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Bochum:
Hass im Pott

In Bochum wollen Neonazis gegen den Bau einer Synagoge aufmarschieren. Das Vorhaben reiht sich ein in eine Serie antisemitischer Aktionen in Nordrhein-Westfalen...

Jörg Kronauer

Vier Millionen Euro für das Volk!« Überraschende Sparmöglichkeiten für die öffentlichen Kassen haben findige Haushaltsexperten der NPD und Fachleute aus nordrhein-westfälischen Nazikameradschaften entdeckt. Die stets um das Wohlergehen ihrer Mitmenschen besorgte Naziszene aus dem Ruhrgebiet will am 13. und am 20. März in Bochum für ihre Finanzpolitik auf die Straße gehen. Ein Verbot der Demonstration lehnte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Februar zunächst ab: »Die NPD ist eine zugelassene Partei«, wusste Richter Hans-Justus Charlier, »deshalb darf sie auch ihre Vorschläge zur Steuerpolitik öffentlich machen.«

Vorschläge zur Steuerpolitik? »Stoppt den Synagogenbau!« lautet die eigentliche Forderung der nordrhein-westfälischen NPD, die ihre Zentrale in Bochum-Wattenscheid hat. Im zweiten Teil des Demonstrationsmottos werden dem »Volk« die für die Synagoge veranschlagten staatlichen Gelder versprochen. Man muss wohl ein deutscher Richter sein, um den Nazislogan ernsthaft als »Vorschlag zur Steuerpolitik« zu bewerten.

Seit die NPD angekündigt hat, gemeinsam mit Nazikameradschaften aus der Region gegen den Bau der neuen Synagoge in Bochum demonstrieren zu wollen, geht es an der Ruhr hoch her. Die antisemitische Hetzkampagne schockiert viele in der Stadt, die Proteste gegen den Naziaufmarsch stützen sich auf ein breites Spektrum.Aufsehen erregte im Januar eine Gruppe von 24 Bochumer Richterinnen und Richtern, die den zögernden örtlichen Polizeipräsidenten, Thomas Wenner, öffentlich aufforderten, die Nazidemonstration zu verbieten. »Wer sich dem Bau einer neuen Synagoge in den Weg stellt«, schrieben sie, »reiht sich 65 Jahre später erneut in die Reihe derer ein, die die alte in Schutt und Asche legten.«

Wenner verbot schließlich die Demonstration, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hob das Verbot auf, und in der vorigen Woche untersagte auch das Oberverwaltungsgericht Münster den Neonaziaufmarsch. Das endgültige Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

»Erschüttert, entsetzt und empört über die Demonstration« ist das Bochumer Stadtparlament, das in einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen den Neubau unterstützt. Zu einer Kundgebung für die Synagoge rufen der Oberbürgermeister Ernst Otto Stüber (SPD), der DGB und die Industrie- und Handelskammer Bochum sowie die beiden christlichen Kirchen auf. Ein linkes Bündnis will den Naziaufmarsch verhindern, »wenn nötig auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams«. An dem Bündnis beteiligen sich neben der BezirksschülerInnenvertretung auch der angeblich größte Kinder- und Jugendverband der Stadt, die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg. In einem eigenen Aufruf fordern antideutsche Gruppen »Solidarität mit Israel«.

Inzwischen kommt es wöchentlich zu Auseinandersetzungen mit dem »Nationalen Widerstand«. Rechtsextreme versuchen jeden Samstag, Demonstrationsaufrufe unter das »Volk« zu bringen, und werden dabei regelmäßig gestört. Flugblätter »mit einem Gesamtgewicht von 780 Gramm« stellte die Polizei am 14. Februar sicher, eine Woche später verhüllte man die Neonazis angemessen mit einem Transparent. Diese werten ihre Aktionen mannhaft »nichtsdestotrotz als vollen Erfolg«.

Die Bochumer Neonaziszene sorgt seit fast zwei Jahren für Schlagzeilen. Zunächst mit so genannten Prügelpartys, bei denen Rechtsextreme obdachlose Jugendliche brutal misshandelten; dann mit drei Aufmärschen im Winter 2002/2003. Der erste, nach Auskunft von Bochumer Antifas aus dem Umfeld der Rechtsrockband Oidoxie organisiert, beendete eine mehr als zehnjährige Aufmarschpause in Bochum; am dritten, aus dem Umfeld des »Widerstand Wattenscheid« angemeldet, nahmen schon mehr als 250 Nazis teil. Für den 13. März hofft die NPD nun auf die »größte Demonstration des Nationalen Widerstandes in NRW«.

Mit antisemitischen Aktionen wartet die nordrhein-westfälische Neonaziszene auch schon seit geraumer Zeit auf. Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin hat in einer »Chronik antisemitischer Vorfälle 2003« zahlreiche Vorfälle in Nordrhein-Westfalen aufgezählt. Im Juni begrüßten Rechtsextreme Paul Spiegel, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, in Hagen mit der Parole: »Der Rassismus ist ein Meister aus Israel.« Im November wurde die Hagener Synagoge beschmiert. (Jungle World, 25/03)

Im Dezember verwüsteten Unbekannte den jüdischen Friedhof in Dortmund, in Bochum waren schon vorher Hakenkreuzschmierereien am jüdischen Friedhof und eine Beschädigung der Erinnerungstafel für die alte Synagoge zu beklagen. Bisheriger Gewalthöhepunkt ist eine Attacke auf das Auto eines Bochumer Rabbiners. Alle Reifen wurden zerstochen, die Außenspiegel zerstört und Hakenkreuze in den Lack gekratzt.

Entsprechend bedrohlich stellt sich die Lage für die Jüdische Gemeinde und den Neubau der Synagoge dar. Der alten, 1863 eingeweihten prunkvollen Bochumer Synagoge verlieh man im Jahr 1925 ein schlichteres Aussehen, um den häufiger werdenden antisemitischen Attacken den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ohne Erfolg: Am 9. November 1938 beteiligte sich der damalige Bochumer Oberbürgermeister persönlich an der Zerstörung des Gebäudes.

Der Neubau der Synagoge ist dringend nötig. »Wir platzen aus allen Nähten«, heißt es aus der jüdischen Gemeinde; die jetzige Synagoge, eine ehemalige Stadtteilbibliothek mit dezentem Siebzigerjahremief, ist für die inzwischen zweitgrößte jüdische Gemeinde Westfalens viel zu klein geworden.

Öffentliche Gelder stehen im Übrigen auch anderen Religionsgemeinschaften zu. »Für Kirchenbauten gibt es staatliche Zuschüsse«, bestätigt ein Sprecher der Rheinischen Landeskirche. »Wir wollen nur Gleichberechtigung, kein bisschen mehr«, erklärt ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Genau das aber war deutschen Antisemiten schon immer zu viel.

Jungle World
Jungle World Nummer 12 vom 10.03.2004

kt / hagalil.com / 2004-03-10

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