Nach dem Austritt
der Nazi-Opferverbände aus den Gremien der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten
bemüht sich die sächsische Regierung, den Schaden zu begrenzen.
Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat sich bei Paul Spiegel, Präsident des
Zentralrates der Juden in Deutschland, entschuldigt.
Milbradt bedauert
die "unglücklichen Vorgänge" um mehrere Schreiben des für die Gedenkstätten
zuständigen Zentralrats-Vizepräsidenten Salomon Korn. Die Vorgänge hat sich die
Regierung allerdings selbst zuzuschreiben. Im Haus des zuständigen
Wissenschaftsministers Matthias Rößler (CDU) blieb Post des Zentralrates liegen,
weshalb sich dieser schließlich an die Staatskanzlei wandte. Doch auch dort
wurde ein Brief des Verbandes der Verfolgten des Nationalsozialismus (VVN) im
September nur lapidar beantwortet. Auch der VVN war am Montag dem Beispiel des
Zentralrates der Juden und der Vertreter der Sinti und Roma gefolgt und hatte
seine Mitarbeit aufgekündigt.
Sie begründeten
dies mit dem erst vor einem Jahr verabschiedeten Sächsischen
Gedenkstättengesetz. Es räumt auf Betreiben der CDU-Landtagsfraktion den
Stasi-Gedenkstätten in Dresden und Leipzig einen Sonderstatus ein. Mitarbeiter
der Gedenkstättenstiftung sehen es zudem als Schwäche des Gesetzes an, dass die
Beteiligungsverhältnisse im Stiftungsrat und in den Beiräten nicht klar geregelt
sind.
Seither schwelt
zwischen den Vertretern der Nazi- und der SED-Opfer ein Streit. Juden wie
Antifaschisten befürchten eine Nivellierung von Holocaust und DDR-Verbrechen.
Salomon Korn betonte hingegen die "fundamentalen Unterschiede".
VVN-Landesvorsitzender Hans Lauter konstatierte gar eine "Diskriminierung der
Opfer des NS-Regimes".
Aktueller Auslöser
des demonstrativen Austritts des Zentralrates der Juden ist jedoch ein Antrag
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der am Freitag debattiert werden soll. Der
Zentralrat befürchtet, dass damit das sächsische Gedenkstättenkonzept bundesweit
Schule machen könnte. Denn der Antrag nimmt ausdrücklich auf das sächsische
Modell Bezug. Man wolle keinesfalls die europäische Katastrophe des Holocaust
gegen das SED-Unrecht ausspielen, heißt es im Büro des CDU-Abgeordneten und
Initiators Günter Nooke. Der Antrag betont jedoch die "doppelte Vergangenheit"
beider Diktaturen und sieht in seiner Begründung die Erinnerung an DDR-Vergehen
unterrepräsentiert. Der eigentlich von der Enquetekommission zur SED-Diktatur
1996 beigelegte Ost-West-Streit, ob dies eine gesamtstaatliche Aufgabe sei,
wirke sich auf die Gedenkstättenpraxis kaum aus, heißt es weiter im Büro Nooke.
Der Antrag verlangt daher ein Gesamtkonzept für das Gedenken an beide
Diktaturen.
Sachsens Wissenschaftsminister Rößler hat inzwischen seine für Freitag geplante
Bundestagsrede abgesagt. Am Freitag wird im Berliner Haus der Adenauer-Stiftung
eine Expertenrunde über das Thema debattieren.