Presseerkärung:
Schneebälle schlimmer als die Waffen-SS ?
Hamburger Erklärung für Versammlungsfreiheit verurteilt das
vorzeitige Auflösen der Antifaschistischen Demonstration in Barmbek / Juristisch
unnötig: Der Senat gibt den Rechten Raum für ihre menschenverachtenden Parolen...
u.a. VVN-BdA Hamburg
Der Protest gegen
den Neonaziaufmarsch in Barmbek endete, bevor die 4.500 Menschen, die sich gegen
diese Zumutung zivilgesellschaftlich wehren wollten, den Ort ihrer
Abschlusskundegebung erreichten. Mit Wasserwerfern, Pfefferspray, das aus
nächster Nähe Demonstrierenden ins Gesicht gesprüht wurde und mit
Schlagstockeinsatz hinderte die Hamburger Polizei die Teilnehmer des
antifaschistischen Protestmarsches daran, sich am Osterbek-Kanal in Hörweite des
braunen Umzugs zu versammeln. Der Auslöser für diese
Eskalation war nach unseren Beobachtungen banal: Schon während des Zuges der
Protestierenden von der U-Bahn-Station Barmbek hin zur Weidestraße wurden
Polizeibeamte mit Schneebällen beworfen. Die Einsatzleitung hatte schon im
Vorfeld angekündigt, bereits bei der kleinsten Verfehlung von
Demonstrationsteilnehmern einzugreifen. Es war wohl ein
Schneeball zuviel. Als der Protestzug im Begriff war, aus der Weidestraße auf
den Kundgebungsplatz vorzugehen, verhinderte der massive Einsatz von
Wasserwerfen das. Die Kundgebung wurde aufgelöst, bevor sie begonnen hatte. Erst
dann flogen auch Steine und die Gewalt eskalierte. 96 Ingewahrsamnahmen und zwei
Verletzte meldet bislang der Ermittlungsausschuss. Die Kundegebung der Neonazis
ging dagegen ohne nennenswerte Zwischenfälle zu Ende. Für
uns stellen sich nach diesem Nachmittag einige Fragen: Woher kommt der Eifer des
Senats, es den Neonazis so leicht zu machen, durch Hamburg zu marschieren, wo
Innenbehörde andererseits bisher so oft eine perfide Kreativität an den Tag
legte, um andere Demonstrationszüge zu behindern? Und wie kommt es, dass
Menschen, die das tun, was zivilgesellschaftlich verantwortliches Handeln gegen
Rechts erfordert und was Politiker in ihren Sonntagsreden vom Aufstand der
Anständigen predigen, einmal mehr teuer dafür bezahlen müssen ?
Die Antwort ist für uns deutlich: Der Hamburger Senat nutzt das Verwaltungs- und
Versammlungsrecht als Spielball politischer Interessen und tut damit der
Demokratie einen schlechten Dienst. Zwar sind Verwaltungs-
und das Versammlungsrecht eigentlich nicht dazu da, dass der Hamburger Senat mit
ihnen Politik macht. Doch genau das ist an diesem Nachmittag in zweierlei
Hinsicht geschehen: Zum einen gilt das mit Blick auf den
rechten Aufmarsch. Im vorauseilenden Gehorsam verzichtete die Innenbehörde auf
ein Verbot und signalisierte grünes Licht für den braunen Marsch. Dass man
derartige Kundegebungen nicht verbieten kann, ist keineswegs so
eindeutig, wie es vom Hause Nockemann propagiert wird. So weißt Dr. Michael
Bertrams, immerhin Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, darauf hin, dass es
sich bei den Anschauungen von Neonazis um solche handelt, denen das Grundgesetz
eine entschiedene Absage erteilt hat. Von zentraler
Bedeutung bei der Rechtsprechung des OVG ist dabei der die gesamte Rechtsordnung
prägende Aspekt der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Bei dem Gedankengut von
Neonazis geht es vor diesem Hintergrund nicht um irgendeine politisch
missliebige Meinung, die das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG)
genießt, sondern um Anschauungen wie Rassismus, Antisemitismus und
Ausländerfeindlichkeit, denen das Grundgesetz mit seinem historischen Gedächtnis
eine klare Absage erteilt hat. Eine derartige Demonstration könnte im Voraus als
Verstoß(./.) gegen die öffentliche Ordnung gemäß § 15 Abs. 1 des
Versammlungsgesetzes (VersG) verboten werden. Hier ist das OVG massiv anderer
Auffassung als das Bundesverfassungsgericht. Einen für die
Politik einhundert Prozent risikolosen Weg, Nazidemonstrationen
verwaltungsrechtlich zu behindern, gibt es zwar nicht. Doch das politische
Signal, das der Hamburger Senat und vor allem der Innensenator ausgesandt hat,
indem er nicht einmal versuchte, mit Hilfe des Verwaltungsrechts die Kreise der
Neonazis einzuschränken, ist beschämend. Mutlos nimmt man hin, dass der rechte
Rand marschiert und stellt auch noch 2000 Polizisten ab, um ihn zu schützen,
statt sich auf allen Ebenen zu wehren. Vergeblich sucht
man in diesem Zusammenhang nach der perfiden Kreativität, die Hamburger Behörden
an den Tag legen, wenn andere demonstrieren wollen: Bambule-Unterstützern,
Gewerkschaften und Studierendenvertretern wird von den Behördenvertretern
regelmäßig mit dem Hinweis auf die selbst verfassten, in der Regel maßlos
überzogenen Gefahrenprognosen beschieden, dass sie eine Gefahr für die
öffentliche Ordnung sind. Das Ergebnis sind oft schikanöse Auflagen und
willkürliche Verbote(./) von Demonstrationsrouten, vor allem wenn in der
Innenstadt demonstriert werden soll. Das Recht auf Einkauf wird da schon mal als
höherwertig eingeschätzt als das Recht auf Meinungsfreiheit.
Anders stellt sich
der Fall natürlich da, wenn Neonazis in die Innenstadt wollen: Dann wird sie
weiträumig abgesperrt und Menschen, die einkaufen wollen, werden des Platzes
verwiesen, damit ein Christian Worch zusammen mit seinen Kameraden eine
Kundgebung vor der Zentrale des Springer-Verlages abhalten kann, wie es am 20.
August 2001 der Fall war. Und wenn militante Neonazis mit Reichskriegsflagge und
der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen SS" durch den Hamburgs Osten ziehen, lässt
sie manchmal sogar der Polizeipräsident gewähren –wie 10. Juli 1999 beim
Aufmarsch der "Freien Nationalisten" in Bergedorf-Lohbrügge, bei dem der
damalige Polizeichef Justus Woydt tatenlos daneben stand.
Heute sah es in Barmbek nicht anders aus: Christian Worch und seine Kameraden
schirmt man ab und hofiert man. Wer dagegen protestiert, muss dagegen riskieren,
verprügelt, verletzt und durchnässt zu werden. Denn in diesem politischen Klima
genügt ein Schnellball, um im Sinne einerpolizeilichen Gefahrenprognose aus
solchen Prognosen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden zu lassen.
Die Hamburger Erklärung für Versammlungsfreiheit ist eine Initiative
verschiedener Organisationen, Verbänden und Privatpersonen, die (./.) zum sich
zum Ziel gesetzt hat, die zunehmenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit
in Hamburg öffentlich anzuprangern. Es gilt, dem Abbau demokratischer
Grundrechte Einhalt zu gebieten.
Eine Liste der Unterstützer der Hamburger Erklärung findet sich unter: http://hamburger-erklaerung.de
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-01
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