Nicht immer fällt einem das Lächeln leicht. In
Ostwestfalen erhielten im März 28 Personen aus der Antifa-Szene Vorladungen zum
Foto-Shooting. Der Staatsschutz ermittelt dort nach Anzeigen von Neonazis gegen
Linke. Der Anwalt Werner Robbers findet das »unangemessen« und legte für einige
der Betroffenen Widerspruch gegen die Behandlung ein. Jetzt muss die
Bezirksregierung in Detmold über die Zulässigkeit entscheiden.
»Ein Aspekt der erkennungsdienstlichen
Behandlung ist die Abschreckung«, erklärt der Leiter des Bielefelder
Staatsschutzes, Dirk Butenuth, seinen Wunsch nach Fotos und Fingerabdrücken von
ostwestfälischen Antifas. »Wir gehen davon aus, dass sich, wenn jemand wegen
solcher Taten bekannt ist, die dann nicht wiederholen«, beschreibt er die Logik
seiner Behörde.
Die Taten, die die Vorladung zur
erkennungsdienstlichen Behandlung nach sich zogen, wurden im vergangenen Oktober
begangen. Damals blockierten etwa vierzig Antifas friedlich den Parkplatz des
Collegium Humanum in Vlotho. Rechtsextreme erstatteten Anzeigen wegen Nötigung,
der Staatsschutz ermittelt zudem wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
»Weil die Demonstration nicht angemeldet war, sahen sich zwei Streifenwagen über
dreißig Demonstranten gegenüber. Sie waren in diesem Fall nicht in der Lage, die
Zufahrt zu gewährleisten«, klagt Butenuth. Wäre der Protest angemeldet gewesen,
hätte man seiner Meinung nach eventuell auch eine symbolische Blockade
durchführen können. »So eine Minute oder vielleicht auch fünf«, schwebt dem
Staatsschützer vor.
Die Antifaaktivisten blockierten aber lieber
drei Stunden lang die Zufahrt zu einem Seminar von Horst Mahler. Er ist häufiger
in der rechtsextremen Bildungsstätte zu Gast, die 1963 von dem Nazi Werner Georg
Haverbeck gegründet wurde. Haverbeck war bereits 1929 Mitglied der Reichsleitung
der Studentenschaft der NSDAP, 1933 ernannte ihn Rudolf Hess zum Leiter der
»Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit«. Seit den achtziger Jahren ist das
Collegium Humanum Treffpunkt für Rechtsextreme. Sowohl so genannte
intellektuelle Rechte, wie Mahler und andere Revisionisten, als auch Angehörige
der so genannten freien Kameradschaften veranstalten in dem Gebäude Seminare und
Schulungen. Rechtsrockkonzerte mit Bands wie Sleipnir runden das Angebot für den
gemeinen Alt- oder Neonazi ab.
Auch der nordrhein-westfälische
Verfassungsschutz kennt die Einrichtung in Vlotho. »Neben wiederholten Treffen
bekannter Neonazis aus dem ostwestfälischen Raum veranstaltete 2003 unter
anderem der nationalrevolutionär ausgerichtete Intellektuellenzirkel ›Deutsches
Kolleg‹ (DK) mit Horst Mahler als Referent diverse mehrtägige Seminare in
Vlotho«, verrät der Verfassungsschutzbericht 2003.
Gegen eines dieser Seminare richtete sich die
Demonstration, die jetzt die Vorladungen für die Antifas nach sich zog. Im
Verfassungsschutzbericht taucht auch die Zeitschrift des Collegiums auf, die
Stimme des Gewissens. Wegen Volksverhetzung beschlagnahmte die
Staatsanwaltschaft Bielefeld im November zwei Ausgaben der Zeitschrift, unter
anderem wird in ihnen der Holocaust geleugnet.
Die Leugnung des Holocaust ist eine Spezialität
der Klientel des Collegiums. So wurde am 9. November 2003, dem Jahrestag der
Pogromnacht, in Vlotho der »Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens
des Holocaust Verfolgten« gegründet. Die Liste der Gründungsmitglieder liest
sich wie ein Who’s Who der internationalen Holocaustleugner. Neben dem
Rechtsterroristen Manfred Röder finden sich da Ernst Zündel, der »Deutsche
Liedersänger« (Pressemitteilung des Vereins) Frank Rennicke, Germar Rudolf und
Gerd Honsik.
Und natürlich Horst Mahler. Er war auch dabei,
als mehrere »Reichsbürger«, unter ihnen die Leiterin des Collegiums, Ursula
Haverbeck-Wetzel, am 30. Juli 2003 zur Wartburg fuhren, um dort bei einer
Kundgebung »die Stimme für die Wahrheit zu erheben«. Auf einem der Transparente,
die bei der Aktion gezeigt wurden, war zu lesen: »Den Holocaust gab es nicht.«
Eigentlich sollte die Veranstaltung in Auschwitz stattfinden, ein Ausreiseverbot
für Mahler verhinderte das.
Dirk Butenuth findet es grundsätzlich
anständig, wenn Bürger gegen dieses Treiben aufstehen: »Die Ziele unterstützen
wir absolut. Es ist gut, wenn man sich gegen Rechtsextremismus engagiert«, lobt
er. Trotzdem besteht er auf der erkennungsdienstlichen Behandlung der Antifas.
»Wir haben Strafverfolgungszwang, wir müssen die Leute identifizieren, und mit
den Fotos hätten wir über Videomaßnahmen bei Demonstrationen die Möglichkeit
dazu«, sagt Butenuth.
Die Betroffenen wehren sich aber nicht nur
deshalb gegen die Maßnahme. Sie haben auch Angst, dass ihre Daten bei Neonazis
landen. Denn die Polizei gibt die Akten an die Staatsanwaltschaft weiter. Sollte
diese ein Verfahren eröffnen, hätten die Anwälte der genötigten Rechtsextremen
Akteneinsicht und bekämen so die Daten der Antifas.
Dass die Anzeigen eine Strategie der
Anti-Antifa der Rechtsextremen sind, zeigen Vorkommnisse in der Region Aachen.
Dort kam es im vergangenen Jahr nach Angaben der antifaschistischen Zeitschrift
Lotta zu fünf Hausdurchsuchungen bei
Antifas wegen Anzeigen von Neonazis. Später marschierten Rechtsextreme vor dem
Wohnhaus eines Aktivisten auf und demolierten sein Auto. Auch in Dresden waren
Anzeigen von Neonazis Auslöser für Ermittlungen des Staatsschutzes (Jungle
World 15/2004).
Butenuth aber glaubt nicht an eine Gefährdung der linken Aktivisten. »So eine
Anti-Antifa haben wir hier ja gar nicht«, sagt er. »Die Szene, die wir hier im
Collegium Humanum vertreten haben, ist eigentlich bisher nicht dadurch in
Erscheinung getreten, dass sie andere Leute bedroht oder Körperverletzung zum
Nachteil anderer Leute begeht«, wiegelt er ab. So ganz stimmt das aber nicht:
Der Anführer der freien Kameradschaften in der Region, Bernd Stehmann, wurde
erst im März wegen eines Angriffs auf einen farbigen Jugendlichen zu einer
Geldstrafe verurteilt.