Auf der rechtsextremen Demonstration am 1. Mai in Berlin konnte man rechte
Mimikry besichtigen: Demonstranten mit einem klassisch linken Katapultmotiv oder
Che-Guevara-Porträts auf dem T-Shirt, Transparente mit Sprüchen wie »Fight the
system – Fuck the law«, »BRDeutschland halt’s Maul« oder dem Aufruf einer
»Antifaschistischen Aktion Fürstenwalde«: »Faschismus bekämpfen – PDS
verbieten«, verziert mit dem Logo der Antifaschistischen Aktion. Mehrere Hundert
Rechtsextreme bildeten einen »Schwarzen Block« bei dem von der NPD angemeldeten
Aufmarsch.
Die Übernahme vormals linker Symbole und Stile durch die Neonaziszene kommt gut
voran. Das Konzept der Popantifa scheint unter anderen politischen Vorzeichen
zurückzukehren. Eine Figur aus der Comicserie »South Park« lud auf der
Internetseite des so genannten Freien Widerstandes zum Aufmarsch nach Berlin
ein. Die Verwendung des Kellogg’s-Cornflakes-Tigers durch Linke für die Kampagne
»Antifaoffensive 2004« mutet da schon wie eine Fluchtbewegung hin zu neuen,
nicht von rechts vereinnahmten Popikonen an.
Dabei ist die Symbolwelt der autonomen Antifabewegung nicht die erste aus dem
linken Milieu, die von rechts okkupiert wurde. Der Slogan der
Anti-Castor-Bewegung »Es gibt kein ruhiges Hinterland« wurde auch schon zum
Verbreiten rechter Ideologie benutzt. »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das
kroch«, hieß es auf einem Transparent auf dem Naziaufmarsch am 14. Februar in
Dresden. Unter dem Zitat aus der Kriegsfibel von Bertolt Brecht richete sich ein
Pfeil auf die Flagge der USA.
Seit Jahren plagen sich linke Jugendzentren mit dem Problem, dass Rechte ihre
Konzerte besuchen und für Ärger sorgen. Die Gäste kommen in neutraler oder
uneindeutiger Kleidung und fallen am Einlass nicht auf. T-Shirts und Marken der
Rechten zeigen mittlerweile vertraute Stilmittel aus der HipHop-, Hardcore- oder
Rock’n’Roll-Szene, was die schnelle Erkennung erschwert. Die neue Marke »Rizist«
etwa ist im Stil eines Graffiti-Schriftzugs gestaltet.
Mit einem in Flammen stehendem Bandnamen und dem wahlweise als »Hate« oder »Heil
Hitler« zu entschlüsselnden Logo H8 aus einem Herz-As und einer schwarzen
Billardkugel präsentiert sich die Band Hate Society. Der Internetvertrieb
h8store aus dem schleswig-holsteinischen Stockelsdorf hat alles, was das Herz
des Popnazis begehrt. Hier gibt es T-Shirts mit dem Symbol der Hate Society oder
dem Motiv Combat 18 Parcel Service. Mit einem Wappen, auf dem eine Packung
Dynamit aus einem Postpaket purzelt, wird dort der britisch-skandinavischen
Neonazigruppe Combat 18 gehuldigt, die als bewaffneter Arm des Zusammenschlusses
Blood & Honour gilt.
Der Fetisch der Militanz wird beim h8store auch mit den T-Shirts der »Stammheim
Promotion Tour« gepflegt. Der Ruf der RAF soll den Kult um die Band Landser
bestärken. »Ihr könnt den Sänger in Ketten legen, aber niemals sein Lied«, ist
auf der Rückseite zu lesen. Die neueste CD der Landser, auf der Sänger Michael
»Lunikoff« Regener den entsprechenden »Stuttgart-Stammheim-Blues« singt, ist
ebenfalls erhältlich.
Die Band Landser wurde im Dezember 2003 vom zweiten Strafsenat des Berliner
Kammergerichts als kriminelle Vereinigung eingestuft, Regener wurde zu einer
Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die antisemitischen,
rassistischen und nationalistischen Hetztiraden der Band genießen nach
Einschätzung des Berliner Antifa-Archivs Apabiz Popstatus. Lieder der Landser
wurden in Brandenburg bereits von jugendlichen HipHoppern nachgespielt, das
Merchandising mit Basecaps oder Front- und Heckscheibenaufklebern für Autos
läuft weiter.
Die Landser nennen sich auf ihrer neuen CD »Die Lunikoff-Verschwörung«. Regener
arbeitet auf der CD mit dem Titel »Die Rückkehr des Unbegreiflichen« an seinem
Ruf als Popstar und Outlaw. CDs der Landser sind »im Laden nicht zu haben, aus
dem Radio verbannt und dennoch kennt uns jeder im deutschen Vaterland«, singt er
im Lied »Nr.1 in den Charts«. Regener klagt über untreue Kameraden und zählt
sich zu den »Jungs fürs Grobe«. »Jesus konnte angeblich übers Wasser gehen. Ich
geh über Leichen.« Dieses Zitat aus dem Lied »Über Leichen« ziert auch das neue
Band-Shirt, das es bei h8store zu bestellen gibt. h8store tritt auch als Sponsor
der Internetseite des Freien Widerstandes auf und vertreibt die dazugehörigen
T-Shirts mit dem von der Antifaschistischen Aktion abgekupferten Symbol.
Neben der neuen Toleranz gegenüber bisher szeneuntypischen Modestilen und der
poppigen Verpackung des Antisemitismus, der Totalitarismustheorie und einer
rechten Kapitalismuskritik ist es der extremen Rechten inzwischen auch gelungen,
selbst in den modischen Alltag einzudringen. Mit Runensymbolik und Norwegerfahne
gelang der Bekleidungsmarke Thor Steinar ein kometenhafter Aufstieg. Seit
Oktober 2002 ist die Marke angemeldet. Die Mediatex GmbH aus Zeesen in
Brandenburg vertreibt die Pullover und T-Shirts mit dem Thor-Steinar-Schriftzug.
Die darauf verwendete Runenkombination ähnelt stark dem Symbol des
Thule-Seminars, eines Zusammenschlusses rechtsextremer Ideologen, der Vorträge
organisiert und Schriften publiziert. Über den anfänglichen Vertrieb in der
rechten Szene wie durch den Hamburger TTV-Versand oder den Chemnitzer
Backstreetnoise-Vertrieb hinaus ist es mittlerweile gelungen, die Marke Thor
Steinar auch in den Auslagen gewöhnlicher Bekleidungsläden unterzubringen.
Wie mit dem kulturellen Übergriff der Rechten umzugehen sei, wird inzwischen in
dem vom Apabiz
initiierten Internetforum »turn it down!« diskutiert. Interviews mit
Konzertveranstaltern über ihren Umgang mit dem Problem, Informationen zu rechten
Bands und Hintergrundtexte zum Thema sind auf der Internetseite abrufbar.
Auch die Kampagne
»Good Night White Pride«, in der sich Bands,
Clubs und Agenturen der Hardcore- und Punkszene zusammengetan haben, um dem
Problem der Anwesenheit von Neonazis in der Szene zu begegnen, soll neu belebt
werden. Dafür ist es allerdings höchste Zeit, denn die Rechten haben die
Kampagne bereits unter dem Motto »Good Night Left Side« kopiert.
Weitere Informationen unter:
www.turnitdown.de
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