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[Der Pressespiegel im Klick nach Rechts]

Hamburg:
Gegen Pro, Paro & Co

In Hamburg hat der Wahlkampf begonnen. Ronald Schills Beteiligung an der Regierung bewirkte einen Rechtsruck aller großen Parteien...

Agnes Sauer

Von den Wahlplakaten lächelt der SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow, seiner philosophisch-optimistischen Aussage »Klarheit und Wahrheit« widerspricht allerdings die kleine Sorgenfalte im Gesicht. Die Grünen laden zur »Damenwahl« mit Christa Goetsch; sie wollen »Schluss mit Peinlichkeiten« machen und schreiben auf ihre Plakate jeder Interpretation offene Parolen wie: »Hamburg kann’s besser.« Unmissverständlich ist dagegen der Befehlston der CDU. Unter dem Konterfei des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust steht schlicht: »Ole wählen«.

Der Hamburger Wahlkampf ist in vollem Gange. Die Bürgerschaftswahlen trafen die politischen Parteien und Gruppierungen unvorbereitet: Mitte Dezember ging das parlamentarische Kasperletheater zu Ende, die Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei platzte, und als Wahltermin wurde der 29. Februar festgelegt.

Etwas Besonderes ist auch die Parteienlandschaft mit der Schill-Partei und dem durch sie verstärkten Rechtsruck der gesamten politischen Klasse. Die rechtpopulistische Partei hat den neoliberalen Umbau der Stadt in einem Tempo und in einem Ausmaß vollzogen, wie es keine der bürgerlichen Parteien allein hätte schaffen können. Aber alle werden jetzt darauf aufbauen.

Und Schill selbst? Vor zwei Jahren hatten ihn knapp 20 Prozent der Hamburger gewählt und damit zur Ablösung der SPD als Regierungspartei nach 44 Jahren beigetragen. Nun treten zwei Parteien an, die aus der einstigen Partei Rechtsstaatliche Offensive (Pro) hervorgegangen sind: Schill und fünf Getreue aus der »Ronald-Schill-Fraktion« sind der Partei des Eurogegners Bolko Hoffmann beigetreten und kandidieren gemeinsam unter dem Namen Pro Deutsche Mitte (Pro DM/Schill). Der Rest der ehemaligen Pro um Innensenator Dirk Nockemann und Bausenator Mario Mettbach verwendet jetzt das neue Kürzel Paro.

Das einstige SPD-Mitglied Nockemann rechnet mit einem »Potenzial von sieben bis acht Prozent für eine aufrechte, konservative Politik«, wie sie die Paro vertrete. Die Partei versucht, ihr Image als Protestpartei loszuwerden, ihre Kandidaten wollen jenseits aller Tabubrüche und Provokationen à la Schill ernst genommen werden.

Die CDU schlürft unterdessen Kaffee an den Alsterarkaden. Dort hat sie nämlich das Café Ole eröffnet, und es fügt sich gut, dass auch der Kaffeeunternehmer Albert Darboven für den CDU-Politiker wirbt; sein Kaffee wird in der Wahlkampflounge kostenlos serviert. Mit guten Umfrageergebnissen und einer handvoll Prominenter wie Uwe Seeler und der Starfriseurin Marlis Möller im Rücken startete Beust den Wahlkampf. Nach der Infratest-dimap-Umfrage käme die CDU derzeit auf 45 Prozent, SPD und Grüne erhielten zusammen 43 Prozent (SPD 30, Gal 13). Die Partei Pro DM/Schill um den früheren Innensenator bekäme wie die FDP vier Prozent, Paro ein Prozent.

Inhaltlich liegen die Parteien nicht weit auseinander. Alle setzen auf die Themen Bildung, Innere Sicherheit und Verkehr. »Wachsende Stadt« lautet das Motto, unter dem Hamburg zu einer nordeuropäischen Metropole ausgebaut werden soll.

Der SPD-Kandidat Mirow möchte gerne seine Politik als früherer Wirtschaftssenator weiterführen. Damals holte er die Endfertigung für den Super-Airbus A380 nach Hamburg-Finkenwerder. Gegen die Proteste von Umweltschützern wurde dafür ein Teil des Elbe-Süßwasserwatts Mühlenberger Loch zugeschüttet. Gefördert werden sollen die Hafenwirtschaft, die Biotechnologie und die Luftfahrtindustrie.

Zwar verspricht die SPD mehr Lehrer und Kitaplätze, nimmt Vokabeln wie »soziale Gerechtigkeit« in den Mund und lehnt die vollständige Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) ab. Doch der Repressionskurs, den die SPD bereits vor Schill und stets mit Billigung der Gal verfolgt hat, wird beibehalten. Wie gehabt sollen kriminelle Kinder und Jugendliche eingesperrt und mutmaßliche Drogendealer mit Brechmitteln misshandelt werden.

Als Innensenator einer SPD-Regierung ist der Bundeswehroffizier Michael Neumann vorgesehen, der für Ordnung und Sauberkeit wirbt, »hart gegen Kriminelle und die Mafia« vorgehen und offensichtlich die rigide Abschiebepolitik fortsetzen will. Ein Ordnungsdienst für Spielplätze, Parks und Grünanlagen mit mehreren hundert Mitarbeitern soll aufgebaut und 4 000 Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen zu Zwangsdiensten in den Stadtteilen herangezogen werden. Somit dürfte sich die Politik gegen Arme, die maßgeblich von der CDU-Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram begonnen wurde, sowohl unter einer CDU-Regierung als auch unter Rot-Grün fortsetzen.

Nachdem einige Linke im Sommer noch Freudentänze vor der Roten Flora wegen Schills Rauswurf aus dem Senat vollführt hatten, stellte sich rasch Ernüchterung ein. Die Freude über die Erfüllung des Demo-Slogans »Schill muss weg« wich der Erkenntnis, dass der Rechtsruck, den er bei CDU, SPD und Gal bewirkt hat, nachhaltig ist.

Für die Linke links der Gal kommen die Wahlen zu einem ungünstigen Zeitpunkt, fristen sie doch derzeit ein kärgliches Dasein. Zwar gab es nach den letzten Bürgerschaftswahlen im Frühjahr 2002 große Sozialproteste, im Winter 2002 folgten die Demonstrationen anlässlich der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule. Doch die radikalen Proteste ließen nach, andere, auch von der grün-bürgerlichen Seite, richteten sich gegen die Kita-Gutscheine, gegen Kürzungen im Bildungsbereich sowie die Schließung von Drogeneinrichtungen und Frauenhäusern. Seit Wochen streiken nun die Studenten für »Bildung für alle und umsonst«.

Dennoch gibt es keine relevante linke politische Kraft in Hamburg, die die verschiedenen Aktivitäten zusammenführen könnte. Eine Handvoll Linker bildete ein linksalternatives Wählerbündnis, nachdem Mitte Dezember 300 Menschen öffentlich über die Frage einer linken Wahloption in Hamburg diskutiert hatten. Nun wird »Regenbogen – Für eine neue Linke«, eine Gruppe, die sich 1999 von der Gal abgespalten hat, gemeinsam mit der PDS antreten.

Auf der offenen Liste stehen neben der früheren Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann und Yavuz Fersoglu (PDS) auch der DKP-Bezirksvorsitzende Olaf Harms, Bernd Welte vom ehemaligen Bauwagenplatz Bambule sowie Gewerkschafter und Vertreter der Studierenden. Damit sollen auch nicht organisierte und Bewegungslinke angesprochen werden, kurz: alle, die zwei Jahre lang gegen die Senatspolitik protestierten. »Wir wollen zeigen, dass es in Hamburg das Bedürfnis nach einer politischen Alternative links von SPD und Gal gibt«, sagt Dirk Hauer vom Regenbogen-Vorstand.

Wie immer in Wahlzeiten üben sich die Linken in taktischen Überlegungen, malen Szenarien aus oder lehnen die Wahl ohnehin ab. Angesichts des erheblichen rechtspopulistischen Potenzials in Hamburg herrscht aber auch Ratlosigkeit. »Ich wähle Regenbogen, denn wenn die Wahlbeteiligung gering ist, nützt es nur den Pfeifenköpfen«, sagen die einen, außerdem solle der Regenbogen, der im Jahr 2001 auf 1,7 Prozent der Stimmen kam, wenigstens wieder seine Wahlkampfkosten erstattet bekommen. Andere wollen in jedem Falle die absolute Mehrheit der CDU abwenden: »Wenn ich aus taktischen Gründen wähle, dann die Gal«, sagt eine linke Hamburgerin. »Aber man kann es auch einfach lassen.«

Jungle World
Jungle World Nummer 6 vom 28.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-28

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