Überblick:
Deutsches Haus
Deutscher Alltag anhand von Abschiebungen, Übergriffen und
Friedhofsschändungen...
gs
Am Abend des 27. Januar stahlen Unbekannte in Berlin-Steglitz Kränze, die am
gleichen Tag bei einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrations- und
Vernichtungslagers Auschwitz am Mahnmal in der Wismarer Straße niedergelegt
worden waren. In Steglitz befand sich während des Nationalsozialismus ein
Außenlager des KZ Sachsenhausen. Die Polizei fand Reste der Kränze am Ufer des
Teltowkanals, unweit der Gedenkstätte. Zwei Männer beschimpften am 25. Januar in
der Straßenbahn in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) einen Afrikaner mit
ausländerfeindlichen Parolen und warfen eine Flasche nach ihm. Das 21jährige
Opfer wurde am Kopf verletzt. Die Polizei nahm zwei Tatverdächtige fest. Am 23.
Januar ging der Prozess gegen sieben mutmaßliche Mitglieder der verbotenen
Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) in Pirna (Sachsen) zu Ende. Eine Frau wurde
frei gesprochen, fünf der Angeklagten wurden zu Geldstrafen von je 100 Euro
verurteilt. Ein Angeklagter muss 900 Euro zahlen. Den Skinheads waren
Körperverletzung und Landfriedensbruch, einem außerdem Sprengstoffbesitz
vorgeworfen worden. Die Taten lagen bereits fünf Jahre zurück, so dass sich die
Zeugen kaum mehr an Details erinnern konnten. Der Richter entschied sich deshalb
für eine »eher symbolische Geste« gegen die Neonazis. Unbekannte Täter warfen
auf dem jüdischen Friedhof in Nickenich (Rheinland-Pfalz) zehn Grabsteine um und
beschädigten zwei Grabsteine. Auf vier weitere schmierten sie die Worte »Judas«
und »Satan«, ein Pentagramm, ein umgedrehtes Kreuz sowie die Zahl 666. Ein Grab
wurde einen halben Meter tief ausgehoben. Wie die Polizei und die
Staatsanwaltschaft in Koblenz am 22. Januar mitteilten, könnte sich die Tat
bereits zehn Tage zuvor ereignet haben. Ein Polizeisprecher vermutet so genannte
Satanisten als Täter. Die Opferberatungsstelle Reach Out, das Antifaschistische
Pressearchiv und Bildungszentrum (Apabiz) sowie der Verein Tacheles Reden haben
eine Liste mit 66 antisemitischen und rassistischen Übergriffen des Jahres 2003
in Berlin vorgelegt. In 42 Fällen handelte es sich um körperliche Angriffe,
ansonsten um Drohungen und Sachbeschädigungen. Angriffe auf Migranten häuften
sich vor allem in den Bezirken Köpenick und Treptow, antisemitische
Sachbeschädigungen im Stadtteil Mitte. Die Initiativen gehen von einer hohen
Dunkelziffer aus, da viele Opfer aus Angst vor weiteren Bedrohungen keine
Anzeige erstatteten. »Alltägliche« Formen der Diskriminierung würden kaum mehr
erwähnt. In Brandenburg hat die Polizei im vergangenen Jahr 87 rechtsextreme
Gewalttaten registriert, das sind sechs mehr als im Jahr 2002. Es handelt sich
um Delikte wie Körperverletzungen, Brandstiftungen sowie versuchter Mord. Der
Verein Opferperspektive zählte 116 gewaltsame Angriffe von Rechten, bei denen
151 Menschen verletzt wurden. Insgesamt stieg die Anzahl aller Delikte von
Rechtsextremisten auf knapp 1 000.
Jungle World
Jungle World Nummer 7 vom 04.02.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-02-04
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