Komischer Terror:
Der Streit um einen französischen Kabarettisten spitzt sich zu
Dieudonné, also Gottesgeschenk, ist vielleicht ein
ungewöhnlich klingender Vorname. Unter katholischen und französischsprachigen
Afrikanern ist er jedoch sehr verbreitet. Fällt der Name in Frankreich, weiß
jeder, wer gemeint ist: Dieudonné M’bala M’bala, der 1966 in einem Pariser
Vorort als Sohn einer Soziologiestudentin aus der Bretagne und eines Kameruners
das Licht der Welt erblickte, hat sich als Schauspieler und Komiker einen Namen
gemacht. Gegenwärtig steht er im Mittelpunkt einer Debatte, die sich vorige
Woche heftig zuspitzte...
Bernd Schmid
Im
Dezember 2003 war Dieudonné zu Gast in einer Talkshow. Dabei hatte er einen
Einfall, den nicht alle lustig fanden: Er trat als orthodoxer Jude verkleidet
auf, fuchelte mit einer Waffe herum und forderte die Zuschauer dazu auf, »der
Achse des Guten, der amerikanisch-zionistischen Achse« beizutreten. Die Grenze
war für viele endgültig überschritten, als Dieudonné damit endete, »Isra-Heil«
auszurufen und dabei den rechten Arm in die Höhe zu recken.
Der Medienrat sprach eine Rüge aus. Die antirassistische Organisation MRAP
erstattete Strafanzeige gegen Dieudonné, und er entschuldigte sich.
Doch im Januar eskalierte die Geschichte erneut, als Auftritte des Komikers in
einer Reihe französischer Städte »aus Sicherheitsgründen« abgesagt wurden.
Jüdische Organisationen hatten friedlich ihren Protest ausgedrückt. Aber
gleichzeitig waren auch Morddrohungen aus den Kreisen um die rechtsextreme
»Jüdische Verteidigungsliga« (LDJ) ausgesprochen worden. Die Methoden mancher
seiner Kritiker brachten Dieudonné wiederum dazu, sich als Opfer zu fühlen. In
einem Radiointerview erklärte er: »Ich wische mir den Hintern mit der
israelischen Fahne ab.«
Ein Tiefpunkt wurde am letzten Freitag erreicht. Dieudonné sollte im legendären
Pariser Saal L’Olympia auftreten. Nach wüsten Drohungen sagten die Veranstalter
den Auftritt ab. Doch gut 1000 Protestierende hielten eine Kundgebung vor dem
Saal ab. Dieudonné gab sich dabei als Wortführer einer unterdrückten Minderheit:
»Verbietet nicht dem einzigen Schwarzen in der französischen Komikerszene den
Mund!« Und: »400 Jahre Sklaverei, und man darf nicht darüber reden!«
Damit benannte Dieudonné zwar nicht die Gründe, die zur Absage seines Spektakels
führten, rührte aber sehr wohl an einen sensiblen Punkt. Die Wut über die
Benachteiligung der Schwarzen kippt ins Ressentiment gegen die Juden und deren
angebliche Monopolstellung als einzig legitime Opfergruppe. Eine so begründete
Form von Rivalität ist in den USA bereits weit verbreitet, beginnt sich aber
auch in Frankreich Bahn zu brechen.
Man kann bei Dieudonné zwar nicht im klassischen Sinne von Antisemitismus
sprechen, dennoch formuliert er Vorwürfe, die uralte antijüdische Klischées
bedienen: »Das sind alles am Sklavenhandel reich Gewordene, die ihre berufliche
Neuorientierung im Bankenwesen, im Kulturbereich und jetzt in der
terroristischen Aktion gefunden haben.«
Dieudonné erklärte, er sei gegen alle kommunitaristischen Borniertheiten. Doch
er selbst bedient sie eifrig.
Jungle World
Jungle World Nummer 10 vom 25.02.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-25
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