Erdrückend liegt die Ordensburg Vogelsang
auf dem Bergrücken südlich des Urftsees in der Eifel. 210 Meter lang ist die
einförmige Steinfront, am Berghang darunter gruppieren sich monotone
Wohnbaracken. Parteikader werden hier ausgebildet, verkündet die Lokalpresse im
November 1936 stolz, der ideale Mann: »Nationalsozialist im Denken, Glauben,
Fühlen und Handeln, der das Geheimnis von Blut und Boden als oberstes Gesetz
anerkennt, niemals an sich, immer nur an sein Volk denkt.«
70 Jahre nach der Grundsteinlegung ist die
Ordensburg Vogelsang erneut Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit. Denn der
nordrhein-westfälische Bauminister Michael Vesper (Grüne) schlug vor, die
Wehrmachtsausstellung dauerhaft auf der Ordensburg zu zeigen. Möglicherweise hat
er damit die deutsche Neonaziszene erst daran erinnert, dass die
NS-Kaderschmiede eigentlich zu ihren Kultstätten gehören könnte.
»Wir denken beispielsweise an ein
Jugendgästehaus oder eine Jugendbegegnungsstätte«, erklärte Vesper und verwies
auf die Rolle, die die Erinnerungskultur dabei spielen solle. »Entscheidend ist,
dass die Ordensburg kein Wallfahrtsort für Nazis wird und sich das Konzept
harmonisch in den Nationalpark einfügt.« Doch kaum etwas haben alte und junge
Nazis in den vergangenen Jahren so konsequent angegriffen wie die
Wehrmachtsausstellung. Erst kürzlich wurde der Initiator des Projekts, Jan
Philipp Reemtsma, bei einem Vortrag in Duisburg von Neonazis mit Eiern beworfen;
am 31. Januar wollen die Kameraden in Hamburg demonstrieren, der letzten Station
der Wehrmachtsausstellung. In der Eifel dürfte sich die Demonstrationsserie
fortsetzen, sollte Vespers Vorschlag verwirklicht werden.
US-Truppen nahmen die Ordensburg im
Februar 1945 ein, im Jahr 1950 erhielt das in Nordrhein-Westfalen stationierte
erste belgische Corps das Gelände als Truppenübungsplatz. Im Laufe des Jahres
2005 will die belgische Armee nun den südöstlich von Aachen gelegenen Ort
räumen, er soll in den Nationalpark Eifel integriert werden, der am 1. Januar
eingeweiht worden ist. Die Diskussion über die zukünftige Nutzung der ehemaligen
NS-Kaderschmiede ist in vollem Gange.
Vielerlei Möglichkeiten böte das riesige
Areal. Vergnügungspark, Wellnesstempel, Quartier für Massentourismus – manche
der öffentlich genannten Vorschläge erinnern an die Gedanken Robert Leys, der
Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und NSDAP-Reichsorganisationsleiter war
und der neben der Ordensburg ein »Kraft durch Freude«-Hotel errichten wollte.
Die Ordensburg Vogelsang, die neben den
Ordensburgen Sonthofen im Allgäu und Crössinsee (damals Pommern) eine der drei
Ausbildungsstätten für den Führungsnachwuchs war, ist schon architektonisch ein
Dokument nationalsozialistischen Größenwahns. Der Kölner Architekt Clemens
Klotz, der spätere Erbauer des KdF-Seebades Prora, orientierte sich bei der
Auswahl des Bauplatzes und der Gestaltung der Bauwerke zudem an der damals
gängigen Ideologie des Heimatschutzes, derzufolge die Architektur sich den
landschaftlichen Gegebenheiten anpassen sowie auf regionale Baustoffe
zurückgreifen müsse.
Auch dem Führerprinzip hat Klotz einen
steinernen Ausdruck verliehen. Hoch oben auf dem Bergrücken steht die Ordensburg
mit der Kommandantur, darunter, an den Hang gepresst, befinden sich die
Wohnbaracken der Schüler – ganz entsprechend dem Prinzip von Befehl und
Gehorsam.
1934 hatte der aus dem Rheinland stammende
Robert Ley den Bau der drei Ordensburgen in Auftrag gegeben. In ihnen sollte die
höchste Form nationalsozialistischer Menschenformung praktiziert werden,
elitärer noch als in den Adolf-Hitler-Schulen und den so genannten
Nationalpolitischen Erziehungsanstalten. Aufgenommen wurden nur deutsche Männer,
die Arbeits- und Militärdienst geleistet und sich in der Partei hervorgetan
hatten. »Die höchsten Führerstellen in Staat und Bewegung«, so versprachen
Werbeschriften, sollten nach der Ausbildung den »Junkern« offen stehen, wie die
Schüler in Anlehnung an den mittelalterlichen Deutschen Orden genannt wurden,
der auch für die Bezeichnung Ordensburg das Vorbild abgab.
»Alle männlichen Tugenden des Mutes, der
Entschlusskraft, der Kühnheit, der Selbstzucht, des freiwilligen Gehorsams, der
Kameradschaft und der Treue« verlangte der alkoholabhängige Chemiker Ley von den
»Junkern«, die meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren die dreijährige
Ausbildung begannen. Je ein Jahr waren sie in den 1936 eröffneten drei
Ordensburgen stationiert, die jeweils Schwerpunkte hatten: Crössinsee die
»charakterliche« Ausbildung, Sonthofen den Unterricht in den Fächern Verwaltung,
Diplomatie und Militär. Vogelsang, das »Bollwerk des Westens«, spezialisierte
sich auf die »Rassenlehre« und die NS-Geschichtsphilosophie.
»Es ist ganz wichtig, darauf zu achten,
dass die Burg nicht zu einer Pilgerstätte für Nazis wird«, mahnte der Kölner
Regierungspräsident Jürgen Roters (SPD) schon im vergangenen Jahr. Die
Befürchtung ist begründet. »Die Nazis haben bisher zwar noch keinen Anlauf
genommen, an die Tradition der Junkerschulen anzuknüpfen«, erklärt Kurt Heiler
von der VVN-BdA in Aachen. »Aber mehrfach haben die Republikaner gegen die
belgische Armee protestiert und ›Besatzer raus!‹-Flugblätter verteilt.« Wenn die
Abriegelung des Geländes durch das belgische Militär aufgehoben wird, steht die
Ordensburg mit ihrer historischen Thingstätte ungeschützt da.
Einen angemesseneren Vorschlag, wie mit ihr dann zu verfahren sei, machte im
Dezember Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland.
»Die Ordensburg ist ein reiner Täterort«, rief er in Erinnerung. »Muss man sie
unter immens hohen Kosten sanieren, während man gleichzeitig die KZ-Gedenkstätte
Lichtenburg mit dem Argument hoher Kosten verfallen lässt?« Andersherum wäre es
richtig, meint Spiegel. »Die Ordensburg Vogelsang bewusst verfallen lassen und
sie in diesem Zustand als Lernort nutzen, dafür aber die KZ-Gedenkstätte
Lichtenburg sanieren.«