Frankreich:
Hohe Schule der Lügen
Auschwitzleugner an der Lyoner Uni...
Bernhard Schmid
Das Thema Auschwitzleugnung hat an der Universität Lyon-III
eine unrühmliche Tradition. Das ist spätestens seit der Affäre um den
rechtsextremen Professor Bernard Notin, der Anfang der neunziger Jahre mit einem
Lehrverbot belegt wurde, der Fall. An Lyon-III erhielt auch der »Historiker« und
negationistische Multifunktionär Jean Plantin 1991 sein Diplom. Seine
Forschungsarbeit über »Typhusepidemien in deutschen KZ« sollte beweisen, dass in
den Gaskammern nur Flöhe vernichtet worden seien, um die Ausbreitung von Typhus
zu verhindern. Ende der Neunziger gab es einen Skandal, Plantin wurde sein
Diplom aberkannt. Vor zwei Wochen gab ein Lyoner Gericht es ihm zurück, in
zweiter Instanz.
Die Hochschule entstand als eine Abspaltung der
Universität von Lyon im Jahr 1973 auf Druck des traditionell rechten
Bürgermilieus. An der neuen Hochschule unterrichteten seitdem skandalumwitterte
Figuren wie der Kolonialhistoriker Bernard Lugan, der es witzig fand, mit der
Uniform der Kolonialtruppen und einer Peitsche ausgestattet seine Vorlesung zu
halten. Hier lehrte auch der Blut-und-Boden-Historiker Pierre Vial, der das
inzwischen geschlossene Institut für »indoeuropäische Studien« – früher nannte
man das auch Arierforschung – leitete. Der Spitzenpolitiker Bruno Gollnisch vom
Front National hat hier noch immer einen Lehrstuhl inne.
Nun endlich sind die Behörden tätig geworden. Allerdings
nicht gegen die Ultrarechten und die Negationisten – wie die Leugner der Shoah
in Frankreich genannt werden –, sondern gegen einen ihrer Kritiker.
Der Student Marc Jampy stand früher der Vereinigung
Hippocampe vor, die sich im Zuge der Debatte um die Notin-Affäre gründete, um
die faschistischen Umtriebe an der Universität zu bekämpfen. Anlässlich des
Jahrestages der Deportation von 86 jüdischen BürgerInnen durch Klaus Barbie
hielt Marc Jampy, am 10. Februar 2002, eine Rede. Darin kritisierte er auch den
damaligen Rektor der Universität, Gilles Guyot, der stets Nachgiebigkeit
gegenüber den Umtrieben der Rechten gezeigt hatte.
Daraufhin klagte Guyot gegen den Studenten. Die
Strafanzeige reichte er nicht in Lyon, sondern bei einem Untersuchungsrichter in
Paris ein, wohl weil er hoffte, einige persönliche Kontakte im Gerichtsmilieu
seien ihm dabei von Nutzen. Im Juni 2003 erhielt Marc Jampy eine Vorladung nach
Paris. Da der Student sich das Ticket für eine Fahrt in die französische
Metropole nicht ohne weiteres leisten konnte, legte er Widerspruch ein.
Daraufhin wurde er für den September vor ein Lyoner Gericht geladen. Wegen
formaler Mängel des Bescheids riet ihm sein Anwalt, die Vorladung zu ignorieren.
Es folgte im Dezember eine zweite Aufforderung, die offenbar nicht zugestellt
wurde.
Und plötzlich hatte es die Justiz sehr eilig und ließ Jampy am 20. Januar
verhaften. Der Student wurde durchsucht und mit Handschellen nackt in eine Zelle
gesteckt. Sein Anwalt konnte ihn freibekommen, doch zwei Tage später musste
Jampy in Paris vor dem Untersuchungsrichter aussagen. Niemals sei einem
Auschwitzleugner eine vergleichbare Behandlung widerfahren, erkärten Hippocampe
sowie die Liga für Menschenrechte und wandten sich Ende Januar an den
Bildungsminister Luc Ferry. Bisher hat er sich aber noch nicht gerührt.
Jungle World
Jungle World Nummer 8 vom 11.02.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-11
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