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Wehrmachtsausstellung:
Demokultur der Deppen

In der kommenden Woche wollen Neonazis in Hamburg gegen die Wehrmachtsausstellung marschieren. Der Verfassungsschutz warnt derweil vor der Antifa...

Andreas Speit

Der Aufmarsch von Neonazis für die »Ehre der Wehrmachtssoldaten« am 31. Januar ist erlaubt. Nur die gewünschte Route der Demonstration gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht. Dimension des Vernichtungskrieges 1941–1944« lehnte die Hamburger Versammlungsbehörde ab. Darüber ist man beim Aktionsbüro Norddeutschland um Thomas Wulff und Tobias Thiessen nicht sehr enttäuscht, führt der verordnete Weg doch nahe am Ausstellungsort vorbei, dem Kulturzentrum Kampnagel in Barmbek. »Auf nach Hamburg!« frohlockt das Aktionsbüro, schließlich will man vor der »roten und multikulturell gesinnten Einrichtung« seinen »Unmut über die Soldatenverleugnung« kundtun.

Der Hamburger Verfassungsschutz (VS) sorgt sich derweil nicht um die mit dem Aufmarsch einhergehende Verherrlichung des Nationalsozialismus, die Verbreitung des Antisemitismus oder die Beschönigung der Verbrechen der Wehrmacht und der Waffen-SS. In einer Presseerklärung warnte die Behörde am 19. Dezember des vergangenen Jahres den Senat für Inneres, dass »relativ früh die linksextremistische Szene (…) mit der Planung« gegen den Naziaufmarsch begonnen habe und »für die ›Antifa-Demonstration‹ auch überregionale Unterstützung« bekomme. Der Verfassungsschutz erinnerte daran, dass schon 1997 bei einer Protestdemonstration gegen die Ausstellung »rechte Marschierer, aber auch die Polizei (…) mit Stein- und Flaschenwürfen attackiert« worden seien.

Vom 29. Januar bis zum 28. März ist die Ausstellung des Instituts für Sozialforschung (HIS) um Jan Philipp Reemtsma auf dem früheren Fabrikgelände zu sehen. Als 1995 die Vorläuferausstellung erstmals im Kampnagel zu sehen war, nahmen die Neonazis sie gar nicht wahr. Nun hoffen die so genannten Freien Nationalisten aus dem Netzwerk der Freien Kameradschaften, dass über 500 Neonazis nach Hamburg kommen. Unter dem Motto: »Reemtsma lügt – Wahrheit siegt« wirbt das Aktionsbüro in ganz Deutschland für den Aufmarsch.

Zwei Tage nach der Eröffnung der Ausstellung und fast genau 71 Jahre nach der Machtübertragung an ihre politischen Vorbilder wollen die Neonazis »alle Kräfte gegen Reemtsma« mobilisieren. Auf einer extra eingerichteten Website verteidigen sie die Wehrmacht und hetzen gegen die »Schandausstellung«. »Nachdem bereits die erste Ausstellung im November 1999 wegen offenkundiger Fälschung ihre Pforte schließen musste, ist auch die seit Dezember 2001 umherziehende ›überarbeitete‹ Fassung der Lüge und Hetze überführt«, heißt es. Beispiele führen die Verfasser nicht an, dafür benennen sie aber die angeblich Verantwortlichen: »die Juden«.

In der »so genannten ›Überprüfungskommission‹« seien fast nur »Vertreter jener Historikerzunft gesessen«, beklagen die Kameraden, »die von manchem Geschichtswissenschaftler und Journalisten als Teil der ›Holocaust-Industrie‹ erkannt worden sind«. Bezeichnend sei auch, dass »Reemtsma für sein Machwerk von der jüdischen Gemeinde Berlin mit dem ›Heinz-Galinski-Preis‹ ausgezeichnet« worden sei. »Die ›Wehrmachtsausstellung‹ offenbart sich für uns als Bestandteil eines geistig-moralischen Vernichtungsfeldzuges (…) gegen uns Deutsche.« Sie rufen dazu auf, nicht zu warten, »bis der rote Spuk vorbei« sei, sondern »von Anfang an« zu protestieren.

Das Aktionsbüro kritisiert auch den Neonazikader Christian Worch. Hat doch Worch, obwohl schon eine Anmeldung für den Aufmarsch vorlag, für den 27. März eine weitere Demonstration angemeldet. Seit Monaten streiten die drei Neonazikader über die Notwendigkeit von Aufmärschen und über Bündnisse mit der NPD. Während Worch häufige Aufmärsche als die »wirksamste Waffe gegen Repression und fehlerhafte Politik« und eine Distanzierung von der NPD wegen der V-Mann-Skandale als notwendig erachtet, plädieren Wulff und Thiessen für eine »Demokultur statt Demotourismus«, auch um regionale Kameradschaften zu unterstützen, und ergänzende Bündnisse mit der NPD.

Das Aktionsbüro ruft alle Kameraden auf, »nach dem Jahrestag der Machterhebung« weitere Aktionen durchzuführen. »Was in den nachfolgenden Wochen während der Ausstellungszeit an öffentlichen Protestformen möglich ist, wird noch offen gelassen«. Vorschläge für selbständige Aktionen der Kameradschaften finden sich auf der Website. Die NPD unterstützt den Aufmarsch, bei dem auch der stellvertretende Vorsitzende der Partei, Holger Apfel, sprechen soll. Und um der »Taten der Ahnen« willen haben die geistigen Söhne und Enkel sich sogar ein wenig zusammengerauft. So wirbt das Aktionsbüro auch für Worchs Aufmarsch unter dem Motto: »Hamburg für die Ehre der deutschen Wehrmacht«.

Nach dem gelungenen Aufmarsch im Jahr 1997 in München forcierten die Freien Kameradschaften die Aktionen gegen die Wehrmachtsausstellung. Über 5 000 Neonazis und Rechtskonservative folgten damals dem Ruf der NPD. Die Partei hatte zusammen mit einigen Unionspolitkern gegen die Ausstellung Stimmung gemacht. Seitdem verbreiten und nutzen die Freien Kameradschaften den Mythos von der sauberen Wehrmacht.

1999 explodierte in Stuttgart bei der Ausstellung eine Bombe. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Im vergangenen Jahr versuchten Neonazis, anlässlich der Präsentation der Ausstellung in Peenemünde und Halle mit Parolen wie »Vati, ich bin stolz auf dich« oder »Opa war in Ordnung – unsere Großväter waren keine Verbrecher« in der Mitte der Gesellschaft Sympathien zu gewinnen. Zugleich nutzten sie die Aktionen zur weiteren Ideologisierung ihrer Gefolgschaft und zur Stabilisierung ihrer Kameradschaftsstrukturen.

Informationen zur antifaschistischen Demonstration am 31. Januar unter: www.hamburg-gegen-nazis.de.vu

Jungle World
Jungle World nzmmer 5 vom 21.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-21

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