Jana Frielinghaus
Junge Welt, 21.02.2003
Seit Anfang des Jahres wird in Mecklenburg-Vorpommern heftig
gestritten. Dabei waren sich in einem alle Parteien einig: Die
Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS)
sollte unbedingt im Nordost-Bundesland gezeigt werden. Zunächst hatte
auch die Landesregierung an das von den Nazis konzipierte
"Kraft-durch-Freude" (KdF)-Bad bei Prora auf der Insel Rügen als
Ausstellungsort gedacht. 1999 beauftragte sie die in Prora ansässige
Stiftung Neue Kultur, mit dem HIS Verhandlungen aufzunehmen. Doch im
Januar 2003 brachte man plötzlich die ehemalige Heeresversuchsanstalt
Peenemünde, in der die "Wunderwaffe" V2 entwickelt wurde, als
Alternative zu Prora ins Gespräch.
Bevor der seitdem tobende Streit um den Ausstellungsort in die nächste
Runde gehen konnte, ist er nun von HIS-Chef Jan Philipp Reemtsma
persönlich beendet worden. Am Dienstag Nachmittag teilte er der Stiftung
Neue Kultur per Fax mit, daß die Dokumentation "Verbrechen der Wehrmacht
- Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941- 1944" in diesem Jahr
definitiv nicht in Prora gezeigt wird. Klaus Kufner vom Freundeskreis
Pro Wehrmachtsausstellung verwies am Mittwoch darauf, dass die
Exposition damit überhaupt nicht auf die Insel kommen werde, da sie ab
2004 nicht mehr als Wanderausstellung zur Verfügung stehe.
Das Pikante an der Geschichte: Auch die PDS-Landrätin von Rügen,
Kerstin Kassner, lehnte zuletzt Prora als Ausstellungsort ab. Sie gehört
zum Verein "Prora03" an, der ein internationales Jugendevent gleichen
Namens vorbereitet, das im August diesen Jahres stattfinden soll - und
zwar im KdF-Bad Prora. Die Ausstellung sollte ursprünglich ebenfalls im
Sommer nach Prora kommen, die Gleichzeitigkeit der beiden
Veranstaltungen war zunächst sogar gewollt. Doch gerade vom Verein
"Prora03" wurden in den letzten Wochen die massivsten Vorbehalte gegen
die Ausstellung geäußert; man fürchtete um den Ruf der Insel und der
Veranstaltung, denn es könnte ja sein, dass gegen die Ausstellung zu
Felde ziehende Neonazihorden auch Gäste des Jugendcamps attackieren
könnten. Die Rechten werden diesen Rückzieher der Verantwortlichen
gebührend als großen Sieg zu feiern wissen.
Übrigens hielten bereits im Jahr 2001 Wahlkampfstrategen der PDS den
Ball flach, was die Ausstellung betrifft, die ursprünglich sogar schon
im Sommer 2002 nach Prora kommen sollte. Die Auswirkungen einer
Diskussion um die Exposition im Vorfeld der Landratswahlen auf Rügen
habe man für unberechenbar gehalten, war am Donnerstag in der Schweriner
Volkszeitung zu lesen. Landrätin Kassner räumte die damaligen
Überlegungen ihrer Partei der SVZ gegenüber ein: "Wir dachten, das
schadet uns."
Peenemünde ist nun die letzte Möglichkeit, die Ausstellung nach
Mecklenburg-Vorpommern zu holen. Das HIS ließ wissen, man habe nur noch
den Termin Mitte Juli bis Anfang September frei.