Nach der
Insolvenzmeldung der I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung am 10. November 2003
hat ein unwürdiges Geschacher um ihr geringes Restvermögen und um ihre möglichen
Ansprüche gegenüber der Schweizer Großbank UBS begonnen. Einige Anwälte und
Aktionäre wollen sich die Taschen füllen. Die involvierten Banken missachten
offen ihre historische Verantwortung im Umgang mit den letzten Geldern des
I.G.-Farben-Konzerns, der die NSDAP finanzierte, das Mordgas Zyklon B
produzierte und Zehntausende im konzerneigenen Konzentrationslager Monowitz
"durch Arbeit vernichtete".
Unabhängig von
allen juristischen Schachzügen gehört das Restvermögen der I.G. Farben moralisch
allein den überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern des Konzerns,
die ihre Gesundheit für dieses Vermögen opferten. Es muss zu ihrer Entschädigung
und zur Aufarbeitung der verbrecherischen Geschichte des Konzerns verwendet
werden.
Deshalb müssen
schnellstmöglich ordentliche Insolvenzverfahren über die I.G. Farben AG und ihre
sämtlichen Tochterfirmen eröffnet werden. Das Amtsgericht Frankfurt am Main und
die vorläufige Insolvenzverwalterin Angelika Amend stehen in der Verantwortung,
einen späten aber bedeutsamen Schritt in Richtung historischer Gerechtigkeit zu
gehen. Die überlebenden Opfer des Konzerns sind seine wichtigsten Gläubiger, und
als solche müssen sie im Insolvenzverfahren anerkannt werden.
Die
Gläubigerbanken der I.G. Farben - allen voran die HSH Nordbank - mögen
juristischen Anspruch auf "ihr" Geld besitzen. Moralisch gehört ihnen kein Cent.
Wenn durch den Verkauf der Immobilien der Farben-Tocher AWM KG zum
wahrscheinlich letzten mal liquide Mittel des einstigen Mordkonzerns bewegt
werden, darf dieses Restvermögen nicht stillschweigend in Banktresoren
verschwinden. Die Immobilien wurden gekauft mit dem Vermögen, das die
Zwangsarbeiter erarbeiten mussten.
Der
Bundestagsabgeordnete Otto Bernhardt (CDU) und der Rechtsanwalt Volker Pollehn
haben als letzte Liquidatoren der I.G. Farben AG i.A. versagt. Nach der offenen
Plünderung des Firmenvermögens durch ihre Vorgänger haben sie zwar eine
firmeneigene Stiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter und zur Aufarbeitung
der Firmengeschichte gegründet, diese aber nur mit lächerlichen 256.000 Euro
ausgestattet. Weil die Stiftung von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens
nicht betroffen ist, amtieren Bernhardt und Pollehn bis heute als deren
Vorstand. Sie sind aufgefordert, diese Posten für legitime Vertreter der
überlebenden Opfer zu räumen.
Von der
angekündigten Klage des US-Anwalts Ed Fagan distanzieren sich die Liquidatoren,
lassen ihre eigenen Pläne bezüglich UBS aber im Dunkeln. Fagan will im Auftrag
einzelner I.G.-Farben-Aktionäre die Schweizer UBS-Bank verklagen, um sie zur
Herausgabe des so genannten Interhandel-Vermögens zu zwingen. Die Firma
Interhandel - früher firmierend als I.G. Chemie - war formell unabhängig,
wickelte während des Zweiten Weltkriegs aber fast alle Auslandsgeschäfte der
I.G. Farben über die Schweiz ab. Ihr Vermögen verleibten sich 1967 die USA und
die UBS-Vorläuferin Schweizer Bankgesellschaft ein. Bei der UBS sollen nach
heutigem Wert 2,2 Milliarden Euro gelandet sein. Mehrere Klagen der I.G. Farben
auf Rückerstattung ihres einst verschleierten Auslandsvermögens scheiterten in
den Jahrzehnten danach. Nun kündigt Anwalt Fagan unverbindlich an, bei einem
Erfolg seiner neuen Klage einen kleinen Teil der gewonnenen Summe an die
früheren Zwangsarbeiter ab zu treten. Die UBS selbst verweigert beharrlich jede
Rückzahlung an die I.G. Farben oder an deren frühere Arbeitssklaven.
Damit beleidigen
alle Akteure die noch lebenden Opfer, die als wichtigste Gläubiger vollen
Anspruch auf das Vermögen besitzen, das sie erschuftet haben. Die vage
Ankündigung einiger Brosamen ist der erkennbare Versuch, die Opfer als
Druckmittel gegenüber UBS und US-Gerichten zu missbrauchen, um Aktionärs- und
Anwalts- taschen zu füllen. Und dieser Höhepunkt eines moralischen Skandals wird
aus der Mitte der Wirtschaftsbürgerschaft heraus inszeniert.
Insolvenzverwalterin Amend könnte zur ersten Akteurin werden, die Gerechtigkeit
herstellt. Dazu muss sie die Eröffnung ordentlicher Insolvenzverfahren über alle
Konzernunternehmen durchsetzen, anschließend gemäß der Satzung der
I.G.-Farben-Stiftung eine vertrauenswürdige Stiftungsleitung einsetzen, das
Verfahren gegen die UBS an sich ziehen und schließlich den wichtigsten
Gläubigern - den überlebenden Häftlingen - zu ihrem Recht verhelfen.
Erstunterzeichner
(Überlebende):
Adam König,
Berlin, Überlebender der Zwangsarbeit für I.G. Farben in Auschwitz-Monowitz
Rudy Kennedy,
London, Überlebender der Zwangsarbeit für I.G. Farben in Auschwitz-Monowitz
Esther Bejarano,
Hamburg, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück
Kurt Julius
Goldstein, Berlin, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald
Peter Gingold,
Frankfurt am Main, Überlebender Widerstandskämpfer in der Résistance,
Angehöriger von in Auschwitz Ermordeten
Erstunterzeichner
(Unterstützer):
Lothar Evers,
Köln, Chairman of the Board Support for Survivors of Nazi Persecution
International Inc., Kurator der Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft"
Klaus Harbart,
Berlin, Bundesgeschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -
Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)
Christoph Heubner,
Berlin, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees
Axel
Köhler-Schnura, Düsseldorf, Sprecher der Kampagne "Nie wieder!"
Henry Mathews,
Köln, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und
Aktionäre
Ruedi Meyer,
Zürich, Vorstandsmitglied der AktionärInnen für nachhaltiges Wirtschaften
ACTARES
Philipp Mimkes,
Köln, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren
Dr. Janis
Schmelzer, Berlin, Historiker
Dr. Susanne
Willems, Berlin, Historikerin
weitere
Informationen:
Kritische Aktionäre
[_web-recherche_ vom 22.1.2004;
http://www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/I_G__Farben/IGF-Erklaerung/igf-erklaerung.html]