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[Der Pressespiegel im Klick nach Rechts]

Martin Hohmann:
Das Dilemma der Konservativen

Hintergrund - Der Umgang der Union mit ihrem rechten Rand...

Ulli Jentsch

Die antisemitische Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann hatte nach längerem Gezerre doch Konsequenzen: Der Rechtsaußen wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Gleichzeitig warfen die zahlreichen Medienberichte ein Schlaglicht auf die erzkonservativen Verhältnisse im hessischen CDU-Landesverband, den rechten Rand der CDU sowie den Umgang der Gesamtpartei hiermit: Die Union schwankt zwischen provinziellem Populismus und modernem Konservatismus. Sie spiegelt damit das Grunddilemma der deutschen Rechten wider: Wie deutlich fällt der historische Bezug auf das antidemokratische Denken ihrer historischen Vorgänger aus, der deutsch-nationalen Rechten in der Weimarer Republik?

 

Nicht erst seit den Wahlerfolgen von Ministerpräsident Roland Koch, die u.a. mit der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft einhergingen, muss der hessische Landesverband der Christdemokraten als Rechtsausleger betrachtet werden. Der 2002 verstorbene ehemalige Landesvorsitzende Alfred Dregger galt über Jahrzehnte als erster Repräsentant der sogenannten »Stahlhelm-Fraktion«, dem deutsch-nationalen Flügel der CDU. Der Kriegsteilnehmer war für seinen strammen Antikommunismus berüchtigt und prägte den Wahlkampfslogan »Freiheit oder Sozialismus«. Auch Roland Koch hat seine rechtspopulistischen Qualitäten zu Genüge unter Beweis gestellt. Mal waren es unsägliche Vergleiche mit der NS-Zeit, mal die Ankündigung, die angeblich fehlende »nationale Identität« in Deutschland zum Hauptthema der Bundestagswahl zu machen. Koch integriert bewusst den rechten Rand: Mitte-Rechts-Regierungen seien das beste Mittel gegen Rechtsextremismus, so Koch in einem Interview.(1)

 

Hohmann: »Hoffnungsträger« und Prototyp

 

Dass auch Martin Hohmann auf dem äußersten rechten Rand der Union angesiedelt ist, darüber konnte schon lange vor der nun skandalisierten Rede kein Zweifel sein. Hohmann ist nicht nur ein Repräsentant des Konservatismus, der über seine Sympathien für die Themen der Konservativen Revolution – nationale Identität, Entlastung der deutschen Geschichte, Innere Sicherheit, Anti-Immigration – nie einen Hehl gemacht hat. Er kann sogar als Prototyp eines Politikers beschrieben werden, der als Mittler zwischen dem rechtsextremen Milieu – beispielsweise der Jungen Freiheit (JF) – und dem rechten Flügel der Union tätig ist.(2)

Durch Hohmanns Reden und Artikel zieht sich als roter Faden sein Einsatz für die »Normalisierung« der deutschen Geschichte und gegen die »Künder des rot-grünen Geschichtsprojekts«, in dem »weltweit einzigartig die eigene Nationalgeschichte sisyphusartig auf immer neue Quellen von möglichen Selbstvorwürfen durchpflügt«(3) werde. Er polemisierte im extrem rechten Ostpreußenblatt gegen die Wehrmachts-Ausstellung und stilisiert die »alten Männer« der Wehrmacht zu Opfern der Familie Reemtsma, die »in der NS-Zeit Riesenprofi e gescheffelt« habe. Gegen die Stiftungsinitiative zur Entschädigung für Zwangsarbeiter stimmte der Abgeordnete, weil er seine »persönliche Ablehnung [...] von der Regierung auch als Appell für eine Initiative für deutsche Zwangsarbeiter verstanden«(4) wissen wollte. Martin Hohmann trat gegen das Holocaust-Mahnmal ein und nutzte die Bomben auf Bagdad, um den alliierten Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg anzuprangern. Er forderte die Wiedereinführung des Eisernen Kreuzes als Tapferkeitsauszeichnung für deutsche Soldaten – ein Vorschlag, der sogar von Weltkriegs-Veteranen als »unpassend« bezeichnet wurde.(5)

Aber auch in anderen Bereichen vertritt der Noch-Christdemokrat Positionen und bedient Themen, die sich mit »neurechten« Topoi decken. Sein Fazit der Kampagne gegen den Doppelpass: »Die nationale Karte, vernünftig und moderat gespielt, hat gestochen und den Sieg gebracht. [...] Der normale Deutsche (sic!) macht nicht den langen Weg an den rechten Rand, weil er sich dicht bei der Mitte schon gut aufgehoben fühlt.«(6)

Seine Positionen machten Hohmann zum Autor des Ostpreußenblattes und gern gesehenen Interview-Partner der JF. Dies wiederum führte ihn zum JF-nahen Institut für Staatspolitik. 2001 nahm er hier an zwei Tagungen teil. Die JF berichtete von der 2. Sommerakademie: »Die Anschläge vom 11. September sah Hohmann als neue Chance für ‚rechte’ Themen; in den Bereichen der Inneren Sicherheit und des multikulturellen Großversuchs würden seither konservative Stimmen verstärkt gehört.«(7) Auf dem 3. Berliner Kolleg trug Hohmann die Ergebnisse einer IfS-Studie zur »Nationalen Identität« vor, flankiert von Alexander von Stahl, Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann.

Diese inhaltliche und organisatorische Verflechtung, seine Mitarbeit in den »neurechten« Netzwerken ließ Hohmann als »Hoffnungsträger der jungen Konservativen in der Union« erscheinen,(8) einer Strömung, die fester Bestandteil der CDU ist.

 

Vom Umgang mit einem Dilemma

 

Der Provinzfürsten Hohmann weiß nach wie vor die lokale Basis hinter sich und hat Wahlergebnisse erkämpft, die deutlich über 50 Prozent liegen. Und Martin Hohmann ist nicht der Einzige, der seit Jahren mit dieser Politik gut abschneidet.(9) Der provinzielle Populismus der christlichen Konservativen spricht mit seinen nationalistischen und rassistischen Ressentiments die breite Wählerschicht an. Er ist damit die in Deutschland erfolgreichste Variante des sogenannten Rechtspopulismus (10) – wenn er auch bislang außerhalb des »deutschen Mittelwestens« nicht konsensfähig ist.

Hierin liegt das Dilemma der Parteioberen: Ihre Rechtsausleger sind einerseits die deutlichsten Wahlsieger. Andererseits befinden sich ihre Positionen teilweise im Widerspruch zu den Grundwerten der Union. Martin Hohmanns expliziten Bezüge – z.B. auf das antisemitischen Standardwerk von Henry Ford – stehen in der Denktradition einer deutsch-nationalen und antidemokratischen konservativen Rechten der Weimarer Zeit. Sie kommen den Rückgriffen der sogenannten »Neuen Rechten« auf ideologische Vorläufer des Nationalsozialismus nahe, auf die sogenannte Konservative Revolution. Gerade die Abgrenzung zu diesen Traditionen aber, die auch zu den Totengräbern der ersten deutschen Demokratie gehört hatten, führte nach 1945 zur Gründung der CDU als christlich-demokratischer Partei, deren Führungsriege die Konzentrationslager überlebt hatte. Und eben nicht zu einer konservativen, deutsch-nationalen Partei.

Der Umgang der Union mit diesen Rechtsauslegern ist nach wie vor geprägt von Integration, ohne ihre deutlichsten Vertreter in die erste Reihe vorrücken zu lassen. Gleichzeitig aber ist in den vergangenen 15 Jahren die Grauzone zwischen Union und extremer Rechter größer und unübersichtlicher, die Abgrenzung weniger deutlich geworden. Der Konflikt um Martin Hohmann & Co. und ihre Rolle innerhalb einer christlich-demokratischen CDU ist insofern ein Lehrstück, wie weit es extrem rechte Positionen in der Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft heute bringen können.

Dies wirft einerseits die Frage auf, wer der Nächste sein könnte, der in der Union die meist unsichtbaren Grenzen des guten Geschmacks überschreitet – und sich dabei erwischen lässt. Andererseits wird sich zeigen müssen, ob und wie die Union ihren Umgang der veränderten Situation anpasst. Eine Frage, die für antifaschistische Politik von höchster Bedeutung ist. Schließlich hängen die Räume, Chancen und Möglichkeiten einer extremen Rechten in der bundesdeutschen Gesellschaft ganz wesentlich von der Positionierung der Konservativen hierzu ab.

 

1) Der Tagesspiegel vom 18. Mai 2002.

2) M.H. spiegelt überhaupt die Programmatik des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF) beziehungsweise des Arbeitskreises konservativer Christen (AKC) unter Herbert Gassen wider.

3) Martin Hohmann: »Ein Tiefpunkt der Selbstächtung«. In: Das Ostpreußenblatt vom 8. Dezember 2001.

4) Martin Hohmann: »Warum ich gegen das Stiftungsgesetz stimmen mußte«. In: Das Ostpreußenblatt vom 15. Juli 2000.

5) Junge Freiheit vom 15. März 2002.

6) »Wir sind als CDU jetzt wieder da«. Interview mit M.H. In: Junge Freiheit vom 12. Februar 1999.

7) Ingo Hartmann: »Erfolgreich durch Netzwerke«. In: Junge Freiheit vom 2. November 2001.

8) Das Ostpreußenblatt vom 19. Februar 2000.

9) Die Rechtsaußen-Fraktion der Hessischen CDU, die u.a. die Zusammenarbeit mit den Republikanern suchte, sammelte sich Anfang der 90er Jahre im Petersberger Kreis, der sich ab 1992 dem CKDF zuwandte.

10) Vgl. monitor Nr.8: »Mit Erfolg neu verpackt«.

weitere Artikel zum Thema: Martin Hohmann

APABIZ
Monitor – Rundbrief des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz)Nr.13 vom Dezember 2003

DG / hagalil.com / 2004-04-01

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