Jewish Claims Conference:
Jüdische Ansprüche gerettet
Die "Globalanmeldung" von Rückerstattungsansprüchen
Unbekannter war unter bestimmten Bedingungen zulässig...
Die Rückgabe und Entschädigung jüdischer Grundstücke in Ostdeutschland kann
weitergehen. Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht Ende Oktober die
Anträge der Jewish Claims Conference (JCC) als teilweise unwirksam
eingestuft. Doch aus dem jetzt schriftlich vorliegenden Urteil ergibt sich:
Die Claims Conference muss künftig nur etwas mehr Aufwand betreiben.
In Westdeutschland wurden "arisierte" jüdische Grundstücke relativ bald nach
1945 zurückgegeben oder entschädigt. Dagegen fühlte sich die DDR nicht für
Zwangsverkäufe und NS-Enteignungen zuständig. Erst nach der ostdeutschen
Wende stand das Thema auf der politischen Tagesordnung.
Zwei wichtige Klauseln konnte die Claims Conference damals im "Gesetz zur
Regelung offener Vermögensfragen" unterbringen. Zum einen sollten jetzt
nicht nur die kommunistisch enteigneten Grundstücke, sondern auch das ab
1933 "arisierte" jüdische Eigentum zurückgegeben oder zumindest entschädigt
werden. Außerdem sollte die Jewish Claims Conference selbst
forderungsberechtigt sein, wenn keine Betroffenen mehr leben und sich auch
keine Nachfahren melden. Denn weder die Erben der NS-Gewinnler noch der
deutsche Staat sollten davon profitieren, dass die ostdeutschen Juden
vertrieben oder vernichtet wurden.
Große Probleme bereitete der Claims Conference allerdings die Sperrfrist,
die im Juli 1992 ins Vermögensgesetz eingebaut wurde. Schon sechs Monate
später - bis zum 31. Dezember 1992 - sollten alle Ansprüche angemeldet sein.
Doch hatte die JCC anders als private Antragsteller kein persönliches oder
in der Familie weitergegebenes Wissen über verlorene Werte. Auch waren
ostdeutsche Archive damals noch nicht zugänglich oder in schlechtem Zustand.
Als Notlösung behalf sich die JCC kurz vor Ablauf der Frist mit drei
"Globalanmeldungen". Damit wurden alle jüdischen Grundstücke
zurückgefordert, die der JCC später noch bekannt werden sollten.
Die Vermögensämter akzeptierten die Globalanmeldungen auch jahrelang. Für
Gefahr sorgte erst ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr
2002. Dort verlangte man, dass auch im Fall der Claims Conference lediglich
die bis Ende 1992 eingereichten Anträge als fristgerecht gelten. Nur so
könne das Ziel der Frist - Rechtssicherheit - erreicht werden. Damit waren
immerhin zwei Drittel der bisher rund 100.000 JCC-Anträge in Frage gestellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Streit mit einem Kompromiss beendet.
Nur eine der drei Globalanmeldungen von Ende Dezember 1992 sei so konkret,
dass damit Grundstücke "individualisiert" werden konnten. Diese "Anmeldung
3" verweist auf Archive und Aktenbestände, die damals in einer mehr als 70
Seiten umfassenden Liste aufgezählt wurden. Überzeugend ist das nicht.
Manche der aufgeführten Archive befanden sich in Russland oder Israel oder
waren nicht zugänglich. Faktisch konnte sich auch anhand der Globalanmeldung
3 niemand Gewissheit verschaffen.
Die Claims Conference ist inzwischen zufrieden. Direkt nach dem Urteil hatte
Karl Brozik, der Direktor der JCC in Deutschland, noch vor "unüberwindbaren
Hürden" gewarnt. Doch nach Studium der jetzt veröffentlichten
Urteilsbegründung kommt JCC-Anwalt Stefan Minden zu einem milderen Schluss:
"In den allermeisten Fällen wird uns der Nachweis gelingen, dass die
Immobilie in einem der aufgeführten Archive erwähnt war."
Die neuen bürokratischen Anforderungen sind für 38.000 noch unbearbeitete
Anträge relevant. Auf bereits rechtskräftige Entscheidungen haben sie faktisch
keine Auswirkungen.
die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 03.01.2004
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/ 2004-01-03
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