Berlin:
Bühne frei für die Horst-Mahler-Show
Der Ex-NPD-Anwalt leugnet auch vor Gericht den Holocaust.
Das Publikum lacht, der Richter zeigt keine Regung...
Mareke Aden
Wenn es darum ginge, ein
zusammenfassendes Referat abzuliefern über alle, die jemals den Holocaust
geleugnet haben, dann hätte Horst Mahler für Vollständigkeit vielleicht einen
Punkt bekommen. Der wäre ihm an Schule und Uni aber wahrscheinlich deswegen
wieder abgezogen worden, weil er die Zeit hoffnungslos überzieht. Drei Tage lang
dauern Referate normalerweise nicht.
Horst Mahler steht als einer von
drei Angeklagten vor Gericht wegen Volksverhetzung. Dort nennt man seine
Ausführungen "Einlassung zur Sache". Wenn er damit fertig ist, soll über die
Strafbarkeit von antisemitischen Passagen eines Pamphlets entschieden werden,
das der ehemalige NPD-Anwalt Mahler während des (gescheiterten)
Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme Partei an Journalisten verteilte. Am
Ende soll es statt einer Note also ein Urteil geben. Noch merkt man davon kaum
etwas. Der Vorsitzende Richter hört sich Mahlers Ausführungen zur Etymologie des
Wortes "Holocaust" geduldig an. Ansonsten macht der Richter an diesem Mittwoch,
dem dritten Verhandlungstag, wenig. Er thront regungslos über dem großen Saal
des Berliner Landgerichts mit der Nummer 500 und reagiert nicht, als Mahler
sagt, Milliarden Menschen würden Hitler verzeihen, wenn er den Judenmord
begangen "hätte". Er wirkt schläfrig, als Mahler mit langen Zitaten und
Zahlenreihen zu belegen versucht, dass in Auschwitz niemand vergast sein könne
und dass viele Juden in Wahrheit ausgewandert seien. Keine Regung auch, als er
sagt: "Vielleicht sind sie ja nach Asien gegangen?", und darauf das Publikum
geschlossen nickt und lacht. Der Richter steht langsam auf, als das Publikum vor
einer Pause laut applaudiert. Eine Ermahnung, mit der er das Klatschen
unterbinden könnte, gibt es zunächst nicht. Erst vor der nächsten Pause droht er
mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn noch einmal applaudiert und gelacht
werde.
Nichts einzuwenden hat der
Richter, als Mahler sich das Recht herausnimmt, die Pausenzeiten festzulegen:
"In zehn Minuten können wir weitermachen." Der Richter ist einverstanden - jedes
Mal. Er macht sich auch keine Notizen. Horst Mahler ist so nett und wird die
mehrtägige "Einlassung" in Schriftform nachreichen mit zwei Kopien. Eine Kopie
wird dann an die Staatsanwaltschaft gehen. Auch die wird Mahler nicht benoten.
Sie wird damit den nächsten Prozess vorbereiten, der sich aus den
verfassungsfeindlichen Äußerungen in diesem Prozess ergibt.
Seit Beginn des Verfahrens am 6. Februar wurden schon wieder zwei neue
eingeleitet. Mahler wird also wieder Gelegenheit bekommen, sich "einzulassen",
und seine geneigten Zuhörer brauchen bald keine Mehrzweckräume in Berlin mehr
anzumieten. Der Saal 500 ist groß genug. Am 25. Februar wird der Prozess
fortgesetzt.
die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 20.02.2004
Betrag überweisen auf: taz-Verlag Berlin,
Postbank Berlin (BLZ 100 100 10), Konto-Nr. 39316-106
© Contrapress media GmbH Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-20
|