Rassistische Überfälle, Nazi-Aufmärsche und
ein Innenminister
Eine Woche in Deutschland
Am Montag den 6. Juni wurde in Zwickau ein
25-jähriger Flüchtling aus Afghanistan von zwei rechtsextremen Skinheads
mit Messerschnitten verletzt. Die Tat geschah im nächtlichen Zwickau, wo
wenige Stunden später drei Passanten ebenfalls von Skinheads mit
Flaschen geschlagen werden.
Bereits am 2. Juni wurde in Zwickau ein 38 Jahre alter
Mosambikaner von zwei Auszubildenden geschlagen. Am Donnerstag wurde in
Seelze bei Hannover ein 38-Jähriger überfallen und zu Tode getreten.
In Pressemitteilungen dieser Woche war zu lesen, dass
für den 29. Juli das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis
Westthüringen, eine Untersektion des rechtsextremen
"Thüringer Heimatschutzes", eine Demonstration unter dem Motto
"Gegen Sozialabbau und Globalisierung. Heimat statt Standort
Deutschland"
plant.
Für den 14. Juli haben die
Jungen Nationaldemokraten
mit bundesweiter Unterstützung sogenannter Freier Kameradschaften in
Neubrandenburg einen Aufmarsch "Gegen Globalisierung und Eurowahn"
angemeldet.
Diese Meldungen umfassen noch nicht alles, was
interessierte Leserinnen Und Leser zum Thema Rechtsextremismus und
Nazismus innerhalb einer Woche der bundesdeutschen Presse entnehmen
können. Hinweise zum institutionellen Rassismus, der sich in
Abschiebungen, geplanten Zuwanderungsgesetzen nach
Nützlichkeitskriterien für die deutsche Wirtschaft und ähnlichem äußert,
habe ich hier ausgelassen.
Das Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), vor dem
Hintergrund solcher Meldungen, eine Aufforderung des Europarates mehr
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu unternehmen, als unbegründet
zurückweist, ist nicht einmal mehr zynisch zu nennen. Die Aufforderung
des Europarates beruht auf einem am Dienstag veröffentlichten Bericht
der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), die
von einem in Teilen der deutschen Gesellschaft herrschenden
ausländerfeindlichen Klima, dass "äußerst Besorgnis erregend" sei,
spricht.
Schily kommentierte diesen Bericht gegenüber der ARD.
Die Menschen, welche diesen Bericht veröffentlicht hätten würden
Deutschland nicht kennen, so der Bundesinnenminister. Es entstehe ein
"völlig verzerrtes Bild", dass mit der Wirklichkeit nichts zu tun habe.
Woher kommt ein solches Statement Schilys? Ihm
psychologisch eine gestörte Wahrnehmung der deutschen Realität zu
unterstellen wäre Handlung, die ihn schon beinahe entschuldigt und für
Otto Schily der Verantwortung für sein Reden enthebt.
Was der sozialdemokratische Innenminister politisch
versucht, ist ein Spagat zwischen unterschiedlichen Interessengruppen.
Zum einen ist da die deutsche Industrie, die Tourismusverbände und
andere, die sich angesichts der zunehmenden Dominanz völkischer Gewalt
um das Investitionsklima hierzulande sorgen. Der "Standort Deutschland"
ist weder für internationale Unternehmen langfristig attraktiv, wenn sie
Sorgen haben müssen, dass ihre Manager und Angestellten jederzeit Opfer
von militanten Rassisten werden könnten.
Diesem Bild entgegenzuwirken versucht die rot-grüne
Bundesregierung, allerdings erfolglos, mit der Gründung einer
staatlichen antifaschistischen Bewegung seit dem Sommer letzten Jahres.
Dem Bericht von ECRI Recht zu geben hieße, die eigene Ohnmacht zu
offenbaren. Weder mit staatlicher Repression, noch mit
Aussteigerprojekten lässt sich das eindämmen, was sich gemeinhin als
"Volkes Stimme" versteht und, so man entsprechenden Studien glauben
kann, es wohl auch ist.
Auf der anderen Seite muss Otto Schily gerade auch die
sozialdemokratischen Stammtische bedienen. Dort hat, nicht anders als im
Spektrum der Nationaldemokraten, die Forderung nach "Arbeitsplätzen
zuerst für Deutsche" die ideologische Lufthoheit und Einmischungen aus
Brüssel verbittet sich der "Stolze Deutsche" allemal. Die eigene
Wählerklientel verprellen will selbstverständlich auch die gegenwärtige
Bundesregierung nicht. Zumal auf eine solche Steilvorlage die
deutsch-nationalen Kreise der Unionsparteien erfreut mit weiterer
Integration des Rechtsextremismus in ihre Reihen reagieren würden.
Ein probates Gegenmittel gegen Rassismus.
Antisemitismus und Nazis scheint in dieser Situation scheint nicht in
Sicht. Allerdings besteht für jeden und jede die Möglichkeit im Alltag
zu handeln und sich zu positionieren. Ob dies in einer der bestehenden
antifaschistischen Gruppierungen, durch Zivilcourage auf dem
Arbeitsplatz und auf der Strasse, durch finanzielle Zuwendungen oder im
Rahmen der politischen Bildungsarbeit geschieht, ist ersteinmal
zweitrangig.
Wer jedoch die Initiativen gegen Rechts staatlicher
Repression und autoritären Demagogen vom Schlage eines Jörg Schönbohm
überlässt, der sollte sich nicht wundern, wenn eines Tages die rechte
Gewalt auf der Straße zwar eingedämmt ist, dafür aber deren ideologisch
modernisierte Versatzstücke jedoch Regierungspolitik sind.
IS/Klick-nach-rechts.de
07.07.2001
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