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Nazis im Internet:
Mit den Händen formen

Neonazis sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Ihre Internetseiten belegen das...

Robert Jackopp

Leverkusener Aufbruch

Wenn die Nacht am tiefsten ist, wissen auch deutsche Neonazis nicht mehr weiter. In ihrem Oberstübchen rumort es gewaltig, aber was es ist, wissen sie nicht so recht. Der Naziverein Leverkusener Aufbruch zum Beispiel ist schon ganz verzweifelt: »Wer soll uns führen und vor allem, wohin soll man uns führen? Gibt es eine ultimative Weltanschauung, eine allgemeingültige Wahrheit, eine Generallinie?« Zweifel is in the house.

Aber nicht nur die großen Grundsatzfragen, sondern auch feinsinnigere werden gestellt: »Ist Homosexualität eine Krankheit, eine Perversion, ein Verbrechen?« Ja, wer solch knifflige, spitzfindige Fragen auf Anhieb fachlich korrekt zu beantworten wüsste!

Jedenfalls beginnt man, sich Fragen zu stellen. Wer, wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm. Keine klare Marschroute ist derzeit vorhanden, kein Identitätsbums findet sich, an dem man sich festklammern kann, und ein ordentlicher Führer, der den jungen Leuten vom Leverkusener Aufbruch rasch beibiegen könnte, wo’s langgeht, ist auch weit und breit nicht in Sicht.

So müssen sie also eingestehen, dass sie in der Tat »keine unumstößlichen, absoluten Antworten auf jene mitunter quälenden Fragen« anbieten können. Allerorten Orientierungslosigkeit, Unsicherheit, Verwirrung. Was ist bloß geschehen? Wie kann man helfen? Wo man markige Sprüche und zünftiges Haudraufgebrüll erwartet hat, ist plötzlich von »Resignation« und »mehr oder minder demonstrationsmüden Gliedern« die Rede.

Erschöpfung und Überdruss bleiben da nicht aus: »Das Ergebnis sind enttäuschte, desillusionierte Volksgenossen. Denn es ist ja die Natur des Menschen und noch mehr die Natur des Deutschen, in Zeiten des Identitätsverlustes und der Orientierungslosigkeit einen festen Halt zu suchen. Einfache Antworten auf komplexe Problemstellungen geben zu können.«

Zweifelsohne hat’s der deutsche Faschist ohne festen Halt und ohne einfache Antworten schwer. Schließlich kannte er sich ja zumindest bisher mit derlei Dingen bestens aus. Was nun?

Deutsche Jugendwacht

Doch wo man auch sonst hinschaut, ist die gesamte Nazijugend anscheinend schon erfasst von einer starken Neigung zu Innenschau und Weinerlichkeit. Auch die Deutsche Jugendwacht, die ja, wie der Name vollmundig verspricht, eigentlich ihre schützende Hand über die deutsche Jugend halten sollte, blieb am vergangenen Weihnachtsfest traurig und verstockt zuhause hocken. In den »Gedanken zur Weihnacht« heißt es: »Für uns beginnt nun die Zeit des Sehnens und Hoffens. Statt, wie sonst, hinauszujagen in die Natur, bleiben wir doch oft daheim und gehen all den Dingen nach, für die man sonst kaum Ruhe findet.« Und was tun sie da? Heidegger lesen? Ringelpiez mit Anfassen ausprobieren? So was Ähnliches oder eine Mischform aus beidem, muss man wohl vermuten: »Der eine beginnt mit den Händen zu formen, der andere hängt Gedanken hinterher, dem Formenden die Arbeit zu erleichtern. Andere wiederum entdecken den Philosophen, den Dichter in sich, kurz: jeder spürt sich selbst am stärksten im Jahreslauf, weil er sich selbst viel inniger betrachtet.«

Daheim bleiben, Besinnlichkeit, Sehnsucht, Ruhe, Einkehr, Kontemplation, mit den Händen formen. Das klingt eher nach Daumenlutschen, Teestube und Töpferwerkstatt als nach Manneszucht und Schlachtgebrüll. Verbirgt sich etwa auch im gemeinen Neonazischergen das sensible, zärtlichkeitshungrige Kind? Ist manch ein Neonazi in Wirklichkeit ein stiller, bescheidener Däumchendreher und Melancholiekloß, der auf dem heimischen Flokatiteppich hockt und heimlich Gedichte schreibt? Neue deutsche Innerlichkeit jetzt auch unter Rechtsextremisten? Wo soll das noch hinführen?

Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF)

Auch die Nazifrauen wollen da nicht abseits stehen. Nicht etwa pflichtschuldigen Beischlafdienst und die Herstellung reinrassigen Nachwuchses haben sie im Kopf, wie sich das gehörte. Während ihre Männer offenbar resignieren, machen sie sich eine Gaudi, berichten von albernen »Schattenspieldarbietungen, Fahnenschwingen und Volkstanz« und haben nichts Besseres zu tun, als sich stolz als kostenlose Hilfstruppe dem Umweltministerium anzudienen: »Wir erlebten gemeinsam viele schöne Stunden, so sammelten wir im nahe gelegenen Wald in eingeteilten Gruppen Müll und übergaben die dutzenden Tüten, wie vereinbart, dem Ordnungsamt. Das ›außergewöhnlichste‹ Stück Müll wurde ›prämiert‹, man findet wirklich die haarsträubendsten Dinge im Wald! Gleichzeitig sammelten wir Naturmaterialien, um später hieraus etwas Schönes zu basteln.«

Von »bunten Abenden«, »Plaudern«, »Quasselrunden«, lustigem Beisammensein und allerlei »Bastelstunden« wird freimütig geplappert, obwohl in der Abteilung »Brauchtum« deutlich gemahnt wird: »Leere Töpfe klappern, leere Köpfe plappern.« Wenn ausnahmsweise mal nicht fanatisch gebastelt oder stramm in der Gegend herumgestanden wird, aalt man sich träge und müßig »einen ganzen Tag bei strahlendem Sonnenschein unter freiem Himmel« und ist stinkfaul. Auch hier also Enttäuschung auf der ganzen Linie.

Kameradschaft Tor

Wendet man sich nun aber wieder den Herren zu in der Hoffnung, wenigstens hier walte noch Zackigkeit, liest man verbittert von »Festen« und schon wieder von »Tänzen, die man aus Anlass dieser Feste tanzt. Oftmals kann man Äußerungen von Kameraden hören, dass z.B. Volkstanz oder Ähnliches nichts für revolutionäre Aktivisten ist. Diese Meinung teile ich überhaupt nicht.« Was ist mit unseren Neonazis los? Degenerieren sie zu einem verweichlichten Haufen von Stubenhockern und Tanzbären? Und zu allem Übel werden auch hier in der »Mädelecke« alberne »Bastelideen« aufgelistet.

Eins sei wenigstens den Buben in der Bewegung verraten: So wird das nichts. Mit Springen, Trällern, Hopsen und Extrembasteln ist noch nie ein Sieg im Volkskrieg errungen worden. Man muss sich Sorgen machen. Wenn nicht bald was passiert, ist Deutschland verloren.

Jungle World
Jungle World Nummer 23 vom 26.05.2004

kt / hagalil.com / 2004-05-26

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