Schon als der Schüler Ernst
Jünger 18 Jahre alt war, kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, bescheinigte
ihm sein Lehrer eine »überladene Ausdrucksweise«. Dass der Schriftsteller aber
nicht nur bereits in seiner Schulzeit die manierierte Gebrauchsprosa mit
Goldrand verfasste, die ihm später seine Popularität einbrachte, sondern auch
immer schon ein unverbesserlicher Kommisskopf war, wird in einem Gedicht
deutlich, das er als junger Mann verfasste und seiner Mutter zueignete. Darin
fallen bereits die entscheidenden Worte »Schicksal«, »Kampf« und »Stahlhärte«,
die ihn in seinem weiteren Leben noch begleiten sollten. Am Ende des Gedichts
heißt es: »Mich reizt die wilde Schönheit der Gefahr / Hier wirst Du lesen, wie
ich mich geschlagen / Und wenn ich fiel, dass es in Ehren war.«
Berauscht von derlei
Vorstellungen verbringt Jünger zunächst einige Zeit in der Fremdenlegion, und
als der Krieg ausbricht, meldet er sich wie viele andere »in einer trunkenen
Stimmung« freiwillig. Von der im Krieg erlebten Atmosphäre ist er so angetan,
dass er fortan von der vermeintlichen Schönheit des Soldatischen und des
Fronterlebens predigt und die »heroische Tat« und das angeblich besonders
»Authentische« und »Ursprüngliche« daran rühmt. Seine Erektionen hat er
bevorzugt im Kampf Mann gegen Mann: »Unter allen erregenden Momenten des Krieges
ist keiner so stark wie die Begegnung zweier Stoßtruppführer zwischen den engen
Lehmwänden der Kampfstellung.«
Nach dem Krieg wird er mit
militärischen Auszeichnungen überhäuft. Die »ehrenvolle Erinnerung an die
herrlichste Armee, die je existierte (…) hochzuhalten«, sei die »stolzeste
Pflicht eines jeden«, der »mit lebendigem Herzen für Deutschlands Sache focht«,
notiert er in eines der Schreibhefte, die er mit sich führt.
Im Jahr 1920 erscheint »In
Stahlgewittern«, ein Buch über seine Erfahrungen an der Front. »Dahinter steckt
ein ganzer Kerl«, vermerkt Joseph Goebbels nach der Lektüre in seinem Tagebuch.
Erst 1923, als 28jähriger, verlässt der junge Offizier Jünger die Reichswehr,
wird Student, schließt sich einem Freicorps an und beginnt, Artikel für diverse
Zeitschriften der äußersten Rechten zu schreiben. Auf das Vaterland ist er ganz
versessen, weswegen der Satz, »dass es ein Vaterland gibt, das Deutschland
heißt«, der »erste deutsche Grundsatz« sei, »den zu leugnen der Jude immer
bestrebt sein wird«.
Jünger verachtet die
»Zivilisationsjuden« und »Assimilationsjuden«, die er mit »Ameisen«, »Keimen«
und »Bakterien« vergleicht und als »Geschmeiß« bezeichnet. Weil die Juden mit
ihrem »endlosen Feuilletongeschwätz der Zivilisation« das vermeintlich
spezifisch Deutsche intellektuell zersetzten, gelte es, sie zu separieren und
auszuschalten. Und zwar nicht nach Art der Antisemiten, die »Bakterienjägern«
glichen, sondern mittels einer »besseren Medizin«, nach deren Anwendung ein
Prozess einsetze, den »auch der feinste, verborgenste Keim nicht mehr zu
ertragen vermag«.
Überhaupt werde der »Stoß gegen
die Juden (…) immer viel zu flach angesetzt, um wirksam zu sein«. Jünger will
eine radikale Lösung, einen »Angriff«, der nicht bloß »einer äußerlichen
Desinfektion« gleichkommt: »Man darf von diesem Lande schon hoffen, dass es
einer eigenen und strengeren Lösung fähig ist.«
Die Juden, die mit »feinster und
geschicktester Wirksamkeit« Verwirrung stifteten und stets versuchten, sich
selbst unsichtbar zu machen und zu verbergen, müssten erkannt und enttarnt
werden: »Die Erkenntnis und Verwirklichung der eigentümlichen deutschen Gestalt
scheidet die Gestalt des Juden ebenso sichtbar und deutlich von sich ab, wie das
klare und unbewegte Wasser das Öl als eine besondere Schicht sichtbar macht (…)
Die wirksamste Waffe gegen ihn, den Meister aller Masken, ist: ihn zu sehen.«
Anschließend soll er ausgesondert werden: »Im gleichen Maße jedoch, in dem der
deutsche Wille an Schärfe und Gestalt gewinnt, wird für den Juden auch der
leiseste Wahn, in Deutschland Deutscher sein zu können, unvollziehbarer werden,
und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen, die lautet: in
Deutschland entweder Jude zu sein oder nicht zu sein.«
Jünger verabscheut das Parlament
als Quasselbude, in der nur Phrasen gedroschen würden. Nur wenige Wochen vor dem
gescheiterten Hitler-Putsch im Jahr 1923 schreibt er im Völkischen Beobachter
über die zu erwartende »wirkliche Revolution«, die er herbeisehnt: »Ihre Idee
ist die völkische, (…) ihr Banner das Hakenkreuz, ihre Ausdrucksform (…) die
Diktatur! Sie wird ersetzen das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut,
die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert.«
Schon 1925 sieht er in Hitler
»unzweifelhaft (…) die Vorahnung eines ganz neuen Führertypus«, in dessen
Bewegung »Feuer und Blut« stecke. In der Folge korrespondiert er mit ihm und
tauscht bis in die dreißiger Jahre hinein Bücher und Schriften mit ihm aus.
Dass Jünger Ende der zwanziger
Jahre Distanz zum Nationalsozialismus gewonnen habe, wie gelegentlich behauptet
wird, ist ein Mythos. Das zeigt sich auch daran, dass sich sein aggressiver
Antisemitismus in seinen Texten dieser Jahre am deutlichsten niederschlägt. 1929
schreibt er: »Wir wünschen dem Nationalsozialismus von Herzen den Sieg; wir
kennen seine besten Kräfte, deren Begeisterung ihn trägt, und deren Wille zum
Opfer über jeden Zweifel erhaben ist.«
Noch 1946, ein Jahr nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges, in dem er gehorsam seine Pflicht als Wehrmachtsoffizier
erfüllte, schwärmt er von einer frühen Rede Hitlers, die er miterlebte und
während der er meinte, sich »in einem Schmelztiegel, an einem Ort der nationalen
Einigung zu befinden«.
Auf dem Feld der Ehre gefallen, wie er es sich immer gewünscht hat, ist der
Dichter allerdings nicht. Über hundert Jahre alt geworden, entschlief er 1998
sanft im kleinen Städtchen Wilflingen in Baden-Württemberg. Zu seinem 100.
Geburtstag gratulierte ihm der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich,
noch 1982 erhielt Jünger den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main. Er gilt
als einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20.Jahrhunderts.