Landtagswahl in Kärnten:
Freiflug zum Sieg
Bei den Kärntner Landtagswahlen am 7. März gibt es auf
jeden Fall eine Überraschung. Eigentlich müssten die Wähler ihren
Landeshauptmann Jörg Haider zum Teufel schicken...
Hito Steyerl
Bei den Kärntner Landtagswahlen am 7. März gibt es
auf jeden Fall eine Überraschung. Eigentlich müssten die Wähler ihren
Landeshauptmann Jörg Haider zum Teufel schicken. Eine Wiederwahl wäre ein
Skandal, seine zweite Amtszeit war geprägt von Ressentiment und Revisionismus.
In Erinnerung blieben u.a. die Hetzreden Haiders gegen den Präsidenten der
Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, oder seine wiederholten Besuche
bei dem irakischen Diktator Saddam Hussein. Nicht zuletzt wegen Haiders Rolle am
Ende der ersten schwarz-blauen Regierung verlor die Partei fast die Hälfte ihrer
Wähler.
Als Haider in einem Interview Saddam und den
amerikanischen Präsidenten George W. Bush miteinander verglich, schien seine
politische Karriere beendet. Als Reaktion auf diesen Vergleich kündigten die
Kärntner Landesvorsitzenden von ÖVP und SPÖ an, seine Wiederwahl als
Landeshauptmann keinesfalls mehr unterstützen zu wollen.
Dennoch wäre die Abwahl Haiders, der mit einer
kurzen Unterbrechung seit sieben Jahren in Kärnten regiert, eine fast
sensationelle Überraschung. In den letzten Wochen des Wahlkampfs holte die FPÖ
nämlich kräftig auf und liegt derzeit in Umfragen mit 38 Prozent nur um einen
Prozentpunkt hinter der führenden SPÖ. Das bedeutet einen Zuwachs von 9
Prozentpunkten innerhalb der letzten Wochen – Tendenz steigend. In der
Wählergunst völlig abgestürzt ist die ÖVP, der etwa 16 Prozent vorhergesagt
werden.
Wie immer absolviert Haider im Wahlkampf sein
übliches Repertoire aus Beleidigung von Minderheiten, Versprechen von
Geburtenprämien und Mütterpensionen und Ausfällen gegen EU und Osterweiterung.
So führt die FPÖ-Wahlkampfbroschüre als Haiders großes Verdienst an, dass er die
Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln verhindert habe. Die vom
österreichischen Verfassungsgerichtshof beschlossene Maßnahme wurde in Kärnten
bis auf den heutigen Tag nicht realisiert. Vertreter der slowenischen Minderheit
protestierten daraufhin und bezeichneten Kärnten als Bananenrepublik.
Die Wähler scheint das alles aber nicht
abzuschrecken. Ganze 41 Prozent würden Haider bei einer Direktwahl zum
Landeshauptmann wählen. Damit diese Zahl noch steigt, verteilen blaue
Regierungsmitglieder derzeit freigiebig Geschenke. Neben 1 000 Flugtickets nach
Deutschland gibt es auch 30 000 Sicherheitswesten.
Ob Haider abgewählt wird oder nicht, wird sich aber vermutlich nicht am 7. März
entscheiden, sondern im Parteiengerangel nach der Wahl. Da nach den bisherigen
Umfragen keine Partei im Alleingang ihren Kandidaten durchbringen kann, könnten
sich hier interessante Konstellationen ergeben. Die ÖVP hat bereits angekündigt,
weder Haider noch einen SPÖ-Kandidaten zu unterstützen. Ein anderer
FPÖ-Landeshauptmann hingegen käme für sie durchaus in Frage. Die Grünen liegen
in den Umfragen derzeit bei etwa sieben Prozent, für die Rolle als Zünglein an
der Waage wäre dieses Ergebnis zu wenig. Dass FPÖ und SPÖ gegenseitig ihre
Kabinettskandidaten unterstützen könnten, wird bisher kategorisch dementiert. Um
einen Landeshauptmann küren zu können, muss also mindestens eine Partei
umfallen. Wahrscheinlich ist, dass es gleich mehrere Parteien sein werden, die
sich an ihre Zusagen vor der Wahl nicht mehr erinnern können.
Jungle World
Jungle World Nummer 11 vom 03.03.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-03-03
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