierung. Eine Regierung, die Ansehen im Inland und Ausland genießt und die die großen Probleme seriös und glaubhaft zu lösen imstande ist, die wir in Österreich und Europa zu bewältigen haben". Und er fügte, wohl vornehmlich an die Adressen Haiders und Schüssels gewendet, hinzu: "Politische Taktik ist gut und schön und wahrscheinlich auch notwendig, aber sie ist kein Ersatz für Anständigkeit, Geradlinigkeit, Berechenbarkeit und menschliche Würde" (derStandard-online 16.09.02).

Nun aber zum eigentlichen Wahlkampfverlauf: Bereits die parlamentarischen Bilanzen der Parteien über die vergangene Regierungspriode ließen die Marschrichtungen der Parteien im bevorstehenden Wahlkampf erkennen: Schüssel lobte alle einzelnen Regierungsmitglieder, die Festigkeit der Wendekoalition gegenüber den "gegen Österreich gerichteten EU-Sanktionen" und die Kernprojekte der Wende (v.a. Budgetsanierung, Familienpolitik, Abfertigung neu, Universitätsreform und Forschungspolitik), außenpolitische Initiativen wie die für einheitliche europäische AKW-Sicherheitsstandards sowie Hochwasserhilfe und Konjunkturpaket. Gusenbauer verwies auf Eckdaten aus Wirtschaft, Beschäftigung und Budget, die sich seit Antritt der FPÖVP-Koalition verschlechtert hätten und prangerte v.a. die die wachsende soziale Ungleichheit, die Belastungspolitik der Regierung an. Reichhold versuchte seine Partei als nach wie vor regierungsfähige Reformkraft darzustellen. Bereits zuvor hatte er sich in einer Pressekonferenz - sichtlich bemüht, Stabilisierung und staatstragende Verantwortung auszustrahlen und so den weiteren Exodus der WählerInnen zur ÖVP zu verhindern - zur Verschiebung der Steuerreform zu Gunsten der Hochwasserhilfe, zur Beschaffung von Abfangjägern und zur Osterweiterung "unter bestimmten Bedingungen" , aber auch zur Weiterverfolgung des Ausländerthemas bekannt. Van der Bellen kritisierte die zögerliche Europapolitik, die restriktive Fremdenpolitik, die Regierungsaktionen zur politischen Umfärbung der Republik und die Duldung der Attacken Haiders auf den OGH und der Stadlerschen Gleichsetzung der alliierten Besatzung mit der NS-Herrschaft durch die ÖVP (derStandard-online 18.09.02, 19.09.02). Also keine Einsicht in die rechtsextremen Elemente der Regierungspolitik und alle Anzeichen für eine ungebrochene Fortsetzung des Wendeprojekts auf der einen Seite, und deutliche Kritik daran und klare Hinweise auf die Absicht, neue Akzente in den Bereichen soziale Gleichheit, Menschenrechte und Geschichtsbewusstsein zu setzen, auf der anderen Seite!
Ebenfalls bereits zum Vorwahlkampf zu zählen (vgl. derStandard-online 19.09.02, 20.12.02):
- die Anträge von SPÖ und Grünen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Abfangjägerkauf und dessen Ablehnung mit der Mehrheit der FPÖVP. "Korruption" und "Verschwendung" die Signale der einen Seite und "über jeden Verdacht erhaben" und "Staatssicherheit" der anderen;
- die Verabschiedung des Konjunkturbelebungspaket: "professionelles und großzügiges Krisenmanagement" aus der Sicht der Regierung, "zu wenig" und "zu spät" und obendrein ein "Mogelpaket" mit "Geschenken für das Klientel von FPÖVP" (Unternehmer und rechte Recken), aus der Sicht der Opposition;
- der Beschluss der vorzeitigen Auflösung des Nationalrats als Voraussetzung für die Neuwahlen: Die Debatte darüber erlaubte den Parteien – neben bekannten sachlichen Positionierungen – den Auftakt zur persönlichen und politische Polemik:
Gusenbauer: "Machtpfründe" im Mittelpunkt, das Land steht schlechter da, "soziale Kälte" wird von Schüssel in "machtpolitischer Arroganz" verleugnet;
Schweitzer: Gusenbauer ist ein Vernaderer, Kühlschrank, Konzeptlos, und die Grünen wollen Österreich zur Spielwiese von Drogensüchtigen und illegalen Ausländern machen
Khol über Gusenbauer: Miesmacher mit Realitätsverlust und ohne Zukunftsperspektiven; über van der Bellen: steht für Drogen, Abschaffung von Witwenpensionen und Innenminister Pilz;
Glawischnig: Wende rückwärts zu autoritärem Staat, Nulldefizitfetischismus, Entsolidarisierung, in der Minderheiten-, Fremden- und Frauenpolitik hat unter den Augen des Schweigekanzlers stattgefunden.

Fortsetzung: TEIL 4

hagalil.com 17-11-03

 


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