NS-Prozess:
Ende auf der Zielgeraden
Bikker-Verfahren vor dem Landgericht Hagen war vermutlich
einer der letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse...
Achim Scheve
Mit dem jüngst eingestellten
Verfahren gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher Herbertus Bikker ging vermutlich
einer der letzten, wenn nicht gar der letzte Kriegsverbrecherprozess in der
Bundesrepublik ohne Urteil zu Ende. Der 88-jährige Angeklagte sei auf Dauer
verhandlungsunfähig, hatte das Landgericht Hagen Anfang Februar entschieden (taz
berichtete). Bikker soll im November 1944 im niederländischen Dalfsen einen
Widerstandskämpfer "grausam und aus niederen Beweggründen" ermordet haben. Immer
wieder war der Prozess gegen den ehemaligen niederländischen Angehörigen der
Waffen-SS wegen gesundheitlicher Probleme des Angeklagten unterbrochen worden.
Zuletzt stellte ein Neurologe und Psychiater eine dauerhafte
Verhandlungsunfähigkeit Bikkers fest. Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß räumte ein,
dass der "Prozess ein frustrierendes und unbefriedigendes Ende" nehme.
Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft alle Trümpfe für eine Verurteilung in
der Hand, erst auf den letzten Metern der Zielgeraden scheiterte die Hagener
Anklage. Das insgesamt sieben Jahre dauernde, durch zahllose ärztliche Gutachten
geprägte, Verfahren gegen Bikker wirft ein bezeichnendes Licht auf die Chancen
weiterer NS-Prozesse. Fraglich ist, ob in Deutschland jemals wieder ein
Strafverfahren gegen Nazi-Kriegsverbrecher durchgeführt werden kann. Angesichts
des fortgeschrittenen Alters der allermeisten Verdächtigen werden sich deutsche
Justizbehörden sehr beeilen müssen, um noch ein Urteil gegen
nationalsozialistische Gewalttäter zu bekommen. Im Fall Bikker konnte wegen der
vielen Expertisen und Bulletins nie wirklich befriedigend geklärt werden, was
dem alten Mann eine Verurteilung ersparte: War es nun die Bauernschläue oder die
zunehmende Verblödung des Angeklagten?
die tageszeitung
taz - die tageszeitung Ruhr vom 12.02.2004
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/ 2004-02-12
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