Popkultur:
Eier für Deutschland
Proteste gegen Mia...
Johannes Radke
Bevor das Mia-Konzert richtig angefangen hatte, war es auch
schon wieder vorbei. Gleich nach ihrem ersten Lied und einem Hagel aus Eiern und
Tomaten brachen die Sängerin Mieze und ihre Bandkollegen den Auftritt ab, den
Mia in der vergangenen Woche bei einem Solikonzert für die streikenden Studenten
absolvieren wollte. Die dem Abbruch folgende, hilflose Ansage des verheulten und
an der Nase blutenden Gitarristen der Popgruppe ging in »Nie wieder
Deutschland«-Rufen unter. Transparente mit Aufschriften wie »Kein
Lifestyle-Nationalismus« und »Deutschland halt’s Maul« zeigten, wie wenig
Verständnis die meisten Menschen im Publikum für Mias positiven Bezug auf die
deutsche Nation hatten.
Die nächste Band, Ginsengbonbons, distanzierte sich
ausdrücklich von jeglicher Form des Nationalismus und fasste mit Blick auf die
mit Eiern übersäte Bühne zusammen, was viele dachten: »Wer Scheiße sät, wird
Scheiße ernten.«
Dabei hätte alles so schön werden können. Wollte die coole
Elektropunkband Mia, die im vorigen Jahr zu Solikonzerten für die Hamburger
Wagenburg Bambule und zur linksradikalen 1. Mai-Demo in Berlin angetreten war,
doch mit einem Auftritt im Rahmen der Studierendenproteste erneut unter Beweis
stellen, wie sehr sie die revoltierende Jugend unterstützt.
Wäre da nicht im vergangenen Oktober der plötzliche
Sinneswandel der Band in Form einer EP mit dem Lied »Was es ist« gewesen.
(Jungle World, 49 und 52/03) Fortan hieß es für Mia zwar immer noch, die Welt
verbessern zu wollen, aber allem voran erstmal Deutschland. Die Band zeigte sich
auf Fotos nur noch in Schwarz-Rot-Gold und gründete zu allem Überfluss auch noch
ein Kunstprojekt mit dem Titel »Angefangen«, welches sich mit derselben Thematik
beschäftigen sollte.
Die Konzertgruppe, die Mia zum Protest-Festival eingeladen
hatte, wurde schon bald von verschiedenen Seiten auf die fragwürdigen Positionen
der Band hingewiesen. Den Auftritt abzusagen, trauten sie sich jedoch nicht, da
eine Klage wegen Vertragsbruchs befürchtet wurde. Am Vorabend des Konzerts
kochten bei einer Podiumsdiskussion mit dem Mia-Label R.O.T. die Emotionen so
hoch, dass abzusehen war, dass der Auftritt am folgenden Tag nicht ohne
Zwischenfälle verlaufen würde. Vielleicht hätte Mia zu diesem Zeitpunkt von
selbst darauf kommen können, das Konzert lieber abzusagen.
Doch die Band sieht sich als Teil einer popkulturellen
Strömung, die sich bisher in der Linken zu Hause gefühlt hat. Dass gerade sie
plötzlich eine neue Form von Lifestyle-Nationalismus propagiert und es sich zum
erklärten Ziel macht, »die schwere Bedeutung der deutschen Farben neu zu
belegen«, erzeugt bei Menschen, die in Mia bisher einen Teil linker Popkultur
gesehen haben, besonders viel Unmut. Dass es auch anders geht, zeigen Bands wie
Tocotronic, die auf ihrer Website klarstellen: »Wir lehnen Nationalismus,
Deutschtümelei und Heimatverehrung ab und weigern uns, unsere Musik unter solche
Begriffe subsumieren zu lassen.«
Die Diskussion um die politische Ausrichtung Mias geht nun wohl ihrem Ende
entgegen. Mittlerweile haben einige linke Veranstalter Konzerte der Popgruppe
abgesagt. Und mit dem erzwungenen Abbruch des Konzerts dürfte sich die linke
Szene von Mia verabschiedet haben
Jungle World
Jungle World Nummer 5 vom 21.01.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-01-21
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