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Judentum und Israel
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Fernsehserie "Holocaust":
Auf Sendung

Vor 25 Jahren wurde die Fernsehserie »Holocaust« zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt...

Tjark Kunstreich

Am 20. Januar 1979 explodierten drei Bomben. In Essen wurde die alte und zu diesem Zeitpunkt leer stehende Synagoge schwer beschädigt, im westlichen Münsterland wurde erheblicher Sachschaden an einem Sendemast angerichtet, am Sockel des 280 Meter hohen Sendeturms bei Koblenz wurde eine Zehn-Kilo-Bombe gezündet. Auch ohne Bekennerschreiben war schnell klar: Hier waren Nazis am Werk, die die Ausstrahlung der Fernsehserie »Holocaust« verhindern wollten, die zwei Tage später gesendet wurde.

Antifaschisten machten schon Jahre zuvor darauf aufmerksam, dass sich mit den Wehrsport- und anderen Nazigruppen außerhalb und am Rande der NPD ein terroristisches Netzwerk entwickelte, das zu größeren Anschlägen in der Lage war. Der »Kampf gegen die Holocaust-Mafia«, so der zeitgenössische Nazi-Jargon, war der erste Anlass, die eigenen Möglichkeiten zu demonstrieren.

Mit diesen Anschlägen und einigen weiteren, nicht so spektakulären, sicherten sich die Täter Sympathie in der Bevölkerung, die Mehrheit empfand jede Erinnerung an die Naziverbrechen als Zumutung. Die Erinnerung an die Nazizeit übrigens nicht, wie der Erfolg der Ende der siebziger Jahre erscheinenden Flut von Erinnerungsliteratur und Biografien der Mörder beweist – und nicht zuletzt die Solidarität, die den Angeklagten in noch laufenden NS-Prozessen entgegengebracht wurde.

Seit 1975 lief der Majdanek-Prozess, für den sich die Öffentlichkeit kaum interessierte, allenfalls wurde Mitleid mit den (damals noch gar nicht so alten) Angeklagten demonstriert und damit, ohne es explizit zu erwähnen, das Stereotyp vom rächenden Juden aktualisiert. Deutsche, die zum Beispiel Zeuginnen und Zeugen im Prozess betreuten, wurden als »Sühnedeutsche« diffamiert.

»Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.« Dieser Satz des Hans Filbinger, der im August 1978 als CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten musste, weil er als Marinerichter an Todesurteilen beteiligt gewesen war, bringt das damalige Verhältnis der Deutschen zum Nazi-Faschismus auf den Punkt.

Der noch heute notorische Nazianwalt Ludwig Bock verteidigte in diesem Sinne die ehemaligen KZ-Aufseherin Hildegard Lächert (damals 59 Jahre alt) im Majdanek-Prozess. Sie war als »blutige Brygida« bekannt geworden und wurde 1981 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Gegen die Zeugin Henryka Ostrowska beantragte er ein Verfahren wegen »Beihilfe zum Völkermord«, weil sie gezwungen worden war, mit den Zyklon-B-Dosen zu hantieren. Am 20. April 1979 wurden vier der 13 Angeklagten aus Mangel an Beweisen freigesprochen, die Hauptbelastungszeugen waren verstorben.

Unterdessen diskutierte der Bundestag die Verjährung der Naziverbrechen, heraus kam, dass Mord gar nicht mehr verjähren kann, weswegen es in den folgenden NS-Prozessen nur noch um die juristischen Merkmale für Mord ging – und nicht selten auf Totschlag erkannt wurde, womit die Tat dann doch verjährt war.

Im Juni 1979 verübten die Revolutionären Zellen einen Anschlag auf die Firma Hameico in Frankfurt, die israelische Waren importierte, »um unseren praktischen Widerstand zu setzen gegen den nicht enden wollenden faschistischen Genozid am palästinensischen Volk«, wie es im Bekennerschreiben hieß.

Weiter war zu lesen: »In Ansehung gerade der Opfer von Auschwitz ist eine Verdrängungsleistung à la Holocaust-Spektakel nur dazu angetan, von den aktuellen Verbrechen abzulenken.« So dürfte die Mehrheit der Linken gedacht haben, für die die Fernsehserie »zionistische Propaganda« war, so die KB-Zeitung Arbeiterkampf (Nr. 147/5. Februar 1979).

Der Faschismus, wie man damals sagte, galt nur zu einem Teil als die Vernichtung der Juden, in erster Linie jedoch galt er als ein imperialistisches Projekt. Der Sturz des Schahs in Persien/Iran und der Einmarsch vietnamesischer Truppen zum Sturz von Pol Pot in Kambodscha waren Themen, die die Linken wesentlich mehr interessierten. Man stritt sich darüber, ob Pol Pot ein Massenmörder und was von der islamischen Revolution zu erwarten sei.

Ein »Joschka« lobte den Islam in der Frankfurter Sponti-Zeitung Pflasterstrand (10. Februar 1979) als »die in politische Revolution sich umsetzende, in langer Tradition sich erhaltende Glaubenskraft eines Volkes, das Nein sagt zur atheistischen Kultur des Westens«, und verabschiedete sich vom herkömmlichen, politischen Antiimperialismus zugunsten seiner kulturrelativistischen Variante.

Frei von jeder Reflexion über die Nazi-Vergangenheit und ihre völkische Sehnsucht und einig in der Unterstützung der Palästinenser gegen das »zionistische Gebilde«, wie man Israel damals nannte – anlässlich von Demonstrationen zum 40. Jahrestag des Novemberpogroms wurden 1978 amerikanische und israelische Fahnen verbrannt –, war diese Linke, im Nachhinein betrachtet, genauso in die deutsche Schuldabwehr einbezogen wie jedes andere Segment der westdeutschen Gesellschaft auch.

Jungle World
Jungle World Nummer 5 vom 21.01.2004

kt / hagalil.com / 2004-01-21

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