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Judentum und Israel
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OSZE-Antisemitmus-Konferenz:
Medienshowdown auf der Antisemitismuskonferenz

Eine Antisemitismuskonferenz in Berlin ist wie eine muntere Diskussion über den Strick am Runden Tisch des Henkers. Aber das muss ja nicht unbedingt auffallen. Oder man brüstet sich gar damit, dass heute, rund 60 Jahre nach der Shoah, ein solches Mega-Event gerade in Berlin stattfinden kann...

Carlos Kunze

Eine Antisemitismuskonferenz in Berlin ist wie eine muntere Diskussion über den Strick am Runden Tisch des Henkers. Aber das muss ja nicht unbedingt auffallen. Oder man brüstet sich gar damit, dass heute, rund 60 Jahre nach der Shoah, ein solches Mega-Event gerade in Berlin stattfinden kann. Schließlich hat die demokratische Läuterung dieses unseres Vaterlandes und seiner Bevölkerung so durchschlagend funktioniert, dass Synagogen und andere jüdische Einrichtungen mit Polizeischutz versehen werden müssen.

Nix wie hin also zur Konferenz. Weil ein solches Treffen als anschlagsrelevantes Ziel Nummer eins für al-Qaida, Nazis und ähnliche Sympathieträger gilt, ist für reichlich Sicherheit gesorgt. Einchecken unter dem beifälligen Gepiepse der Metalldetektoren im Bundespresseamt, ab in die Tiefgarage, rein in den Shuttlebus, und ab in Richtung Auswärtiges Amt (AA), wo die Konferenz stattfindet. Lalü! Eskortiert werden wir von einem polizeilichen PKW mit Blaulicht. Durch Straßen mit Wannen, mit Räumpanzern, mit allem, was ein Polizistenherz begehrt. Ein soft target ist die Konferenz auf keinen Fall. Aber es werden ja auch noch der israelische Präsident Moshe Katsav und US-Außenminister Colin Powell in der Stadt erwartet.

Wo wird diskutiert? Im Weltsaal des AA. Aber da darf ich nicht rein. Der ist nur für Teilnehmer der Konferenz, nicht für Medienfuzzis wie mich. Denen steht der Europasaal zur Verfügung. Vorne ein großer Tisch, dahinter ist ein großes, blaues Transparent aufgespannt: Der Bundesgeier, daneben ein schwarz-rot-goldener Balken und das AA-Logo. Und ganz groß in weißer Schrift: »OSCE-Conference against Antisemitism«. In der rechten Ecke des Saals ein großer Bildschirm. Auf dem wird die Konferenz übertragen. Hinten einige Reihen von Arbeitsplätzen mit Stromanschluss. Dort tippen 20 Journalisten wild auf ihren Laptops vor sich hin.

Links, an der Längsseite des Saals unter den Fenstern liegt tonnenweise Infomaterial aus. Die 55 OSZE-Staaten sind eingeladen, da müssen mindestens 55 Grußadressen her. Zum Beispiel die des türkischen Botschafters Ömür Orhun, permanenter Repräsentant der Türkei bei der OSZE. »Das gewünschte Level von Respekt und Harmonie«, heißt es darin, »kann nur erreicht werden, wenn ein starker politischer Wille existiert. Zusätzlich ist eine aktive Einbeziehung der Zivilgesellschaft ein Muss.« Ein »starker politische Wille« war im türkischen Staat selten zu vermissen, auch wenn er regelmäßig anderen Objekten der Begierde galt als Antisemiten. Aber, so mögen Hoffnungsfrohe denken, warum sollte sich auch das nicht ändern lassen? Mein Optimismus hält sich in engen Grenzen.

Kritisches gibt’s auch. Zum Beispiel eine Presseerklärung vom Forum unabhängiger Muslime e.V., »für den Vorstand Irmgard Pinn«. Darin finden sich nützliche Vorschläge zur Bekämpfung des Antisemitismus: etwa ein »Diskussionsprozess«, »in dem Muslime als ebenbürtige Partner einbezogen sind und wo die Diskriminierung von Muslimen in der hiesigen Gesellschaft ebenso ein Thema ist wie die Rechte der Palästinenser auf eine menschenwürdige Existenz und einen eigenen Staat, der mehr ist als ein zersplittertes israelisches Protektorat (›Bantustan‹)«. Diskriminierung und »Bantustan« sind für Antisemitismus verantwortlich? Interessante These, wenngleich vielleicht noch nicht ganz ausgereift.

Draußen ist eine Demo zur Konferenz. Mit der soll auf die Friedrich-Ebert-Konferenz in Beirut verwiesen werden, so eine Art Anti-Heuchler-Demo also: hier einen auf Anti-Antisemitismus machen, dort mit Islamisten rumkungeln. Da komm ich aber nicht hin. Das hieße, glaubt man den Securities, zurück mit dem Shuttlebus zum Bundespresseamt, auschecken, Demo gucken, wieder Filze und einchecken, Shuttlebus zum AA. Bis dahin ist die Woche rum. Dumm gelaufen.

Über den Großbildschirm flimmern die Debattenbeiträge der Konferenz. Öde Sache. Ein bisschen Bewegung könnte nicht schaden. Auf zum Bildtermin mit Colin Powell. Die Kameras sind aufgebaut. Da kommt er. Kurzes Lächeln, Blitzlichtgewitter, und Powell verschwindet im Stresemannsaal. »Eine der gehaltvollsten Reden, die er je gehalten hat«, spöttelt ein Typ im Anzug. Ich treffe einen NGO-Bekannten. »Was geht ab da drinnen?« »Allgemeine Statements, wenig Kritisches«, sagt er. »Immerhin wollen sie nach außen klar machen, dass etwas geschieht.« Problembewusstsein schaffen nennt man das wohl.

Gemeinsamer Auftritt von deutschem Außenminister und spanischem Gegenpart, dem neuen sozialistischen Amt- und Würdenträger Moratinos. Zwei, drei Fragen sind auch zugelassen. Da kommt die Realpolitik ins Spiel. »Was ist mit der deutsch-französisch-spanischen Initiative zum Irak?« will ein Journalist wissen. »Existiert nicht«, sagt Moratinos. »Kann ich bestätigen«, sagt Fischer.

Danach ist ein Auftritt von Fischer mit Powell vorgesehen. Eine gute Stunde lang passiert nichts. Ein weißhaariger US-amerikanischer Journalist diktiert über Handy einen Artikel. »Israel … poison, I repeat, poison …« dringt durch das Grundgemurmel im Raum. Kann sich nur auf die brillante Analyse der israelischen Politik – »großes Gift« – durch den UN-Sondergesandten für den Irak, Lakhdar Brahimi, beziehen. Endlich kommen Fischer und Powell. Machen ein Gesicht, als hätten sie gerade einen Liter Essig getrunken. Ein langes bilaterales Gespräch über den Nahen Osten und den Irak hätten sie geführt, sagt Fischer. Das erklärt einiges.

Schluss für heute, am nächsten Tag geht’s weiter.

Die US-amerikanische Delegation nimmt an dem großen Tisch vorne im Europasaal Platz. Ganz schön groß, die Delegation – von Vertretern diverser jüdischer NGO bis zu Staatsoffiziellen. Hier ist mehr Raum für Fragen als bei den stake outs am Vortag. Zum Beispiel für diese: Gab es Druck von so genannten islamischen Ländern, dass in den offiziellen Erklärungen der Konferenz islamischer Antisemitismus keine Erwähnung findet, wie es Abraham Foxman von der Anti-Defamation League kritisierte? Die Antwort: Der islamische Antisemitismus wurde in diversen Stellungnahmen erwähnt. Nicht rundum befriedigend, die Antwort. Aber man will sich offenbar in Diplomatie üben.

Für den ultimativen medialen Showdown steigt Fischer erneut in den Ring. Diesmal mit dem bulgarischen Außenminister Solomon Passy, der den Vorsitz über die Konferenz führt. Passy überreicht Fischer den gelben Stern, den sein Großvater im Zweiten Weltkrieg tragen musste. Fischer ist gerührt. Nimmt man ihm sogar ab. Soll ja vorkommen, dass Staatsmänner Gefühle zeigen. Auch wenn das integraler Bestandteil seiner Rolle als ideeller deutscher Gesamtdemokrat ist, die Fischer auf der Konferenz verkörpert. Die Konferenz ist damit am Ende.

Der Antisemitismus nicht. Tags darauf werden auf dem jüdischen Friedhof Hattstatt-Herrlisheim nahe dem elsässischen Colmar 127 Gräber mit Haken- und keltischen Kreuzen beschmiert. »Juden raus«, »Sieg für unseren Führer« wurde gesprüht. Eine Stele, auf der ein jüdisches Gebet eingraviert ist, wurde nach Angaben der Polizei mit einer deutschen Flagge eingehüllt. Das Elsass hat sich zum Anschluss qualifiziert.

weitere Artikel zur Konferenz :

Der Staat wird’s schon richten

"Man musste klar reden"

OSCE-Conference on Anti-Semitism

"Es gibt eine neue Judenfeindschaft"

Jungle World
Jungle World Nummer 20 vom 05.05.2004

kt / hagalil.com / 2004-05-05

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