Sachsen:
Nutzlose Erkenntnis
Das Gesetz zu SachsensGedenkstättten hat Streit
programmiert...
Phillipp Gessler
So ist das mit der
Geschichtspolitik: Sie ist, gerade in Deutschland, ein Minenfeld - ein falscher
Schritt, und die ganze Sache geht hoch. Neben dem Zentralrat der Juden in
Deutschland hat nun auch die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz ihre
Mitarbeit in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten aufgekündigt. Auch wenn es
schwierig ist, von außen in interne Stiftungsdebatten hineinzuhorchen, spricht
viel dafür, dass der Doppelrückzug zu Recht geschah. In der Stiftung drohte
offenbar eine falsche Gleichsetzung des NS-Unrechts mit den Untaten in der
Sowjetischen Besatzungszone und der DDR.
Wenn der Geschäftsführer der
Stiftung nun einräumt, in der Stiftung habe es schon seit geraumer Zeit
geknatscht, ist das sehr glaubwürdig. Denn Streit ist in dieser Institution
angelegt, die seit 1994 besteht, aber erst vergangenes Jahr eine
Gesetzesgrundlage erhielt. Ausgesprochen schwammig wird dort formuliert, die
Stiftung solle "an politische Verfolgung, an Staatsterror und staatlich
organisierte Morde erinnern". Doch wirkungsvolle Erinnerungsarbeit und
Geschichtspolitik brauchen vor allem Trennschärfe und Exaktheit. Zu Recht gab es
Empörung, als 1985 Kanzler Helmut Kohl und der amerikanische Präsident Ronald
Reagan in Bitburg auch SS-Gräber ehrten. Berechtigt ist die Kritik an der Neuen
Wache in Berlin, die aller Opfer von "Krieg und Gewaltherrschaft" gedenkt - als
sei eines KZ-Wächters, der im Krieg fiel, in gleicher Weise zu gedenken wie
eines KZ-Opfers, das von ihm ermordet wurde. Und natürlich ist es kein Zufall,
dass das Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung seit seiner
Gründung immer wieder Skandale und Streit provoziert: Das Totalitarismuskonzept,
Grundlage auch der Gedenkstätten-Stiftung, öffnet falschen Vergleichen,
Relativierungen und Opfer-Aufrechnereien Tür und Tor. Was die Philosophin Arendt
konnte, können eben nur wenige.
Aus der Geschichte lernen ist schwierig. Wer es tun will, muss vor allem
unterscheiden lernen, damit am Ende nicht die nutzlose Erkenntnis steht:
"Irgendwie waren alle schlimm."
die tageszeitung
taz - die tageszeitung vom 23.01.2004
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/ 2004-01-23
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