Möllemann, Karsli und kein Ende
Braun gefärbt
Nur scheinbar haben sie sich
durchgesetzt die alten Damen und mehr noch Herren des FDP-Flügels: Frau
Hamm-Brücher, Lambsdorff oder Wolfgang Gerhard, die unter Liberalismus
auch ein politisches Programm verstehen und sich kritisch zur
Parteiaufnahme Jamal Karslis äußerten und
Parteivize Möllemann wegen dessen antisemitischer Äußerungen,
zaghaft, kritisierten.
Der Hinterbänkler des
nordrhein-westfälischen Landtages Karsli zog am Mittwoch seinen
Aufnahmeantrag in die FDP zurück. Das schnelle Ausscheiden wegen
antisemitischer Äußerungen führte jedoch der FDP-Vorsitzende Guido
Westerwelle als Vertreter der ‚jungen’ Anything-goes-Fraktion der
Liberalen auf seine Interventionen zurück und sprach sich selbst
„Führungskraft“ in der Partei aus.
Karsli wurde so zwar formal kein
Mitglied der Partei, bliebt der Landtagsfraktion aber als parteiloser
Abgeordneter erhalten. Ein echter Schildbürgerstreich ist dieser
‚Erfolg’ von Westerwelle. Doch ging es auch diesem anscheinend mehr um
den Ruf der Partei als um eine Distanzierung von Karsli und Möllemann,
beziehungsweise von deren judenfeindlichen Haltungen. So trat der,
indirekt, noch nach gegen den seitens Möllemann diffamierten Michel
Friedmann: „Was die Temperamente angeht, stehen sich Herr Friedmann und
Herr Möllemann in nichts nach“, so Westerwelle.
Als ob die immer wieder
schonungslose Offenlegung von antisemitischen Bestrebungen, die der
zweite Vorsitzende des Zentralrats der Juden immer wieder betreibt eine
Frage des Temperaments wäre und nicht reine Notwendigkeit. Gäbe es
solche deutlichen Stimmen innerhalb der christlichen innerhalb des
christlichen Teils der deutschen Gesellschaft, dann bliebe prominenten
Juden und Jüdinnen nicht immer wieder die Rolle der Mahner.
Auch Herrn Möllemann wird Unrecht
getan, wenn man seine Entgleisungen als eine Frage des Temperaments
hinstellt. Der „ehrbare Antisemitismus“ (Jean Amery) ist ihm ein innerer
Zwang, wie es der Struktur des Judenhasses zu eigen ist Dies ist eine
Frage der charakterlichen und gesellschaftlichen Prägung, aber auch der
eigenen Entscheidung. Jürgen Möllemann bedient noch so nebenbei die
latent vorhandenen und sich immer häufiger manifest äußernden
antisemitischen Stereotype eines großen Teils der Deutschen. Genau das
sieht auch Guido Westerwelle und lässt Möllemann gewähren. Die
anvisierten 18 Prozent der Wählerstimmen kann die FDP eben nur bei
Rechten sammeln.
Dabei ist die Mitnahme des
rechtsextremen Potentials kein Tabubruch für die Liberalen. Erinnert sei
nur an die nationalliberale Formation um Alexander von Stahl, zu der
auch der neurechte
Publizist und Historiker Rainer Zitelmann gehört, der als Berater der
rechtsextremen Zeitschrift Junge Freiheit immer wieder genannt
wurde. Oder an die „Öffnung nach rechts“ während der 50er Jahre. In
dieser Zeit bot die FDP Altnazis durchaus eine politische Heimat an. Zu
nennen sind Dr. Werner Best, Heydrichs Stellvertreter bei der Gestapo,
Reichsbevollmächtigter in Dänemark und Ideologe des Nationalsozialismus.
Best traf in der FDP auf Ernst
Achenbach den ehemaligen Leiter der politischen Abteilung der deutschen
Botschaft in Paris, der federführend für die Deportation der
französischen Juden war. Jener Achenbach war zu dieser Zeit der
Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der Liberalen. Im Januar
1953 wurde schließlich ein bekanntes FDP-Mitglied von der britischen
Militärpolizei wegen Umsturzplänen verhaftet: Werner Naumann ein
Ex-Staatssekretär im Ministerium für Reichspropaganda und auch in den
50er Jahren noch überzeugter Nationalsozialist.
Solche Parteikarrieren von alten
Nazis sind nicht nur in der FDP zu finden und auch antisemitische
Äußerungen aus der etablierten politischen Klasse waren immer wieder zu
hören. Sie zeigen nur, dass die Judenfeindschaft in Deutschland immer
noch vorhanden ist und das Verdeckte sich immer wieder eine Bahn bricht.
Der bekannte Antisemitismusforscher Wolfgang Benz irrt jedoch, wenn er
den Fall Karsli als Beweis dafür nennt, dass die Abwehrkräfte gegen
Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft intakt sind.
Längst äußert sich der deutsche
Judenhass (und vermehrt auch in unguter Koalition mit dem Antisemitismus
von in Deutschland lebenden Palästinensern) in zunehmenden Anschlägen
gegen Synagogen, tätliche Angriffe und Friedhofsschändungen, sowie in
unverbrämten Zuschriften an jüdische Medien, wo beim Letzteren die
Urheber sich gar so sicher fühlen vor jeglicher Strafverfolgung, dass
sie nicht einmal mehr anonym agieren.
- Möllemann als Integrationsfigur
Wofür steht 18?
Offener Brief von Ralph Giordano
is/ hagalil.com 26-05-02 |