PETA:
Hühnchen und Holocaust jetzt in Stuttgart
Ab morgen stehen in der Landeshauptstadt Plakate, auf denen
KZ-Häftlinge neben Schlachtvieh abgebildet sind...
Daniel Schulz
"Absolut
ungeheuerlich", befand der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel.
Deutschlandweit berichteten Presse und Fernsehen ausführlich. Und dennoch gibt
es keinen nennenswerten Protest - am Tag bevor die Tierrechtsorganisation People
for the Ethical Treatment of Animals (Peta) in Stuttgart ihre Kampagne "Der
Holocaust auf deinem Teller" startet. Auf drei mal zwei Meter großen
Plakatwänden werden Fotos von Hühnern und Schweinen in Massentierhaltung neben
Aufnahmen von KZ-Gefangenen gezeigt.
Angekündigt ist
auch der Erfinder der Kampagne, der Amerikaner Matt Prescott. Jude sei er,
darauf weist Peta immer wieder hin und präsentiert Prescott als Kronzeugen
dafür, dass es auch Juden gut finden, wenn KZ-Opfer mit Schlachtvieh verglichen
werden. "Vom Zentralrat haben wir nichts mehr gehört", sagt Harald Ullmann, der
Sprecher des deutschen Zweigs von Peta. Auch gegenüber der taz wollte der
Zentralrat nicht Stellung nehmen. Problemlos lief für Peta die Anmeldung der
Veranstaltung beim Amt für Öffentliche Ordnung in Stuttgart. "Massentierhaltung
und Tierquälerei" lautet der unverdächtigte Titel. "Wir hatten auch gar keine
andere Wahl", erklärt Katrin Lebherz, Sprecherin der Stadt Stuttgart. "Das Amt
hat nicht das Recht zur inhaltlichen Vorkontrolle." Die Stadtverwaltung wird
abwarten, was am Donnerstag passiert. Erst wenn sich Personen angegriffen
fühlen, könnte die Polizei vor Ort prüfen. "Bisher hat es auch noch keine
Beschwerden von linken Gruppen oder der jüdischen Gemeinde gegeben", sagt
Lebherz. Die Stuttgarter würden das Thema aber durchaus im Internet diskutieren.
Ein Sprecher des Ministeriums für Landwirtschaft und Tierschutz sagte der taz,
es sei "natürlich abscheulich, wenn Tierschützer den Holocaust für ihre Zwecke
instrumentalisieren." Aber tun könne man nichts.
Die KZ-Bilder
stammen aus dem Washingtoner Holocaust-Museum. Dessen Mitarbeiter waren
entsetzt, als sie von der Kampagne erfuhren. "Wir fühlen uns getäuscht", sagte
Museums-Sprecher Arthur Berger bereits im Dezember 2003 der taz. Im Museum habe
man nicht damit gerechnet, dass die Bilder für eine derartige Kampagne verwendet
werden sollten. Dennoch tourte die Ausstellung durch Amerika. Weil sich jüdische
Verbände empörten, warb Peta mit angeblich jüdischen Unterstützern.
In Europa sollen
die Holocaust-Plakate ebenfalls reisen - durch elf Großstädte. Kaum ein
Tierschutzverein verurteilte die Kampagne bisher öffentlich. Vegetarier und
Veganer hielten sich mit Kritik ebenfalls zurück - aus Angst, die eigenen
Anhänger zu verprellen. Stuttgart ist die einzige deutsche Stadt, in der die
Plakate zu sehen sein werden. Peta reist dann unter anderem nach Zürich,
Mailand, Zagreb und Amsterdam.
Peta ist schon vor
Beginn der Kampagne mit dem Ergebnis zufrieden. "Wir haben viele Leute
aufgeweckt", sagt Ullmann. "Durch die Berichterstattung über unsere Plakate
interessieren sich jetzt sehr viele Menschen für vegane Ernährung."
Auch eine bundesweite Unterschriftensammlung von Bioläden gegen die Kampagne von
Peta war nicht allzu erfolgreich. Ein paar hundert Unterschriften zählten die
Initiatoren vom Berliner Bioladen Kraut & Rüben und schickten sie an Peta. "Wir
nehmen die Zuschriften ernst", sagt Harald Ullmann. "Aber sehr große Ablehnung
schlägt uns offensichtlich nicht entgegen."
die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 17.05.2004
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/ 2004-03-17
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