Die
Polizei hat in München einen 86-jährigen Mann verhaftet, der als Kommandeur
einer Spezialeinheit an mehreren Massakern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs
beteiligt gewesen sein soll. Wie die Münchner Staatsanwaltschaft gestern
erklärte, befehligte der gebürtige Slowake Ladislav Niznansky eine slowakische
Abteilung, die damals gemeinsam mit deutschen Truppen zur Bekämpfung von
Partisanen eingesetzt wurde.
Im
Januar 1945 ermordete diese Einheit in den slowakischen Orten Ostry Grun und
Klak insgesamt 146 Menschen, darunter 70 Frauen und 51 Kinder. Außerdem soll
Niznansky, damals 27 Jahre alt, im Februar 1945 die Erschießung von 18 jüdischen
Zivilisten in der Gemeinde Ksina befohlen haben.
Der
leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte der taz, Niznansky
habe angeordnet, die Juden zu erschießen, die sich in Erdbunkern versteckt
hätten. Dazu ließ er ein Hinrichtungskommando zusammenstellen. Unter den Opfern
seien acht Frauen und sechs Kinder gewesen. Niznansky war zu jener Zeit laut
tschechischen Zeitungsberichten auch Führungsmitglied des faschistischen
"Edelweiß"-Verbandes in der Slowakei.
Nach dem Krieg tauchte Niznansky unter und lebte seit 1947 offensichtlich
abwechselnd in Österreich und Deutschland. Zeitweilig arbeitete er als Reporter
für den US-Radiosender "Radio Free Europe" in München, wahrscheinlich auch für
andere Medien. Bislang sei Niznaskys Biografie nicht lückenlos zu recherchieren
gewesen, teilte die Münchner Staatsanwaltschaft mit.
Der
Verhaftete schweigt bislang. Sicher ist, dass Niznansky 1996 die deutsche
Staatsbürgerschaft erhielt. Später lebte er in einer Wohnung am Münchner
Ostpark, wo er am Freitag auch verhaftet wurde. Bereits 1962 war Niznansky in
Abwesenheit von einem Gericht im slowakischen Banská Bystrica zum Tode
verurteilt worden.
Wegen dieser Verurteilung wandte sich das slowakische Justizministerium Anfang
2001 an die deutschen Behörden, nachdem bekannt geworden war, dass Niznansky in
München lebt. Er bestritt gegenüber den deutschen Ermittlern jetzt alle
Vorwürfe.
Daraufhin entsandte die Münchner Staatsanwaltschaft einen Vertreter nach
Tschechien und in die Slowakei, der dort Archive und Gerichtsunterklagen
einsehen und mehrere Zeugen befragen konnte. Diese Zeugenaussagen lieferten
letztlich die Grundlage für die Festnahme des 86-Jährigen. Laut Oberstaatsanwalt
Schmidt-Sommerfeld fand sich auch "ein Augenzeuge, der als Kind bei einem der
Massaker mit dem Leben davongekommen ist" und der Niznansky identifizieren
konnte.
Der
mutmaßliche Kriegsverbrecher sitzt nun in München in Untersuchungshaft. Eine
allzu lange Haft vor Prozessbeginn will die Staatsanwaltschaft allerdings nicht
riskieren.
Bis
zum Frühjahr soll bereits Anklage erhoben werden, sodass noch in diesem Jahr der
Mordprozess vor dem Münchner Schwurgericht beginnen könnte. Schmidt-Sommerfeld
schätzt den 86-Jährigen als verhandlungsfähig ein. Er sei in einem
"altersentsprechend guten Gesundheitszustand".
Wenn alle Vorwürfe vor Gericht belegt werden können, wird Ladislav Niznansky das
"Gefängnis wohl nicht mehr verlassen", sagte der Oberstaatsanwalt. Dem einstigen
Faschistenführer wird Mord in 146 Fällen zur Last gelegt.
Niznanskys Verhaftung ist der zweite spektakuläre Erfolg, den die Justizbehörden
in Deutschland, Tschechien und der Slowakei bei ihren gemeinsamen Ermittlungen
gegen nationalsozialistische Kriegsverbrecher verbuchen können. Im Jahr 2001 war
der frühere Aufseher eines Gestapo-Gefängnisses in Theresienstadt, Anton
Malloth, wegen Ermordung eines Häftlings zu lebenslanger Haft verurteilt worden.