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Judentum und Israel
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Fernsehserie "Holocaust":
»Die Serie hat viel bewegt«

Ein Gespräch mit Beate Klarsfeld über die Serie »Holocaust« und ihre Folgen...

Interview: Kerstin Eschrich

Die Fernsehserie »Holocaust« war 1978 in den USA ein riesiger Erfolg. In Deutschland lief die erste Folge im Januar 1979 zur besten Sendezeit. Sie lebten damals in Frankreich, wo der Film im Februar ausgestrahlt wurde. Wie hat Ihnen die Serie gefallen?

Kein Dokumentarfilm hätte es geschafft, so viele Menschen vor den Fernseher zu bringen, um sich etwas über dieses Thema anzusehen. »Holocaust« hatte eine Anziehungskraft auf viele Menschen, die nicht auf das Thema spezialisiert waren und die nicht allzu viel darüber wussten. Der Film hat im Großen und Ganzen die Vernichtung der europäischen Juden so dargestellt, wie sie sich abgespielt hat. Man kann daran kritisieren, was man will, aber ich glaube, wenn man ein solches Thema einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen will, muss man den Menschen entgegenkommen.

Vor der Ausstrahlung gab es eine antiamerikanische Stimmungsmache in Deutschland. Neonazis verübten Anschläge auf zwei Sendemasten in Koblenz und im Münsterland, um die Ausstrahlung zu verhindern. Die CDU sprach von Verschwendung von Steuergeldern für einen amerikanischen Kitschfilm.

Sie sollten doch froh sein, dass die Amerikaner diesen Film gemacht haben, denn dann mussten sie selbst kein Geld für die Produktion ausgeben. Aber die CDU war schon immer eine Partei, die zur Stelle war, wenn etwas gegen die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit getan werden sollte.

Der Historiker Julius Schoeps, der in Deutschland in der Panel-Redaktion der Sendung »Anruf erwünscht« saß, die immer im Anschluss an »Holocaust« ausgestrahlt wurde, erklärte nach den Zuschauerreaktionen, man könnte den Eindruck bekommen, es habe in der BRD bisher noch keine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Holocaust gegeben.

Das stimmt. Ich habe meine Arbeit in Deutschland in den sechziger Jahren begonnen. 1968 ohrfeigte ich den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Er war im Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP und stellvertretender Abteilungsleiter der rundfunkpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt. Der einzige, der sich damals positiv verhielt, war Heinrich Böll. Er schickte mir rote Rosen nach Paris, nachdem ich aus dem deutschen Gefängnis entlassen worden war, wo ich für einige Stunden saß. Günter Grass dagegen äußerte sich sehr abfällig über die Ohrfeige. So etwas tut man nicht, erklärte er.

Nach den Nürnberger Prozessen 1945/46, die von den Alliierten geleitet wurden, hat sich in Deutschland lange Zeit nichts mehr getan. Dann fand 1961 in Jerusalem der Eichmann-Prozess statt, der alles wieder aufleben ließ. Danach liefen die langwierigen Prozesse an: Mitte der sechziger Jahre die Auschwitz-Prozesse in Frankfurt/Main und 1975 bis 1979 der Majdanek-Prozess in Düsseldorf. Die Presse hatte am ersten oder zweiten Tag noch Interesse, danach nicht mehr. In der deutschen Öffentlichkeit hat sich niemand dafür interessiert.

Auch nicht die 68er Bewegung, die sich doch mit der NS-Vergangenheit auseinandergesetzt haben will?

Diese Leute standen vor dem Springer-Gebäude und schlugen die Scheiben ein. Dann wurden sie von einem Richter verurteilt, der schon während der NS-Zeit einen guten Posten hatte. Nicht unbedingt von einem, der Blut an den Händen hatte, aber von einem Schreibtischtäter. Das war der eigentliche Anlass für den moralischen Aufbruch in den sechziger Jahren. Für die 68er war der Holocaust an sich kein Thema. Ich war noch vor der Ohrfeige in der Kommune 1 bei Fritz Teufel, aber keiner interessierte sich für Kiesinger. Auch nicht an den Universitäten. Kiesinger sei doch nur eine Charaktermaske, wurde mir erzählt. Hilfe kam eigentlich nur von Michel Lang, der zum jüdischen Arbeitskreis gehörte.

Dank Ihrer Arbeit konnten Sie und ihr Mann Serge einigen Nazis das Leben schwer machen. Auf wen sind Sie bei Ihren Recherchen gestoßen?

In den Archiven sind wir beispielsweise auf Ernst Achenbach gestoßen, der im Dritten Reich als Gesandtschaftsrat der Deutschen Botschaft in Paris für die Judendeportation verantwortlich war. Auf einmal erfuhren wir aus der Zeitung, dass die SPD-FDP-Koalition unter Willy Brandt Achenbach für die FDP als Europakommissar nach Brüssel schicken wollte. Ich bin daraufhin in verschiedene europäische Staaten gereist und habe dort unsere Dokumente vorgelegt. Danach musste man in Bonn die Nominierung Achenbachs zurücknehmen. Anfang der siebziger Jahre bekamen wir heraus, was aus denen wurde, die in Frankreich für die Judendeportationen verantwortlich waren. Die Hauptverantwortlichen waren Kurt Lischka, Heribert Hagen und Ernst Heinrichsohn.

Sie konnten alle unter ihrem richtigen Namen in Deutschland leben und waren in sehr honorablen Berufen tätig. Heinrichsohn war Anwalt und Bürgermeister in Miltenberg, Lischka Prokurist bei einem Kölner Unternehmen und Hagen Geschäftsführer einer angesehenen Firma in Warstein. Aber auch dafür hat sich kein Mensch interessiert. Sie wurden nach dem Krieg in Abwesenheit von französischen Militärgerichten zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Franzosen hatten im deutsch-französischen Abkommen festgehalten, dass die NS-Verbrecher, die in Frankreich tätig waren, auch dort verurteilt werden sollten. Das sollte verhindern, dass französische Urteile von deutschen Gerichten in fünf Jahre Gefängnis oder in einen Freispruch umgewandelt werden.

Das bedeutete aber auch, dass sie unbehelligt in Deutschland leben konnten, da sie ja auch nicht von Deutschland ausgeliefert wurden, weil sie deutsche Staatsbürger waren.

Genau. Erst als Brandt an der Regierung war, wurde ein Zusatzabkommen abgeschlossen, dass den deutschen Gerichten die Souveränität zusprach, die NS-Verbrecher zu verurteilen. Aber dann ging es erst los. Denn das Abkommen musste im Bundestag verabschiedet werden. Und wer saß in der Kommission, die das prüfen musste? Ernst Achenbach. Er konnte die Verabschiedung jahrelang blockieren.

Immer wieder haben wir Demonstrationen veranstaltet, damit der Vertrag ratifiziert wurde, und danach, um die Justiz in Köln zu zwingen, die Verfahren gegen die NS-Verbrecher aufzunehmen. Im Oktober 1979 war es dann so weit. Hagen, Lischka und Heinrichsohn waren diejenigen, bei denen wir über Dokumente belegen konnten, dass sie für die Deportationen verantwortlich waren. Das war gut für uns, denn wir mussten im Prozess keine Zeugen berufen. Wir hatten in Deutschland ja schon Prozesse erlebt, wo die Zeugen nur lächerlich gemacht wurden.

Mein Mann hat, als die Sache so festgefahren war, Lischka mit einem nicht geladenen Revolver aufgelauert. Er wollte ihm Angst einjagen und sagte zu ihm, wenn die Justiz ihre Rolle hier nicht erfüllt, dann werden wir zur Selbstjustiz greifen. Aber wir wollten der deutschen Justiz natürlich immer noch den Vorrang geben.

Wer hat sie in dieser Zeit unterstützt?

Die jüdischen Studenten und Auschwitz-Überlebende. Es gab auch Widerstandskämpfer, die uns begleiteten, wenn wir aus Frankreich kamen. Wir erklärten der Presse, wir kommen zum Demonstrieren nach Deutschland, weil wir mit einem kleinen Skandal auf einen großen aufmerksam machen wollen. Der große Skandal war, dass die NS-Täter unbehelligt hier leben konnten. Der kleine Skandal war, dass wir beispielsweise die Fensterscheiben von Lischkas Büro einschlugen. Und wir besetzten das Anwaltsbüro Achenbachs. Unsere Aktionen waren illegal, aber legitimiert. Die Presse hat meistens auch recht objektiv berichtet. Aber die Bevölkerung, die Nachbarn, die standen da und sahen uns an, als ob wir Verbrecher wären. Teilweise war Hass in ihren Gesichtern. Wir wurden von der Polizei geschlagen und mussten ins Gefängnis. Es kam sogar zu Prozessen.

Waren Sie mit dem Prozess gegen Lischka, Hagen und Heinrichsohn zufrieden?

Am ersten Verhandlungstag war der Raum absichtlich zu klein gewählt worden. Wir mussten vor der Tür stehen. Daraufhin sprachen wir mit dem Gerichtspräsidenten und sagten ihm, der Prozess wird nicht im Gerichtssaal bestimmt, sondern von den jüdischen Demonstranten auf der Straße. Was ihm natürlich nicht gefiel. Wir erklärten, sollte das nicht so laufen, wie wir es wollen, dann sind wir sofort zur Stelle und demonstrieren. Das war dann allerdings nicht nötig. Die Angeklagten wurden zu sechs, sieben und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Prozess kam nur zustande, weil sich nur wenige – meistens die Opfer – für eine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit einsetzten. Konnte denn auch der Film »Holocaust« etwas zur Aufarbeitung leisten?

Es war diese etwas romantische Hollywood-Produktion, die dazu beitrug, dass die Vernichtung der europäischen Juden als singuläres Verbrechen im Gedächtnis der Menschen blieb. Natürlich hat das nicht allen gepasst. Im Historikerstreit, der kurz danach begann, haben sich dann die Relativierer, die den Holocaust mit den Verbrechen des Stalinismus gleichsetzen wollten, zu Wort gemeldet.

In Deutschland gibt es heute überall Gedenkstätten. Und jetzt soll in der Mitte von Berlin ein großes Mahnmal zur Erinnerung an den Holocaust gebaut werden. Auch das ist eine Folge der Aufmerksamkeit, die der Film erregen konnte. Wenn vielleicht auch nur um viele Ecken.

 

Beate Klarsfeld setzt sich seit den sechziger Jahren dafür ein, dass NS-Verbrecher für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. 1979 gründete sie die Organisation Fils et Filles des Déportés Juifs de France, in der die Kinder und Enkel von Opfern des Holocaust organisiert sind.

Jungle World
Jungle World Nummer 5 vom 21.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-21

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