Vertuschen und verdrängen: -
Rechtsradikale in der CDU
PANORAMA Nr. 614
vom 6.6.2002
Anmoderation /
Anja Reschke: Den Aufstand
der Demokraten hat Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der
Juden, gefordert. Viele haben Möllemanns inszenierten Tabu-Bruch längst
verurteilt. Tausende Bürger sind auf die Straße gegangen. Auch die CDU
polterte lautstark und erbost über die FDP und Möllemanns Antisemit.
“Ein Mann wie Herr Karsli hätte in der CDU keinen Platz”, sprach
Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz und verschwand in seine gläserne
CDU-Parteizentrale. Wie war das noch gleich mit den Glashäusern? Genau –
denn was sich in der CDU so an Radikalen, an Rechtsradikalen in ihren
Reihen leistet, das haben Ariane Reimers und Volker Steinhoff
recherchiert. Namen und Daten vom braunen Rand der CDU.
Kommentar: Schloss Weikersheim in
Baden-Württemberg vor zwei Wochen. Prominente CDU-Mitglieder singen die
Nationalhymne – zusammen mit Rechtsradikalen. Einige der hier
Versammelten sind beides in einer Person: CDU-Mitglied und
rechtsradikal. Etwa Albrecht Jebens, Vorstandsmitglied der
rechtsextremen “Gesellschaft für Freie Publizistik”.
0-Ton
Interviewerin: “Herr Jebens, eine
Frage an Sie: Sie sind Mitglied der CDU?”
Dr. Albrecht Jebens (CDU): “Ja.”
Interviewerin: “Und auf der anderen Seite sind Sie Funktionsträger in der
rechtsextremen Gesellschaft für Freie Publizistik – wie geht das
zusammen?”
Dr. Albrecht Jebens: “Ich bin ein freier Mensch.”
Interviewerin: “Dann geht das zusammen?”
Dr. Albrecht Jebens: “Natürlich geht das zusammen.”
Kommentar: Den Verfassungsschützern
ist dieser Verein bestens bekannt – durch Hetze gegen Juden und
Verharmlosung des Holocaust. In den Verfassungsschutzberichten gilt die
Gesellschaft als “bedeutendste rechtsextremistische Kulturvereinigung”
0-Ton
Helmut Rannacher (Verfassungsschutz
Baden-Württemberg): “Ich hätte bei der Gesellschaft für Freie
Publizistik gar keinen Zweifel, dass es sich hier um eine deutlich
rechtsextremistische Organisation handelt. Wer dort auftritt, muss sich
dies anrechnen lassen, und er muss es vor allem auch wissen, dass er
sich eindeutig im rechtsextremistischen Milieu bewegt.”
Kommentar: Das Vorstandsmitglied
dieser rechtsextremistischen Organisation, CDU-Mann Albrecht Jebens, ist
hier, bei der vornehmen Gesellschaft in Weikersheim, herzlich
willkommen, umringt von prominenten Parteifreunden. Mit dabei der
hessische Ministerpräsident Roland Koch – und auch ein Innenminister,
der eigentlich Rechtsradikale bekämpfen sollte: Jörg Schönbohm. Doch der
will von den Aktivitäten seines rechtsradikalen Parteifreundes nichts
wissen.
0-Ton
Jörg Schönbohm (CDU, Innenminister
Brandenburg): “Den Herrn Jeben, oder wie immer er heißt, kenne ich
nicht.”
Kommentar: Auch die CDU-Führung in
Berlin gibt sich ahnungslos. Den rechtsradikalen Albrecht Jebens kenne
man nicht. Deshalb gebe es auch keinen Anlass, ihn aus der CDU
rauszuwerfen.
0-Ton
Laurenz Meyer (CDU-Generalsekretär):
“Ich kenne die Fakten gar nicht, die Sie da ansprechen, und kann deshalb
auch gar nichts dazu sagen. Wie soll ich jemanden aus der Partei werfen,
oder ich – die Kreisverbände – wie sollen die das machen, wenn sie die
Fakten, von denen Sie da sprechen, überhaupt nicht kennen.”
Kommentar: Weitere Fakten, neue Namen.
Dieser nur scheinbar honorige Herr mit Professorentitel ist ebenfalls
ein CDU-Mitglied. Sein Name: Hans-Helmuth Knütter. Der CDU-Mann
referiert auch gern auf weniger öffentlichen Veranstaltungen, etwa hier,
in Hohenroda, ein entlegenes Dorf in Hessen, beim Gipfeltreffen der
deutschen Naziszene. Filmaufnahmen sind bei diesen Treffen absolut
unerwünscht.
0-Ton
Ordner: “Also, das möchten wir doch
nit.”
Kommentar: Kein Wunder, denn hier
treffen sich neben CDU-Mitgliedern wie Knütter auch führende
NPD-Funktionäre, bekannte Auschwitz-Leugner und gewaltbereite Neonazis.
Eingeladen hat die “Gesellschaft für Freie Publizistik”. Deren
Hauptanliegen ist bekannt.
0-Ton
Helmut Rannacher (Verfassungsschutz
Baden-Württemberg): “Das ist ein Thema, was sich über die ganzen
Jahrzehnte durchzieht, Verniedlichung, Verharmlosung sowohl des Themas
Krieg und Kriegsschuld, als auch Infragestellen der Vergasung von
Millionen von Juden.”
Kommentar: Wir versuchen in den
Versammlungssaal zu kommen. 350 Rechtsradikale sitzen hinter diesen
Türen.
0-Ton
Interviewerin: “Keine Möglichkeit, da
reinzugucken einmal?”
Ordner: “Es spricht gerade einer, der
Professor Knütter spricht.”
Kommentar: Mit der Kamera keine Chance
– aber wir gelangen an eine Tonaufnahme des Vortrags. CDU-Mann Knütter
lobt die schlagkräftigen jungen Kameraden und propagiert Gewalt mit
Leidenschaft.
0-Ton (Tonbandmitschnitt)
Prof. Hans-Helmuth Knütter (CDU):
“Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngere das tun können, mit
persönlichem, mit körperlichem Einsatz für die Durchsetzung der
politischen Ziele einsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. Die
Älteren können aber auch etwas tun. Man wird auch den hier Anwesenden
aufgrund des Alters wohl kaum zumuten können, sich an Saalschlachten und
Straßenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tun können, ist natürlich:
Geld sammeln, Aktionen ermöglichen.”
Kommentar: Saalschlachten und
Straßenkämpfe? Der Aufruf zur gewaltsamen Durchsetzung von politischen
Zielen? Dazu wollen wir den CDU-Professor befragen.
0-Ton
Interviewer: “Sie sind Mitglied der
CDU. Was machen Sie hier und halten für einen Vortrag?”
Prof. Hans-Helmuth Knütter: “Wie
kommen Sie dazu, mich hier einfach zu befragen?”
Kommentar: Der kamerascheue CDU-Mann
ergreift die Flucht. Sein rechtsradikales Gedankengut, sein Engagement
für Gewalt – über all das will man in der Berliner CDU-Zentrale noch nie
etwas gehört haben. Wieder mal nur Ahnungslosigkeit.
0-Ton
Laurenz Meyer (CDU-Generalsekretär):
“Ich kenne den überhaupt nicht, der Name ist mir völlig unbekannt. Also
so wichtig scheint der wirklich nicht zu sein.”
Kommentar: Unbekannt sind der
CDU-Spitze sicher auch die rechtsradikalen Aktivitäten dieses
Mitgliedes: Klaus Hornung. Der Geschichtsprofessor publiziert gern und
oft. Seine Aufsätze finden sich auch in Zeitschriften und Büchern
rechtsradikaler Verlage, so etwa im Verlagsimperium des rechtsextremen
Grabert-Verlages. Dessen Themen sind dem Verfassungsschutz seit Jahren
wohl bekannt.
0-Ton
Helmut Rannacher (Verfassungsschutz
Baden-Württemberg): “Das Thema Holocaust, Auschwitz-Lüge spielt
natürlich eine Rolle. Wir haben tendenziell auch in einer Reihe von
Werken rassistische Tendenzen, die hier immer wieder zu verfolgen sind.
Also die gesamte Palette rechten, rechtsextremen Gedankenguts kommt hier
immer wieder hoch.”
Kommentar: Dem CDU-Mann Klaus Hornung
ist ganz offensichtlich klar, für welchen Verlag er da schreibt.
Erklärungsversuch:
0-Ton
Prof. Dr. Klaus Hornung (CDU): “Ja,
ja, ich bin – also bei dem Grabert-Verlag mag es viele Probleme geben.
Und ich selber kann als Historiker nur sagen – mit Holocaust-Leugnung –
das ist nicht mein Thema – das .....”
0-Ton
Helmut Rannacher (Verfassungsschutz
Baden-Württemberg): “Wir gehen schon davon aus, dass sich jemand, der in
einem entsprechenden Verlag veröffentlicht, der einen entsprechenden
Vortrag hält bei einer Organisation, die im Verfassungsschutzbericht
aufscheint, dass der sich im Klaren darüber ist, in welcher Gesellschaft
er sich befindet.”
Kommentar: Professor Klaus Hornung
tritt auch im Schloss Weikersheim auf, inmitten von vielen CDU-Größen,
mimt den Biedermann. Er ist sogar der Präsident dieses
rechtskonservativen Treffens. Sein prominenter Stellvertreter:
CDU-Innenminister Schönbohm. Doch der will von den Aktivitäten seines
Parteifreundes bei den Rechtsradikalen nichts wissen.
0-Ton
Interviewerin: “Ihr Mitvorsitzender,
Klaus Hornung, publiziert in rechtsextremen Verlagen, macht auch
Vorträge vor rechtsextremen Vereinigungen – kommt das nicht in die Quere
Ihnen auch als Innenminister, als CDU-Innenminister?”
Jörg Schönbohm (CDU, Innenminister
Brandenburg): “Ich weiß nicht, ob es in rechtsextremistischen oder
welchen Bereichen Herr Hornung publiziert – er ist ein anerkannter
Historiker, er hat eine Menge publiziert, auch zum Totalitarismus in
unserer Zeit.”
Kommentar: Ahnungslosigkeit, aber auch
Anerkennung für Klaus Hornung durch die CDU-Prominenz. Parteifreunde
unter sich. Und die Parteiführung in Berlin?
0-Ton
Laurenz Meyer (CDU-Generalsekretär):
“Ich muss Ihnen ganz offen sagen, ich wollte auch solche Personen, falls
es sie denn gibt, keinesfalls aufwerten dadurch, dass sich etwa Landes-
oder Bundesvorstände gar damit beschäftigen.”
Kommentar: Beschäftigung gäbe es
eigentlich genug, denn die von PANORAMA recherchierten Personen sind nur
einige von vielen rechtsradikalen CDU-Mitgliedern. Einer sitzt sogar für
die Union im Bundestag: Martin Hohmann. Er ist Referent bei
verfassungsschutzbekannten Rechtsradikalen.
Oder Joachim Siegerist – nicht nur
wegen Volksverhetzung verurteilt, sondern auch noch Chef des
rechtsradikalen Vereins “Die deutschen Konservativen”.
Oder Hannes Kaschkat – der
Vertriebenenfunktionär der CSU publiziert im rechtsextremistischen
Grabert-Verlag wie auch verschiedene Auschwitz-Leugner.
Burschentag auf der Wartburg in
Thüringen vor zwei Wochen. Auch hier tummeln sich Rechtsextremisten –
unter anderem in der Burschenschaft Danubia aus München, den bayerischen
Verfassungsschützern bestens bekannt.
0-Ton
Günther Beckstein (CSU, Innenminister
Bayern): “Unter den Burschenschaften, wo es mehrere gibt, die rechte
Demokraten sind, ist die Danubia eine, die aus unserer Sicht eindeutig
rechtsextremistisch ist. Und deswegen haben wir festgehalten, dass die
Mitgliedschaft in der Verbindung der Danubier auch abgefragt wird, wenn
jemand in den öffentlichen Dienst in Bayern will.”
Kommentar: Seine Konsequenz:
Berufsverbot für die Rechtsextremisten. Umso erstaunlicher, wer dieser
Burschenschaft so alles angehört. Ihr Sprecher gibt Auskunft.
0-Ton
Sascha Jung (Burschenschaft Danubia):
“Es ist halt so, dass zahlreiche Mitglieder der Aktivitas – der alten
Herren ohnehin – Mitglieder von CDU und CSU sind oder Junge Union der
CSU. Und das sind vor allem auch diejenigen, die in den letzten Jahren
für die politische Arbeit meines Bundes, die eine sehr ausgeprägte
politische Arbeit ist, also immer wieder interessante Vorträge
verantwortlich sind.”
Kommentar: CSU-Mitglieder also als
Extremisten. Der bayerische Innenminister ist überrascht über die
Aktivitäten seiner Parteifreunde.
0-Ton
Günther Beckstein (CSU, Innenminister
Bayern): “Es muss unter Umständen eine Partei auch Leute ausschließen,
wenn es sich herausstellen sollte, dass Extremisten in der Partei sind.
Aber darüber habe ich keine Erkenntnis. Für mich ist dieses Thema,
ehrlich gesagt, bisher auch nicht aufgetaucht.”
Kommentar: Jahrzehntelang hat sich die
Union offenbar nicht mit ihren rechtsradikalen Mitgliedern beschäftigt,
hat einfach weggesehen. Jetzt aber gibt sich der Generalsekretär
nachdenklich – zumindest vor unserer Kamera.
0-Ton
Laurenz Meyer (CDU-Generalsekretär):
“Da muss ich Sie wirklich schon bitten, wenn Sie da wirklich was haben,
vielleicht dass Sie uns das einfach mal schriftlich geben. Und dann
werden wir uns da selbstverständlich mit beschäftigen.”
Bericht: Anton Maegerle, Ariane
Reimers, Volker Steinhoff
Schnitt: Birgit Bossbach
Video des Beitrags
<panorama> Pressemitteilung
http://www.ndrtv.de/panorama
Sendung am 06. Juni um 20:20 Uhr
hagalil.com 09-05-02 |