Wir, ein paar Leute vom
Apabiz - dem antifaschistischen
Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. - , beschäftigen uns seit langem
mit rechter Jugendkultur/rechter Musik. Zusammen mit Leuten aus verschiedenen
Musikszenen entstand die Idee zu Turn it down. Für diese Homepage erhielten wir
2003 eine finanzielle Förderung von D-A-S-H (http://d-a-s-h.org),
die weitere Finanzierung ist derzeit noch unklar.
Hintergrund
In den 90er Jahren ist in Deutschland die
weltweit größte rechtsextreme Musikszene entstanden. Unzählige Bands,
Plattenlabel, Versände und Läden versorgen den Markt. Die Reaktionen auf diese
Entwicklung schwanken oft zwischen Hilflosigkeit und dem Ruf nach staatlichen
Verboten. Das Projekt turn it down! will linke Jugendkultur stärken und dabei
helfen, RechtsRock den Saft abzudrehen.
Die Bedeutung des RechtsRock für die
bundesdeutsche Neonazi-Szene ist oft beschrieben und analysiert worden und seit
Jahren ein Schwerpunkt auch im apabiz. In einer Vielzahl von Publikationen und
Vorträgen wird über diesen wohl dynamischsten Bereich des Rechtsextremismus
aufgeklärt und versucht, Gegenaktivitäten zu unterstützen. Sowohl für
Jugendliche und MusikerInnen, aber auch für Konzertveranstalter, LehrerInnen
oder MitarbeiterInnen von Jugendclubs ist es nicht immer einfach, die Bands
einzuordnen oder einen realistischen Eindruck von Jugendszenen zu bekommen. Oft
sind relevante Informationen nur in den einschlägigen Publikationen zu finden
und erfordern eine intensive Beschäftigung mit der Szene.
Die Ausdifferenzierung der rechtsextremen
Jugendkulturen tragen weiter zur Verwirrung bei: Konzerte »unpolitischer« oder
sogar eher »linker« Bands werden immer häufiger auch von Nazis besucht. Neben
den eindeutig rechtsextremen Bands gibt es beispielsweise in der Oi- und
Hardcore-Szene eine Grauzone, in der eine eindeutige Zuordnung oft nicht möglich
ist. Rechte Musik bedient sich vieler Musikstile und lässt sich nicht auf eine
Musikrichtung festlegen. Das Versteckspiel der rechtsextremen Szene zeigt sich
hier genauso wie bei den verwendeten Symbolen oder Parolen.
In dieser Situation alleine auf noch mehr
Aufklärung zu setzen, reicht nach unserer Erfahrung nicht aus. Verschiedene
Initiativen haben regional oder mit Blick auf »ihre« musikalische bzw.
subkulturelle Szene Beispiele gegeben, wie der Einfluss der extremen Rechten
zurück gedrängt werden kann: durch eine deutliche und laute Alternative gegen
Rechts!
Dabei finden medienwirksame Rock gegen
Rechts-Events in der Regel statt, wenn die Öffentlichkeit durch brutale rechte
Übergriffe aufgerüttelt worden ist und die Diskussionen die Titelseiten der
Tageszeitungen füllen. Die üblichen Verdächtigen und prominente Musiker
schließen sich zusammen, geben Benefizkonzerte und spielen eventuell noch eine
CD ein. Vielen Basisinitiativen haben diese Events mit Sicherheit den Rücken
gestärkt und nicht zuletzt eine geile Party ermöglicht. Wie sieht aber das
Engagement für eine alternative Jugendkultur an den restlichen 364 Tagen im Jahr
aus? Gerade in der Provinz kämpfen die Initiativen oft mit bornierten Politikern
um jeden Cent für ihre Arbeit, Räume werden gekündigt oder alternative
Jugendliche mit den Nazi-Schlägern gleich gesetzt.
Das Projekt turn it down will die guten
Erfahrungen die vielerorts gemacht wurden weiter entwickeln. Zum einen muss das
Wissen über die RechtsRock-Szene noch mehr verbreitet werden. Dabei ist klar,
dass beispielsweise Konzertveranstalter andere Fragen haben als Lehrer, die
vielleicht in ihrer Klasse dazu arbeiten wollen. Die Medien - und noch mehr die
lokale Politik - müssen mit der Nase auf die Tatsachen gestoßen werden.
Andererseits kann turn it down ein Forum für eine offene Auseinandersetzung
bieten: Viele Leute aus den diversen Szenen wissen oft sehr gut, was vor Ort
auch hinter den Kulissen passiert. Ihre Kritik an Konzertveranstaltern, die sich
mit rechten Bands arrangieren, oder an Versänden, die auf unpolitisch machen,
ist oft schärfer, als manche vermuten. Hier ist ein Austausch notwendig und
förderlich.
Vor allem aber will turn it down die Vernetzung
all derer voran bringen, die ganz einfach keinen Bock auf Nazis in ihrer Szene
haben, sondern mit Spaß und ohne Ausgrenzung nette Konzerte, Partys, Feste oder
was auch immer organisieren und erleben wollen. Und das sind nicht nur
antifaschistisch engagierte Jugendliche, sondern viel mehr.
Und auch etliche Labels, Plattenläden,
Versände, Bands, Manager oder Produzenten haben klar gemacht, dass »Gegen
Rechts« für sie mehr ist als eine abgezockte Imagefrage. Unsere Erfahrungen
haben gezeigt, dass ein gemeinsames Interesse da ist, die Leute aber zu selten
zusammen finden. Ein Ziel von uns ist daher, dass das Projekt turn it down die
Zusammenarbeit zwischen lokalen Initiativen und »Kulturschaffenden« verbessert.
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