Bernhard Schmid, derzeit Nizza
Es ging zu "in aller Freundschaft, in Eintracht, gegenseitiger
Zuneigung und mit Liebe zum Chef". Vor allem wohl mit Liebe zum Chef,
denn in beim Front National zählt letztendlich - na ja, hauptsächlich
der Chef. Und weiter im Text: "Das (Eintracht) bedeutet, es gab keinen
Konflikt, keine Toten, keine Verletzten, und niemand ist in's Loch
gefallen. Es wird einige Angeschmierte geben, aber das gehört nun mal
dazu." Solcherart äußerte sich Jean-Marie Le Pen in der Nacht vom
Sonntag zu Montag, gegen 1 Uhr in der Frühe, am Rande des FN-Parteitages
gegenüber den in Nizza anwesenden Pressekorrespondenten. Man sieht, der
innerparteiliche Ton ist freundlich und die Atmosphäre entspannt.
Am verlängerten Osterwochenende, vom 19. bis 21. April 03, fand in
Nizza der zwölfte Parteitag in der Geschichte des FN statt. Orts- und
Datumswahl waren alles andere als ein Zufall. Denn der Ostermontag war
zugleich der erste Jahrestag des (wohl selbst für den Betreffenden)
überraschenden Wahltriumphs von Parteichef Le Pen im ersten Durchgang
der französischen Präsidentschaftswahl, am 21. April 2002. Damals war Le
Pen mit rund 17 Stimmen in die Stichwahl gegen den bürgerlichen
Staatspräsidenten Jacques Chirac eingzogen.
Zugleich bildete das Département Alpes-Maritimes - der Bezirk, dessen
Hauptstadt Nizza ist - jenen französischen Bezirk, in dem Le Pen damals
am höchsten abschnitt. Nizza bleibt nach wie vor eine streng rechte
Hochburg. Die beiden Demonstrationen (mit regionaler Mobilisierung), die
am Samstag sowie am Montag - jeweils mit sozialdemokratischer
Parteiprominenz - stattfanden, vereinigten nur jeweils 1.000 bzw. beim
zweiten Mal 600 Personen. Nicht zuletzt bleibt Nizza, die sechstgrößte
Stadt Frankreichs, von einem Bürgermeister regiert, der bis 1994 selbst
Jahrzehnte lang dem FN angehört hatte. Seit 1996 ist Jacques Peyrat, der
ehemalige Algerienkrieger und Kompagnon des Unteroffiziers Le Pen, jetzt
Mitglied der konservativen Rechten - erst des gaullistischen RPR, dann
der neuen bürgerlichen Einheitspartei UMP. Die Demonstrierenden vom
Ostersamstag riefen entsprechend: "Le Pen, hau ab - aber nimm Peyrat
mit!"
Doch das Klima in Nizza, mit seinem hohen Anteil an ehemaligen
französischen Algeriensiedlern, bleibt günstig für die extreme Rechte.
Im März 2004 tritt Le Pen hier bei den Regionalparlamentswahlen an, um
Präsident der Region PACA (Provence - Alpes - Côte d'Azur - zu werden.
Und manche Beobachter rechnen ihm dabei sogar Chancen aus, so der
gaullistische Altpolitiker Philippe Séguin (laut einem Interview in ŒLe
Parisien' vom 20. April).
Laut FN-Angaben hat die Partei, seit dem "politischen Erdbeben" vom
April 2002, angeblich in der Region einen Mitgliederzuwachs von 30 bis
50 Prozent erlebt, gegenüber landesweit behaupteten 20 Prozent.
Allerdings bleiben die Zahlen, die der FN selbst angibt, kaum
überprüfbar. (Zum Vergleich: In den späten 90er Jahren hatte der FN
seine Mitgliederzahlen mal mit 70.000, mal - in Feierstunden - auch mit
100.000 angegeben. Real waren es 42.000 Beitrag zahlende Mitglieder, wie
sich anlässlich der Parteispaltung im Dezember 1998 herausstellte, als
die "Dissidenten" die Mitgliederkartei offen legten. Danach fand
aufgrund besagter Spaltung ein gewisser Aderlass statt. Heute gibt der
FN auf seiner Homepage im Internet die Anzahl seiner Mitglieder wieder
mit 60.000 an ; an anderer Stelle hieß es, er habe seit dem berüchtigten
21. April insgesamt 12.000 Neuzugänge verzeichnet. Das bleibt freilich
schwer überprüfbar.)
Zugleich ergab eine Umfrage des Ipsos-Instituts von Mitte April 2003,
dass 69 Prozent der Befragten es für "gut möglich" halten, dass ein
FN-Kandidat erneut in die Stichwahl einer Präsidentschafts-Entscheidung
kommen könne. (Angaben aus der Sonntagszeitung JDD vom 20.04.)
Neue innerparteiliche Spannungen ?
Wenig beruhigend für seine derzeitigen innerparteilichen Widersacher
konnte es klingen, wenn Le Pen den oben zitierten Ausführungen voraus
schickte: "Es ist erstaunlich, jene, die am Morgen ihre Ostern feierten,
am Nachmittag ihre Dolche herausholen zu sehen." (Der Spruch basiert
auch auf der klanglichen Nähe, im Französischen, zwischen Pâques
- für Ostern - und dagues, für Dolche.) Das wurde von vielen
Journalisten als Anspielung auf den Flügel der katholischen
Fundamentalisten beim FN aufgefasst. Und, vor allem: "Das erinnert mich
an die Spaltung von 1998" (bei der Le Pen und Mégret sich als Rivalen
gegenüber standen) "und dieses Mal weiß ich, was zu tun ist!"
Seine momentanen innerparteilichen Widersacher, das sind andere als
jene von 1998. Damals war der größere Teil der jüngeren - das heißt, in
den Mittvierzigern befindlichen - und gut ausbildeten Kader der Partei,
die sich gegen den Chef aufgelehnt hatten, Bruno Mégret nach seinem
Hinauswurf aus dem FN gefolgt. Sie hatten damals die Entwicklung einer
längerfristig angelegten Strategie der Machtbeteiligung, und - dem
entsprechend - einer halbwegs realitätstauglichen Bündnispolitik
gegenüber der konservativen Rechten eingefordert. Beim alternden Chef
vermissten sie dies, da Le Pen sich hauptsächlich für seine eigene Macht
innerhalb der Partei interessiere und kein zukunftsträchtiges Projekt zu
entwickeln suche. Umgekehrt klagte Le Pen, aber auch die "alte Garde"
der Partei sie an, den Verrat an der "Bewegung" vorzubereiten und aus
dieser einen Bettvorleger für die Bürgerlichen machen zu wollen.
Ähnlich, wie Jörg Haider dies betrieben habe, der in den Augen des
hartes Kerns der französischen Rechten seit längerem als Verräter
durchgeht - vor allem, weil der in der Vergangenheit den Vorwurf des
Rassismus und Antisemitismus dadurch zurückwies, dass er ihn an Le Pen
weiter verwies.
Das Unternehmen der jungen Herausforderer ist seither gescheitert: Der
Versuch der innerparteilichen Machtübernahme misslang, und die daraus
erwachsende Abspaltung - die jetzige Partei Bruno Mégrets, der MNR
(Mouvement national républicain) - blieb erfolglos. Unter anderem
deswegen, weil der Widerspruch zwischen dem Versuch, smarte
Bündnispolitik gegenüber den Konservativen zu betreiben, und dem eigenen
ideologischen Profil des MNR zu stark ausfiel. Dieser hatte einen
Großteil der härtestesten Elemente der extremen Rechten mitgenomen:
biologistische "Rassialisten", antisemitisch motivierte Antichristen -
die, aufgrund der Rassenlehre, das Christentum als "Ausgeburt jüdischen
Denkens" ablehnen und stattdessen den Rückgriff auf neuheidnische
Rituale wie seinerzeit bei der SS predigen -, offene Neonazis. Der
Spagat war einfach zu groß. Ein anderer Grund des Scheiterns war
natürlich, dass die Wählerschaft der extremen Rechten stärker auf die
Person von Jean-Marie Le Pen fixiert war, als auf jene Kader, die zwar
das FN-Programm sorgfältig ausgearbeitet hatten, aber als Personen
weithin unbekannt blieben. Letztere bildeten das Gerüst der
Kaderorganisation MNR.
Die "alte Garde" gegen die Dynastie ?
Heute sehen die innerparteilichen Frontverläufe beim FN - der als
einzige größere rechtsextreme Partei übrig blieb, nachdem der MNR (auf
wohl längere Sicht hin) Schiffbruch erlitt - anders aus. Denn derzeit
ist es die gesamte alte Garde der Partei, die im Visier ist; jene, die
damals Mégret der "Vorbereitung von Verrat" bezichtigte. Sie widersetzt
sich heute ihrem alternden Chef, der im Juni dieses Jahres 75 Jahre alt
wird. Nicht aus Prinzip, aber weil sie dessen Versuch ablehnt, beim FN
eine "dynastische Erbfolge" an der Parteispitze einzufädeln. Denn
Jean-Marie Le Pen setzt derzeit alles daran, seine jüngste Tochter
Marine Le Pen - 34 Jahre, ehemalige Anwältin, seit 1998 Leiterin der
eigens für sie geschaffenen Rechtsabteilung des FN - als seine
Nachfolgerin einzusetzen. Der 1998 geschasst ehemalige Chefideologe des
FN, Bruno Mégret, nannte das bereits damals die "monegassische Verirrung
Le Pens", also den Versuch, die Dynastie Monacos nachzuahmen.
Marine Le Pen war die "Entdeckung" der Fernsehsendungen an den
Wahlabenden des Frühjahrs 2002. Damals kam zum ersten Mal ihr
Rednerinnentalent zum Vorschein. Seitdem wird sie in den Medien reihum
gereicht. Zugleich soll sie - als Frau, junge Mutter und Geschiedene -
dem Front National ein modernes Image verpassen. Moderner jedenfalls,
als die in die Jahre gekommenen fanatischen Messdiener und Veteranen
diverser Kolonialkriege es vermögen, die heute das Gesicht das Partei
prägen. Zugleich vermag die gelernte Juristin abzuschätzen, wo die
strafrechtlich relevanten Grenzen für rechtsextreme Betätigung liegen -
etwa bezüglich rassistischer Äußerungen oder der Leugnung des Holocaust.
Bezüglich letzterem beschränkt sie sich darauf, allgemein die
"Meinungsfreiheit" zu verteidigen, ohne sich auf eine konkrete Bewertung
geschichtsrevisionistischer Äußerungen einzulassen. Nicht zuletzt hat
Marine Le Pen auch angekündigt, ihrer Partei in Sachen Europapolitik
eine Modernisierungskur zu verpassen, da die alte Linie des schlichten
Nein zu den EU-Verträgen heute kaum noch durchzuhalten ist.
Derzeit ist Marine Le Pen vor allem auch dahingehend aktiv, in
Wirtschaftskreisen um Sympathie für ihre Partei zu werben. So nahm sie
im Oktober 2002 an einer Diskussion in der Wirtschaftshochschule HEC zum
Thema "Populismus" teil, neben dem Versicherungsmagnaten Claude Bébéar
(der 2001 mit seiner Warnung vor dem "Selbstmord der weißen Rasse" durch
Geburtenschwund Aufmerksamkeit erregt hatte). Die von ihr geleitete
Vereinigung der Jungkader, - "Génération Le Pen", lud Anfang April zu
einer Debatte zum Thema "Globalisierung" auch Wirtschaftsfachleute ein.
Jean-Richard Sulzer kam auch. Er unterrichtet Betriebswirtschaft an
einer Pariser Universität (Paris-Dauphine), und gehört der 2002
gegründeten konservativ-liberalen Einheitspartei UMP an, wo er als
Unterstützer des Law-and-Order-Innenministers Nicolas Sarkozy gilt.
Sulzer war allerdings auch schon früher in der Wochenzeitung ŒMinute',
die eine Scharnierstellung zwischen Konservativen und Rechtsextremen
einnimmt, mit Texten und Interviews vertreten. Das beweist zumindest,
dass es nach wie vor einige potenziellen Brücken zwischen den
Bürgerlichen und der extremen Rechten gibt, obwohl das konservative
Lager Ende der 80er Jahre die "FN-Frage" - im Sinne einer Absage an
Bündnisse - geregelt zu haben schien. Hingegen sagte der Untenehmer
Louis Thannberger den Lepenisten in letzter Minute "wegen beruflicher
Verpflichtungen" ab. Er leitet zusammen mit zwei Brüdern das
Finanzunternehmen "Europe finance industrie", das angibt, die
französische Nummer 1 bei der Börseneinführung mittelständischer
Unternehmen und Partner der deutschen DG-Bank zu sein.
Marine Le Pen unterhält gleichzeitig ein eher kompliziertes Verhältnis
zu den Ultras der extremen Rechten. Einerseits sagte sie zu Anfang des
Jahres in einem Interview der Regenbogenzeitschrift "VSD", sie verachte
jene jungen Leuten "in Militärklamotten und mit kleinem Gehirn", die
ihrer Partei nur Schaden zufügten. Auf der anderen Seite handelte die
Tochter der FN-Chefs sich am 25. Februar dieses Jahres eine Strafanzeige
ein, weil sie anlässlich eines Polizeieinsatzes bei einer Party wegen
nächtlicher Ruhestörung - in wohl betrunkenem Zustand - gegen die
Beamten ausfällig geworden war. Die Veranstalter der Pariser Party: Das
Ehepaar Chatillon. Er (Frédéric Ch.) gehörte früher der gewalttätigen
rechtsextremen Studentenvereinigung GUD - die inzwischen verboten ist -
an, arbeitete später in der geschichtsrevisionistischen und
Neonazi-nahen Buchhandlung Ogmios (heute L'Aencre) im 1. Pariser
Arrondissement. Heute leitet er ein Kommunikationsunternehmen, das unter
anderem für den FN und die Tierschutzstiftung von Brigitte Bardot
arbeitet - die Sympathien der früheren Schauspielerin für Le Pen sind
seit langen Jahren bekannt. Sie (Marie Ch.) hat die Polizisten nach
deren Darstellung mit den Worten empfangen, es sei für diese wohl
einfacher, "gegen gute Franzosen vorzugehen, als gegen die Kanacken". -
Marine Le Pen unterhält eine gewisse Hassliebe zum ideologisch
gefestigten Kern der extremen Rechten, da sie - wie sie in Interviews
erzählte - sich in ihrer Jugendzeit häufig wegen des schlechten Rufs
ihres Vaters abgewiesen oder zurückgesetzt fühlte. Aber die
entscheidende Tatsache ist, dass sie sich, nach einigen Fluchtversuchen
in ihrer (glücklosen) Anwaltskarriere, heute bewusst für dieses Milieu
entschieden hat. Jetzt schickt sie sich an, in führender Position für
die rechtsextreme Partei nützlich zu werden.
Doch die "alten Kämpfer", die in ihrer Mehrheit seit den Gründungstagen
der Partei 1972 dabei sind, wollen keine Thronerbin, die nicht
ihrerseits die "Ochsentour" der Kaderarbeit auch in widrigen Zeiten
durchlaufen hat, sondern "von oben" eingesetzt wird. Selbst der
Alterspräsident des Politischen Büros des FN - das ist die zweithöchste
Führungsinstanz der Partei -, Pierre Descaves, ein alter Getreuer,
erklärte am Dienstag (22.04.) in der Boulevardzeitung ŒLe Parisien':
"Der Patron ist heute Jean-Marie Le Pen. Solange er da ist, werden wir
tun, was er von uns verlangt. Aber wenn er nicht mehr da sein wird, dann
wird jeder sein Lager wählen." Neue Töne in einer strikt hierarchisch
aufgebauten Führerpartei, in der normalerweise kein Wort der Widerrede
gegen den Chef nach außen dringen sollte.
Die Anhänger des Generalbeauftragten Bruno Gollnisch - der als
offizieller Anwärter auf die Nachfolge von Parteichef Le Pen gilt -,
unterstützt von Generalsekretär Carl Lang, hatten im Vorfeld des
Kongresses alles getan, um bei der Delegierten-Auswahl darauf zu achten,
dass Marine Le Pen wenig Unterstützung genießen würde. Dabei konnten
sich die Gollnisch-Untertützer und die "alte Garde" vor allem auf den
katholisch-fundamentalistischen Flügel stützen, für den Marine Le Pen -
geschieden mit drei Kindern, und seit kurzem mit dem FN-Jungpolitiker
Eric Iorio wieder verheiratet - ohnehin einen schändlichen Lebenswandel
treibt.
Bei der Wahl des 100-köpfigen Zentralkomitees des FN, des dritthöchsten
Parteigremiums, am Ostersonntag konnten die Marine Le Pen feindlich
gesinnten Kräfte beinahe durchmarschieren. Prompt griff Jean-Marie Le
Pen zu einem Husarenstreich. Per eigenmächtiger Verfügung entschied er,
das Politische Büro - die zweithöchste Instanz - kurzerhand von 40 auf
50 Mitgliedern zu vergrößern, und die zehn zusätzlichen Sitze den
MitarbeiterInnen seiner Tochter zuzuschanzen. Am Montag dann ernannte
Jean-Marie Le Pen seine Tochter Marine auch noch zur Vizepräsidentin der
Partei - einen Posten, den es bisher gar nicht gab. Denn der Chef wollte
keine "Nummer Zwei" neben sich dulden, und spielte daher stets die
wichtigsten Parteiämter gegeneinander aus - das des Generalbeauftragen
und jenes des Generalsekretärs.
Die nunmehrige Vizepräsidentin der Partei wurde vom Herrn Vater
zugleich in's Exekutiv-Büro gehievt, die allerengste Führungsinstanz
rund um den Parteichef. Das gab lange Mienen bei Gollnisch und
Konsorten.
Nähere Zukunftsaussichten
Die rechtsextreme Partei ist bei weitem nicht tot; und wenn es Le Pen
gelingt, seine Nachfolge in seinem Sinne zu regeln, wird dies mit einer
äußerlichen Verjüngungskur einher gehen. Dennoch läuft nicht alles nach
Wunsch. Der Front National ist heute weitgehend mit seine inneren
Machtkämpfen beschäftigt, und sein öffentliches Profil hängt derzeit
fast ausschließlich von der Führungspersönlichkeit Le Pens ab. Jene
Kader, die 1999 größeren Teils die gespaltene Partei verließen, hatten
noch an den Aufbau einer "sozialen Bewegung" in authentisch
faschstischer Tradition gedacht, die auch auf der Straße und im
gesellschaflichen Alltagsleben Präsenz zeigen könne. Dazu wollten sie
vor allem die "soziale Frage" für sich besetzen. Zeitweise gründeten sie
rechtsextreme Pseudo-Gewerkschaften, Mietervereinigungen und
Arbeitslosenfronten.
Heute dagegen ist gerade dieses, strategisch eigentlich für die extreme
Rechte bedeutsam, soziale Feld offenkundig vernachlässigt. Der Abgang
von Kadern, das Schrumpfen des Parteiapparats und die Reduzierung der
"Bewegung" auf eine Familienangelegenheit Le Pens haben dazu
beigetragen.
In seinem Interview mit der Pariser Abendzeitung Le Monde, das
zum Auftakt des Kongresses erschien, redete Le Pen etwa zur
Sozialpolitik frei von der Leber weg: "Anstatt die Rente mit 60 Jahren
zu beschließen" - die derzeit durch die Gewerkschaften gegen
"Reform"pläne der Regierung verteidigt wird - "wäre es nötig, das
Rentenalter schrittweise auf 70 Jahre anzuheben für jene, die es
wünschen. Wir", das heißt in dem Fall die sozialdemokratische Regierung
Lionel Jospins, "haben die 35-Stunden-Woche eingeführt ; aber man hätte
in Gesetz über die 42-Stunden-Woche machen müssen!"
Natürlich fügt Le Pen die für die extreme Rechte typische Aussage
hinzu, wonach "unser Sozialsystem" durch zu viele Immigranten als
Anspruchsteller belastet werde. Aber von jener Rücksichtnahme auf
sozialpolitische Belange, die Bruno Mégret in einem Interview mit der
parteinahen Presse 1992 energisch eingefordert hatte, ist an der Stelle
nicht viel zu verspüren. Das könnte die Zukunftschancen der extremen
Rechten auf Verbreiterung ihrer Basis beträchtlich mindern.
- "Mitterrand,
der Krieg - Le Pen, der Frieden":