Der Aufmarsch von Neonazis für die »Ehre
der Wehrmachtssoldaten« am 31. Januar ist erlaubt. Nur die gewünschte Route der
Demonstration gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht. Dimension des
Vernichtungskrieges 1941–1944« lehnte die Hamburger Versammlungsbehörde ab.
Darüber ist man beim Aktionsbüro Norddeutschland um Thomas Wulff und Tobias
Thiessen nicht sehr enttäuscht, führt der verordnete Weg doch nahe am
Ausstellungsort vorbei, dem Kulturzentrum Kampnagel in Barmbek. »Auf nach
Hamburg!« frohlockt das Aktionsbüro, schließlich will man vor der »roten und
multikulturell gesinnten Einrichtung« seinen »Unmut über die
Soldatenverleugnung« kundtun.
Der Hamburger Verfassungsschutz (VS) sorgt
sich derweil nicht um die mit dem Aufmarsch einhergehende Verherrlichung des
Nationalsozialismus, die Verbreitung des Antisemitismus oder die Beschönigung
der Verbrechen der Wehrmacht und der Waffen-SS. In einer Presseerklärung warnte
die Behörde am 19. Dezember des vergangenen Jahres den Senat für Inneres, dass
»relativ früh die linksextremistische Szene (…) mit der Planung« gegen den
Naziaufmarsch begonnen habe und »für die ›Antifa-Demonstration‹ auch
überregionale Unterstützung« bekomme. Der Verfassungsschutz erinnerte daran,
dass schon 1997 bei einer Protestdemonstration gegen die Ausstellung »rechte
Marschierer, aber auch die Polizei (…) mit Stein- und Flaschenwürfen attackiert«
worden seien.
Vom 29. Januar bis zum 28. März ist die
Ausstellung des Instituts für Sozialforschung (HIS) um Jan Philipp Reemtsma auf
dem früheren Fabrikgelände zu sehen. Als 1995 die Vorläuferausstellung erstmals
im Kampnagel zu sehen war, nahmen die Neonazis sie gar nicht wahr. Nun hoffen
die so genannten Freien Nationalisten aus dem Netzwerk der Freien
Kameradschaften, dass über 500 Neonazis nach Hamburg kommen. Unter dem Motto:
»Reemtsma lügt – Wahrheit siegt« wirbt das Aktionsbüro in ganz Deutschland für
den Aufmarsch.
Zwei Tage nach der Eröffnung der
Ausstellung und fast genau 71 Jahre nach der Machtübertragung an ihre
politischen Vorbilder wollen die Neonazis »alle Kräfte gegen Reemtsma«
mobilisieren. Auf einer extra eingerichteten Website verteidigen sie die
Wehrmacht und hetzen gegen die »Schandausstellung«. »Nachdem bereits die erste
Ausstellung im November 1999 wegen offenkundiger Fälschung ihre Pforte schließen
musste, ist auch die seit Dezember 2001 umherziehende ›überarbeitete‹ Fassung
der Lüge und Hetze überführt«, heißt es. Beispiele führen die Verfasser nicht
an, dafür benennen sie aber die angeblich Verantwortlichen: »die Juden«.
In der »so genannten
›Überprüfungskommission‹« seien fast nur »Vertreter jener Historikerzunft
gesessen«, beklagen die Kameraden, »die von manchem Geschichtswissenschaftler
und Journalisten als Teil der ›Holocaust-Industrie‹ erkannt worden sind«.
Bezeichnend sei auch, dass »Reemtsma für sein Machwerk von der jüdischen
Gemeinde Berlin mit dem ›Heinz-Galinski-Preis‹ ausgezeichnet« worden sei. »Die
›Wehrmachtsausstellung‹ offenbart sich für uns als Bestandteil eines
geistig-moralischen Vernichtungsfeldzuges (…) gegen uns Deutsche.« Sie rufen
dazu auf, nicht zu warten, »bis der rote Spuk vorbei« sei, sondern »von Anfang
an« zu protestieren.
Das Aktionsbüro kritisiert auch den
Neonazikader Christian Worch. Hat doch Worch, obwohl schon eine Anmeldung für
den Aufmarsch vorlag, für den 27. März eine weitere Demonstration angemeldet.
Seit Monaten streiten die drei Neonazikader über die Notwendigkeit von
Aufmärschen und über Bündnisse mit der NPD. Während Worch häufige Aufmärsche als
die »wirksamste Waffe gegen Repression und fehlerhafte Politik« und eine
Distanzierung von der NPD wegen der V-Mann-Skandale als notwendig erachtet,
plädieren Wulff und Thiessen für eine »Demokultur statt Demotourismus«, auch um
regionale Kameradschaften zu unterstützen, und ergänzende Bündnisse mit der NPD.
Das Aktionsbüro ruft alle Kameraden auf,
»nach dem Jahrestag der Machterhebung« weitere Aktionen durchzuführen. »Was in
den nachfolgenden Wochen während der Ausstellungszeit an öffentlichen
Protestformen möglich ist, wird noch offen gelassen«. Vorschläge für
selbständige Aktionen der Kameradschaften finden sich auf der Website. Die NPD
unterstützt den Aufmarsch, bei dem auch der stellvertretende Vorsitzende der
Partei, Holger Apfel, sprechen soll. Und um der »Taten der Ahnen« willen haben
die geistigen Söhne und Enkel sich sogar ein wenig zusammengerauft. So wirbt das
Aktionsbüro auch für Worchs Aufmarsch unter dem Motto: »Hamburg für die Ehre der
deutschen Wehrmacht«.
Nach dem gelungenen Aufmarsch im Jahr 1997
in München forcierten die Freien Kameradschaften die Aktionen gegen die
Wehrmachtsausstellung. Über 5 000 Neonazis und Rechtskonservative folgten damals
dem Ruf der NPD. Die Partei hatte zusammen mit einigen Unionspolitkern gegen die
Ausstellung Stimmung gemacht. Seitdem verbreiten und nutzen die Freien
Kameradschaften den Mythos von der sauberen Wehrmacht.
1999 explodierte in Stuttgart bei der
Ausstellung eine Bombe. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Im vergangenen
Jahr versuchten Neonazis, anlässlich der Präsentation der Ausstellung in
Peenemünde und Halle mit Parolen wie »Vati, ich bin stolz auf dich« oder »Opa
war in Ordnung – unsere Großväter waren keine Verbrecher« in der Mitte der
Gesellschaft Sympathien zu gewinnen. Zugleich nutzten sie die Aktionen zur
weiteren Ideologisierung ihrer Gefolgschaft und zur Stabilisierung ihrer
Kameradschaftsstrukturen.
Informationen zur antifaschistischen Demonstration am 31. Januar unter:
www.hamburg-gegen-nazis.de.vu