Vor allem jüngere Gruppen aus Berlin wollen am 1. Mai einen »nationalen
schwarzen Block« bilden. Solch ein nach dem Vorbild der Autonomen gebildeter
schwarzer Naziblock führte allerdings schon einmal zu Missverständnissen. Bei
einem Aufmarsch im Dezember 2003 in Berlin ging die Polizei gegen etwa 20
Neonazis vor, weil sie diese für AntifaschistInnen hielt. Die Neonazis im
schwarzen Block hatten sogar rote Fahnen geschwenkt.
Solche Aktionen stoßen auf Unverständnis bei älteren Kameraden. Das Aktionsbüro
Norddeutschland schreibt: »Ein Zeichen von politischer Radikalität ist dieser
Mummenschanz sicher nicht.« Die »nationale Politik« sollte nicht mit einem
»Abenteuerspielplatz« verwechselt werden.
Aber mit oder ohne »nationalen Block«: Die Neonazis wollen am 1. Mai in Berlin
marschieren. Die NPD und so genannte freie Kameradschaften planen einen
gemeinsamen Aufmarsch unter dem Motto »Volksgemeinschaft statt
Globalisierungswahn«. Er soll die größte rechtsextreme Veranstaltung am
»Kampftag deutscher Arbeiter« werden.
Alle Nationalisten seien aufgerufen, in dieser »schicksalsträchtigen Phase des
Überlebenskampfes des Volkes« an einem Strang zu ziehen. Ein eigens
eingerichtetes Internetportal (www.auf-nach-berlin.com) ruft sowohl Mitglieder
der NPD als auch »freie Kräfte« dazu auf, endlich den »Schulterschluss aller
Deutschen« zu vollziehen. Noch im vorigen Jahr marschierten beide Fraktionen
getrennt, in Halle die freien Kameradschaften und in Berlin die NPD. Beide
brachten jeweils 1 000 Personen auf die Beine.
Die diesjährige Zusammenarbeit wurde von der Führung der NPD und den
Kameradschaften des Aktionsbüros Nord initiiert. Als Redner bei dem Aufmarsch
sind Udo Voigt, der Vorsitzende der NPD, und Holger Apfeln, sein Stellvertreter,
sowie die Kameradschaftsführer Thomas Wulff aus Hamburg und der Bonner Ralf
Tegethoff angekündigt.
Unterstützung findet die Initiative für das »eindrucksvolle Fanal des nationalen
Widerstands« von rund 170 rechtsextremen Gruppen. Kameradschaften von Anklam bis
Straubing, von Berlin bis Beckum sowie die meisten Gliederungen der NPD, Landes-
und Kreisverbände haben den Aufruf bisher unterzeichnet. Die Koordination der
Busse für die Anfahrt hat Alexander Delle aus dem sächsischen Riesa, ein
Mitglied der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD,
übernommen.
Propagandistisch geht es den Neonazis vor allem um ein gemeinsames Auftreten am
1. Mai und um ein Bündnis, in dem »Sozialrevolutionäre, Wertkonservative und
volkstreue Deutsche« ihren Platz haben. Der gemeinsame Aufmarsch in Berlin ist
das Ergebnis eines mehrmonatigen Prozesses, im Zuge dessen sich die sonst
konkurrierenden Gruppen wieder annäherten. Die NPD musste auf einen
Alleinvertretungsanspruch für die extreme Rechte verzichten, während weite Teile
der freien Kameradschaften einsahen, dass sich mit einer strukturstarken
Organisation effektiver demonstrieren lässt, auch wenn man nicht von der
»Systempartei« NPD vereinnahmt werden will.
Das Bündnis für den Aufmarsch erklärt, das Zurücknehmen »persönlicher
Befindlichkeiten« habe dazu geführt, dass bereits am Pressefest des NPD-Organs
Deutsche Stimme und am Gedenkmarsch für Rudolf Hess in Wunsiedel im vorigen Jahr
3 500 bis 4 000 Personen teilgenommen hätten.
Der Prozess der Annäherung fällt den Kameradschaften jedoch schwerer als der
NPD. Sie sind in der Frage nach dem Umgang mit der »Systempartei« zerstritten.
Der Hamburger Neonazi Christian Worch hat zudem einen eigenen Aufmarsch am 1.
Mai in Leipzig angemeldet und möchte mit seinem Aufruf für eine »gesunde
Volksgemeinschaft« vor allem Anhänger des Nationalsozialismus unter den
Kameradschaften ansprechen.
Hintergrund der Streitigkeiten ist der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen
Christian Worch und Thomas ›Steiner‹ Wulff über den Nutzen, die Anzahl und die
Qualität von Aufmärschen. Worch plädiert für möglichst viele, Wulff hingegen
möchte sich auf einige wenige Termine wie den 1. Mai oder Kampagnen gegen die
Wehrmachtsausstellung konzentrieren und ist auch zur Zusammenarbeit mit der NPD
bereit. Ein Beispiel für das gemeinsame Vorgehen ist die Kampagne der
niedersächsischen NPD: »Heimreise statt Einwanderung«. An ihr beteiligten sich
in Hannover, Braunschweig und Lüneburg auch zahlreiche Kameradschaften.
Die NPD erlebt ihrerseits nach Jahren des Wachstums seit dem gescheiterten
Verbotsverfahren wieder einen Abwärtstrend. Zwischen 1996 und 2001 konnte die
NPD die Zahl ihrer Mitglieder verdoppeln. Seit dem juristischen Schauspiel um
Spitzel des Verfassungsschutzes in den eigenen Reihen sind die Zahlen jedoch
wieder rückläufig. Der Partei gelang es nicht, aus der Aufmerksamkeit der Medien
größeres Kapital zu schlagen. Viele Kameradschaften entzogen ihr nach der
Einstellung des Verbotsverfahrens wieder ihre Unterstützung.
So ist die NPD darauf angewiesen, sich erneut dem neonazistischen Spektrum zu
öffnen wie bereits Mitte der neunziger Jahre, als sie zum Sammelbecken für Kader
diverser verbotener Gruppen wurde. Die Angst der NPD, durch strukturelle
Verknüpfungen mit dem neonazistischen Kameradschaftsspektrum ihren
demokratischen Anschein zu verlieren, scheint verflogen.
Antifaschistische Gruppen aus Berlin haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen
gegen den Aufmarsch verständigt (www.mai-berlin.de.vu).
»Wir erwarten mehr Neonazis als im letzten Jahr, wollen aber den Aufmarsch nicht
aufwerten«, sagte eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB).
Treffpunkt der Neonazis soll der Ostbahnhof in Berlin-Friedrichshain um 11 Uhr
vormittags sein.