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Zur Entstehung des Antisemitismus
Von Fabian Kettner
Teil III.
Die Bilder des Antisemitismus sind also aus einer
geschichtlichen Entwicklung gezogen. In ihnen finden sich
gesellschaftliche Unwälzungsprozesse wieder, die mit der Entwicklung der
bürgerlichen Gesellschaft und der damit verbundenen Entfaltung des
Kapitalismus einhergehen. Verzerrt thematisiert werden die Entstehung
der Großstädte, von konzentriertem Zusammenleben; die Entstehung neuer
Produktionsweisen; neuer und anderer sozialer Strukturen; neuer und
anderer gesellschaftlicher Organisations- und Vergesellschaftungsformen
(und damit neuer Eigentums- und Rechtsformen (bürgerliches Recht)); die
Entstehung des Geldwesens und der Börse; sowie neuer gesellschaftlicher
Theorien, in denen diese Entwicklung sich reflektiert und in denen sich
Möglichkeiten ihrer Umwälzung artikulieren.
Zeitgleich zu dieser geschichtlichen Entwicklung fand
die Emanzipation der Juden aus dem Getto statt; es kam zur rechtlichen
Gleichstellung, teilweise gar zu ihrer Assimilation. Aus dieser
zeitlichen Parallele macht der Antisemitismus aber eine
Identifizierung des Juden mit dieser Umwälzung. Der Jude sei selber
das Prinzip der Unruhe, sei der Inszenator dieser Umwälzungen. Er
veranstalte dies für den besseren, ungehinderten Zugriff auf die
Volkssubstanz. Er schaffe den freien Arbeiter, das Geldwesen, die Börse,
um flexibler agieren, um relativ und absolut besser ausbeuten zu können.
Dazu setzte er die bürgerliche Freiheit und Gleichheit durch, durch die
er obendrein unsichtbar werden kann, weil er nun nicht mehr als
extrasozialer Jude ausgemacht werden kann.
Die Geschichte des Judentums ist also eine
Erfolgsgeschichte - und damit sollte die Vorstellung von
Antisemitismus als eines bloßen
Vorurteils, mit Hilfe dessen man auf andere herabschauen, sich
besser als andere fühlen kann, endgültig fallen. Der Jude ist ein
Übermensch. Der Jude ist im Denken und bei wirtschaftlicher Betätigung
gewandter, schlauer und so erfolgreicher als die Arier. "Bei kaum einem
Volk", so Adolf Hitler in "Mein Kampf", "ist der Selbsterhaltungstrieb
stärker entwickelt als beim sogenannten auserwählten." Sie haben das
geschafft, worum andere sich vergebens bemühten: "Welches Volk endlich
hat größere Umwälzungen mitgemacht als dieses - und ist dennoch immer
als dasselbe aus den gewaltigsten Katastrophen der Menschheit
hervorgegangen?" "Es ist immer der gleiche Jude", der bspw. "auf die
Erhaltung seiner Sprache nur sehr wenig Wert legt, hingegen allen Wert
auf die Reinerhaltung seines Blutes." Der Jude hat schon immer das
geschafft, was die Deutschen erst lernen und erzeugen müssen.
"Der Jude" ist, soviel sollte klar
geworden sein, die Verkörperung eines Prinzips, der/das hinter den
widersprüchlichsten Erscheinungen steht.
Der Jude verkörpert dieses Prinzip, d.h. ist nicht bloß sein
Bote oder Repräsentant, sondern seine
leiblich reale, handfeste Inkarnation - eines Prinzips, das als
bedrohlich empfunden wird. Die "qualitative Andersartigkeit", so Moishe
Postone in seinem berühmten Aufsatz "Nationalsozialismus und
Antisemitismus", "der Juden im modernen Antisemitismus wird mit
Attributen wie mysteriöse
Unfassbarkeit, Abstraktheit und Allgemeinheit
umschrieben. Diese Macht erscheint gewöhnlich nicht als solche, sondern
muss ein konkretes Gefäß, einen Träger, eine Ausdrucksweise finden. Weil
diese Macht nicht konkret gebunden, nicht 'verwurzelt' ist, wird sie als
ungeheuer groß und schwer kontrollierbar empfunden. Sie steht hinter den
Erscheinungen, ist aber nicht identisch mit ihnen." Der Jude ist im
Antisemitismus der Drahtzieher hinter den Kulissen der Weltgeschichte.
"Die Rassenfrage ist der Schlüssel zum Verständnis der Weltgeschichte",
weiß Rudolf Walter Darré. Die Rassenfrage von Juden vs. Wirtsvolk wird
in die Geschichte und in gegenwärtige gesellschaftliche Prozesse
hineinbuchstabiert: die Geschichte der Entfaltung des
Kapitalverhältnisses wird als Durchsetzungsgeschichte der Juden in ihren
Wirtsvölkern interpretiert.
Fortsetzung:
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17.04.01 |