Jewish Claims Conference:
"Verspätete" jüdische Erben
Was entfernte Verwandte von Grundbesitzern beanspruchen,
fehlt sozialen Projekten für Holocaust-Überlebende: So begründet die Jewish
Claims Conference, dass sie nicht aktiv nach Erben sucht...
Christian Rath
Mit den Erlösen der ehemals jüdischen Grundstücke in Ostdeutschland
unterstützt die JCC Holocaust-Überlebende auf der ganzen Welt. Deshalb ist
die Claims Conference nicht unbedingt glücklich, wenn später doch noch ein
jüdischer Erbe auftaucht und den Erlös für sich beansprucht.
Doch die JCC kommt um das Abgeben nicht herum. Schließlich konnte nur sie
mit Hilfe der Globalanmeldung die knappe Frist im Jahr 1992 wahren. Die
Nachfahren der ehemaligen jüdischen Eigentümer hatten diese Möglichkeit
nicht. Deshalb hat die Claims Conference bald einen Goodwill-Fonds
eingerichtet, aus dem sie "verspäteten Antragstellern" immerhin 80 Prozent
der erlösten Summe auszahlt. Bis Ende 2002 wurden so 157 Millionen Euro
(etwa 15 Prozent der Einnahmen) an Erben überwiesen. Mit 150 Millionen Euro
an künftigen Zahlungen wird gerechnet.
Allerdings sucht die JCC nicht aktiv nach den Erben, und auch mit Namen und
Adressen von rückerstattetem Vermögen geht die Organisation sehr vorsichtig
um. Sie will so verhindern, dass windige Geschäftemacher sich auf die Suche
nach entfernten ahnungs- und beziehungslosen Verwandten machen, mit denen
sie die "Beute" teilen.
Vertreter von Überlebenden-Organisationen, wie Leo Rechter von der National
Association of Jewish Child Holocaust Survivors in New York, kritisieren die
JCC für diesen zurückhaltenden Ansatz: "Es gibt hier einen grundsätzlichen
Mangel an Sensibilität." Die innerjüdische Kritik kulminierte in der
wütenden Polemik von Norman Finkelstein, der die JCC zur
"Holocaust-Industrie" rechnete, weil sie sich am Eigentum jüdischer Erben
bereichere.
In diesem Klima scheiterte auch der Versuch der JCC, für den Goodwill-Fonds
eine abschließende Antragsfrist zum 31. Dezember 1998 einzuführen.
Inzwischen hat die Claims Conference allerdings eine neue Frist beschlossen.
Bis Ende April 2004 müssen sich Erben nun spätestens melden. "Wer Ansprüche
geltend machen will, hatte dann weit mehr als zehn Jahre Zeit", erklärt
Cornelia Levy vom Frankfurter JCC-Büro, "wir brauchen Planungssicherheit."
Die Frist werde in jüdischen Zeitungen auf der ganzen Welt angekündigt.
Außerdem wurde im Internet (www.claimscon.org) endlich auch die lange
geforderte Namensliste der ehemaligen jüdischen Eigentümer in Ostdeutschland
veröffentlicht - allerdings ohne Angabe der von der JCC erhaltenen
Entschädigung, um keine Begehrlichkeiten zu wecken. Sicherheitshalber können
auch entfernte Verwandte, wie Cousinen dritten Grades, beim Goodwill-Fonds
keine Anträge mehr stellen.
"Es ist doch wichtiger, dass das Geld bei Holocaust-Überlebenden ankommt",
argumentiert Levy. Mehr als 450 Millionen Dollar wurden aus diesem Topf in
den letzten Jahren weltweit an Zuwendungen verteilt. 80 Prozent davon gehen
an soziale Projekte zugunsten von Überlebenden. Bis zu 20 Prozent dienen der
Holocaust-Forschung und pädagogischer Erinnerungsarbeit.
Um die Ansprüche entfernter Erben zu relativieren, verweist die JCC gerne auf
Projekte im armen Osteuropa wie "Essen auf Rädern" für Überlebende in Kiew. Doch
in die ehemalige UdSSR floss zum Beispiel 2001 kaum etwas aus diesem Topf. Die
dortigen Suppenküchen wurden vor allem aus der deutschen Zwangsarbeiter-Stiftung
finanziert. Die ostdeutschen Erlöse gingen zu zwei Dritteln nach Israel, wo auch
die größte Zahl an Holocaust-Überlebenden wohnt, und zu weiteren 20 Prozent in
die USA. Laut Jahresbericht 2002 hat die JCC-Unterstützung immerhin zu einer
"Revolution der geriatrischen Behandlung in Israel" beigetragen. Doch die JCC
betont, dass sie nicht nur Institutionen wie Altersheime unterstützt, sondern
verstärkt auch individuelle Hilfen wie Besuchsdienste und Psychotherapie
finanziert werden.
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die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 03.01.2004
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/ 2004-01-03
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