Die taz ist
schuld. Sie veröffentlichte einen Artikel zur Erinnerung an den Aufstand der
Hereros 1904 gegen die deutschen Kolonialtruppen im heutigen Namibia. Den las
die Kreisgrüne Mechtild Tammena aus Leer und war erschüttert. Die
Verantwortlichen der Massaker an den Afrikanern waren Lothar von Trotta und Paul
von Lettow-Vorbeck - letzterer der Namensgeber der Leeraner Sanitätskaserne, die
derzeit zum Standort für eine Schnelle Eingreiftruppe umorganisiert wird.
Tammena forderte
daraufhin ihren Parteifreund, Außenminister Joschka Fischer, und dessen
Kollegen, Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), in einem Brief auf, den
Namen der Leeraner Kaserne zu ändern. Der Namensgeber sei "für den Tod von
Millionen Afrikanern/innen mitverantwortlich, mithin nicht würdig als Vorbild
für die Bundeswehr zu gelten". Bis heute antworteten die hohen Herren nicht,
aber in Leer löste das Schreiben große Aufregung aus.
"Damit hatte ich
nicht gerechnet", wundert sich Tammena. Denn Streit um den Kasernennamen gibt es
seit 20 Jahren - aber für die Kaserne und die Bundeswehr war das noch nie ein
Anlass zu Grübeln.
So schlagen sich
in Leer auch heuer wieder die üblichen Verdächtigen. Allen voran Gerd Koch,
Vorsitzender der Allgemeinen Wählergemeinschaft (AWG) im Leeraner Stadtrat. Sein
Urteil über die Grünenforderung: "Quatsch!" Koch muss es wissen. Der wegen
Volksverhetzung verurteilte rechte Aktivist findet auch, dass "Juden Abzocker"
seien und Behinderte "der Endlösung zugeführt" werden könnten. Sein Busenfreund
Walter Düngemann, Fraktionsführer der CDU, schließt sich mit gleichem Wortlaut
dem Koch-Urteil an. Aber weil die Leeraner CDU eine ernsthafte Partei sein will,
schiebt sie eine Presseerklärung nach: Eine Diskussion um die Kaserne gefährde
den Standort Leer. Da schweigt die SPD. Sie habe noch Informationsbedarf. Nur
der neue parteilose Bürgermeister Wolfgang Kellner, zieht sich den Ärger aller
zu: Er möchte die Kaserne gerne in "Ostfriesland"-Kaserne umtaufen.
Aus dem
Hintergrund outete sich unterdessen ein Dodo von Knyphausen. Der Ex-Soldat gab
an, von Lettow-Vorbeck (1870-1964) gekannt zu haben. Er gab die Ehrenerklärung
ab, der General sei pflichtbewusst, ehrenhaft, treu und kameradschaftlich
gewesen.
Ganz anders eine
Schulklasse. Die hatte sich im Geschichtsunterricht mit von Lettow-Vorbeck
beschäftigt und die Generals-Vita mit folgenden Ergebnissen abgerundet: 1901
Niederschlag des Boxeraufstandes in den deutschen Kolonien in China. 1904
Niederschlag des Hereroaufstandes in der Afrika-Kolonie Deutsch-Südwest. Nach
den unentschiedenen Gefechten am Waterberg drängten die deutschen Truppen die
abziehenden Hereros und ihre Familien in die wasserlose Omabeke Wüste ab.
Ergebnis: Von den von Kolonialbeamten zuvor geschätzten 85.000 Hereros gab es
1905 noch 23.000. Militärisch habe der "Sieg" über die Hereros nichts gebracht,
denn kurze Zeit später kämpften die Namas, von den Deutschen "Hottentotten"
genannt, um ihre Freiheit. Als Dank für seine Leistung, im Ersten Weltkrieg
durch seine Scharmützel in Afrika gut 100.000 englische Soldaten gebunden zu
haben, durfte von Lettow-Vorbeck dann 1919 den Aufstand der Arbeiter in Hamburg
niederschießen. 1920 beteiligte er sich aktiv am rechtsgerichteten Kapp-Putsch,
um die Weimarer Republik zu eliminieren. Von Lettow-Vorbeck demissionierte nach
dem Scheitern des Putsches. 1938 ernannte ihn Hitler zu seinem General zur
besonderen Verwendung. Im gleichen Jahr wurde auch die Leeraner Kaserne nach ihm
benannt.
Urteil der SchülerInnen: "Der Mann ist kein Vorbild." Die Bundeswehr schweigt.
Die Grünen wollen Anfang März im Leeraner Stadtrat den Antrag stellen, die Stadt
solle sich für eine Umbenennung der Kaserne einsetzen. Die Zwischenrufe von CDU
und AWG kennen wir schon heute: "Quatsch."