taz: Nach fast fünf Jahren Arbeit
im Europaparlament: Was sehen Sie als Ihren größten Erfolg an?
Ilka Schröder: Die meiste Arbeit
habe ich in die Frage gesteckt, wie Israel in Europa behandelt wird. Doch in den
Medien hat sich das kaum niedergeschlagen. Um darüber zu referieren, habe ich
fast nur Einladungen von jüdischen Organisationen erhalten. Und doch hat mein
Engagement innerhalb der EU ziemlich viel Druck erzeugt. Immerhin musste die
Kommission über Monate jede Woche einen Vertreter ins Parlament schicken, der
die Vorwürfe zu widerlegen versuchte, dass EU-Gelder in palästinensische
antisemitische Terrorattacken fließen.
"Kampf gegen Antisemitismus" ist
eines der Leitmotive Ihrer Arbeit. Sie forderten einen Untersuchungsausschuss
über die Verwendung der EU-Zuschüsse durch die Palästinensische
Autonomiebehörde. 170 Parlamentarier unterstützten das, die Konferenz der
Fraktionsvorsitzenden bügelte es ab. Hat Sie der Mangel an Demokratie
schockiert?
In der Geschäftsordnung gibt es
eine Grauzone. In Zweifelsfällen wurde aber immer entschieden: Wenn mehr als ein
Viertel der Abgeordneten den Ausschuss wollen, reicht das aus. Dass die
Konferenz der Fraktionsvorsitzenden diesen Ausschuss im Vorfeld abgeblockt hat,
das ist ein einmaliger Vorgang. Über das, was Demokratie bedeutet, mache ich mir
schon lange keine Illusionen mehr.
Wieso gab es auf diesen Skandal
kaum öffentliche Resonanz?
Wenn man sich ansieht, wie sonst
über jeden Untersuchungsausschuss berichtet wird, war das sagenhaft wenig. In
Deutschland kann ich die Artikel an zwei Händen abzählen. Dabei war es
eigentlich eine perfekte Konstellation für die Medien: Ein Streit innerhalb des
Parlaments, die Vorstufe zu einem Misstrauensvotum gegenüber der Kommission …
Aber alles was dagegen spricht, die Palästinenser per se als die Opfer im Nahen
Osten zu sehen, das wird nicht aufgegriffen. Das passt nicht ins Bild.
Die EU-Kommission hat jetzt einen
richtigen Antisemitismusskandal. Beim letzten Flash-Eurobarometer sagten 59
Prozent der Befragten, Israel sei eine Gefahr für den Weltfrieden. Wäre das
Ergebnis anders ausgefallen, wenn die Kommission ihre Fragen anders formuliert
und eine andere Länderauswahl getroffen hätte?
Wenn fast 60 Prozent ganz klar zu
erkennen glauben, ein Land sei der Krisenherd der Welt, würde ich das so
interpretieren: Die propalästinensische Politik des europäischen Mainstream hat
Früchte getragen. Das drückt sich ja auch in einem steigenden Antisemitismus und
Antizionismus in der Europäischen Union aus.
Aber inzwischen gibt es in den
Medien doch große Resonanz …
Israelkritik gilt nur in
Verbindung mit dem Nahen Osten als politisch korrekt. Mit der Umfrage wurde
deutlich, dass dieser latente Antisemitismus inzwischen Konsens in Europa ist.
Das will man nicht hinnehmen, weil damit die Rolle der EU als Vermittler im
Nahen Osten in Frage steht.
Die EU beruft sich ja gerade
darauf, den Konfliktparteien neutraler gegenüberzustehen als die USA. Der offene
Antisemitismus, der in den Ergebnissen der Umfrage zum Ausdruck kommt,
konterkariert das. Über die Umfrage sind Dinge offen ausgesprochen worden, die
normalerweise hinter vorgehaltener Hand ausgedrückt werden.
Das passt wunderbar zu anderen
Vorfällen dieser Art. Eine Ausstellung über den Massenmord an Armeniern Anfang
des Jahrhunderts wurde mit der Begründung abgesagt, sie sei politisch zu
kontrovers. Ausstellungen, die völlig einseitig nur die Opfer und Zerstörungen
auf palästinensischer Seite dargestellt haben, gab es jedoch haufenweise. Das
ist doch mindestens genau so kontrovers. Damit hat aber niemand ein Problem.
Was kann man denn Ihrer Meinung
nach dagegen tun?
Man muss diese angeblich am Guten,
an den Menschenrechten, an der Demokratie interessierten Positionen als
antisemitisch und antizionistisch motiviert entlarven.
Was ich Europas versteckten Krieg gegen die USA nenne, was zunehmend auch
antiamerikanische Züge trägt: Darüber aufzuklären ist die erste Notwendigkeit,
die ich hier sehe.