Soll man? Soll man nicht? Winfried Krauß plädiert entschieden für »nein«. Wer
ein »Reichsparteiengesetz« erfinde und sich einbilde, es gelte in Deutschland,
der solle »nicht unbedingt ernst genommen werden«, befand der altgediente
NPD-Funktionär schon vor Jahren. Damals hatte das Deutsche Kolleg die NPD für
»rechtswidrig« erklärt, da nach dem »geltenden Reichsparteiengesetz«
Parteigründungen in Deutschland verboten seien. Zudem habe sich die NPD »am
nationalen Befreiungskrieg nicht beteiligt«.
Darf man? Das ist die andere Frage, die das Berliner Landgericht ab 6. Februar
mit Blick auf weitere Verlautbarungen des Deutschen Kollegs beantworten muss.
Darf man in Deutschland »Schulungstexte zum Vierten Reich« verbreiten? Darf man
den Nationalsozialismus als »Schritt auf dem Wege zur Freiheit« bezeichnen, darf
man Aufstandspläne publizieren, die die Errichtung einer
rassistisch-antisemitischen Diktatur zum Ziel haben? Darf man von einem »Kampf
des zersetzenden Jüdischen Geistes gegen den sittlichen Geist der Germanen«
schwafeln und das Ergebnis unter dem Titel »Endlösung der Judenfrage«
veröffentlichen?
Drei Prozesstage sind für das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen MOM
anberaumt. Als MOM bezeichnen sich Uwe Meenen (M), Reinhold Oberlercher (O) und
Horst Mahler (M), die drei Führungsgestalten des Deutschen Kollegs. Mahler,
ehemaliges RAF-Mitglied, gibt seit Ende der neunziger Jahre den rechtsextremen
Guru, Oberlercher, in den Sechzigern SDS-Aktivist, versteht sich als
intellektueller »Nationalmarxist«. Nur Meenen war schon immer rechts, er kam
über den neonazistischen Bund Frankenland zur NPD.
Die Eigenbezeichnung MOM wirkt lächerlich, ebenso die Postadresse der
Organisation: »Würzburg, Deutsches Reich«. Die wahnwitzigen antisemitischen
Tiraden, die das Trio ungehindert verbreitet, sind dagegen bitterer Ernst. »Der
Judaismus ist eine tödliche Gefahr für die Völker«, behaupten Mahler,
Oberlercher und Meenen in der »Ausrufung des Aufstandes der Anständigen« vom 15.
Oktober 2000, der Schrift, die ihnen das Strafverfahren und Mahler den
Ausschluss aus der Vereinigung Berliner Strafverteidiger eingebracht hat. »Der
Krieg der jüdischen Organisationen gegen das Deutsche Volk dauert an«, heißt es,
ganz in NS-Manier, in ihrem Pamphlet, für das sie nach mehr als drei Jahren nun
vielleicht zur Rechenschaft gezogen werden. Die Autoren stellen klar: »Das
Deutsche Kolleg verlangt das Verbot der jüdischen Gemeinden.«
Antisemitismus findet sich überall in der extremen Rechten, aber die Offenheit,
mit der ihn Mahler und Co. aussprechen, ist außergewöhnlich. »Wir danken Martin
Walser«, lobt das Deutsche Kolleg, »dass er der Welt mit der Benennung der
Auschwitzkeule die Waffe wahrnehmbar gemacht hat, mit der der keimende
Widerstand der Deutschen jeden Tag aufs Neue niedergeschlagen wird.« »Der Hass
auf die Juden stellt sich als etwas ›ganz Normales‹ heraus«, meint Mahler, »er
ist geradezu das untrügliche Zeichen von geistiger Gesundheit«.
Das »Deutsche Reich« ist das Ziel der politischen Agitation von MOM: »Sein
Prinzip – die Aufhebung des Gegensatzes zwischen dem Einzelnen und dem
Gemeinwesen in der selbstbewussten Volksgemeinschaft – ist mehr denn je an der
Zeit.« Ein Aufstand müsse her, meint MOM, und es stehen gleich zwei Varianten
zur Wahl: der »Aufstandsplan für das Deutsche Volk« und der »Aufstandsplan
Oberlercher«. Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine »Provisorische
Reichsregierung«, für die das Kollegmitglied Oberlercher bereits einen
»Reichsverfassungsentwurf« und weitere Gesetzentwürfe (Arbeitsdienstgesetz,
Ausländergesetz, Wehrrechtsgesetz) ausgearbeitet hat.
Das unsägliche »Hunderttageprogramm« aus der »Ausrufung des Aufstandes« steht im
Zentrum des Gerichtsverfahrens. Die »Beendigung der Ausländerbeschäftigung« wird
da gefordert, sodann die »Ausweisung aller arbeitslos gewordenen Ausländer«;
weiterhin Zwangsarbeit für Drogenkonsumenten sowie die Kündigung des
Atomwaffensperrvertrags. Neben einem »Großeinsatz des Arbeitsdienstes in
Mitteldeutschland« verlangt das Deutsche Kolleg eine »Revision des
Geschichtsbildes zu Gunsten Deutschlands« und die »Durchsetzung der deutschen
Sprache als anerkanntes Gemeingermanisch«.
Solche Phantasterei ist selbst gestandenen Rechtsextremisten wie Winfried Krauß
zu viel. »Es gibt schon genug Leute, die sich für Napoleon halten«, schimpft der
ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten. In der NPD sind die
Ansichten über MOM geteilt, einflussreiche Kräfte lehnen ihren Kurs ab. Mahler,
einst NPD-Anwalt, hat die Partei inzwischen verlassen. Meenen hält noch die
Stellung, er wurde im vergangenen Jahr zum Bezirksvorsitzenden der NPD
Unterfranken gewählt.
Ein weiteres Mitglied des Deutschen Kollegs, Frank Kerkhoff, musste den
Landesvorsitz der NPD Sachsen-Anhalt abgeben. Kerkhoff, wie Mahler und
Oberlercher in den siebziger Jahren ein Linker, er war KBW-Funktionär, muss sich
am 23. Februar vor dem Magdeburger Amtsgericht verantworten. »Für Volk, Kaiser
und Reich: Jetzt den Aufstand wagen!«, hatte er in einem Flugblatt gefordert.
Kerkhoff schlägt sich zurzeit als Geschäftsführer der Firma Albacon durch, die
im Kosovo Dienstleistungen auf dem Waffensektor anbietet. »Das Deutsche Kolleg
verzichtet darauf, Urteile körperlich zu vollstrecken und die Reichsfeinde
militärisch unter Beschuss zu nehmen«, heißt es offiziell. Bleibt zu hoffen,
dass Kerkhoff das auch so sieht.
Seinen Auftritt vor der Magdeburger Justiz kündigte er jedenfalls als
»Wortergreifung« an, ganz wie MOM den Berliner Gerichtstermin, den das Trio
offenbar propagandistisch nutzen will. Die Richter seien nur »Handlanger der
Judäo-Amerikanischen Fremdherrschaft«, heißt es in einer »Bekanntmachung«
Mahlers. Sie »werden sich demnächst vor Gerichten des Deutschen Reiches
verantworten müssen«. Dann, wenn das »geltende Reichsparteiengesetz« wirklich
gilt.
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