Überblick:
Deutsches Haus
Deutscher Alltag anhand von Abschiebungen, Übergriffen und
Friedhofsschändungen...
gs
In der Nacht zum 6. Januar unternahm ein 21jähriger Mann ungeklärter Herkunft im
Abschiebegefängnis Berlin-Grünau einen Suizidversuch. Er fügte sich
lebensgefährliche Schnittverletzungen zu, konnte aber durch eine Operation
gerettet werden. Die antirassistische Initiative Berlin nannte als Grund für die
Serie von Selbstmordversuchen im vergangenen Jahr das »Klima der Hilflosigkeit
und Verzweiflung« in der Haftanstalt. Allein von Januar bis Mai 2003 gab es dort
56 Fälle von Selbstverletzungen. 28 Menschen versuchten, sich zu erhängen. Die
Polizei fand am 5. Januar auf dem Friedhof in Teltow (Brandenburg) über 100
Zettel mit rechtsextremistischer Propaganda. Die Papiere befanden sich in der
Nähe eines Gedenksteins für die gefallenen Soldaten der Sowjetarmee. Sie
enthielten rechtsextremistische und antisemitische Parolen sowie Hakenkreuze und
SS-Runen. Mit einem Klappmesser stach ein 16jähriger Skinhead in der
Silvesternacht in Eutin-Fissau (Mecklenburg-Vorpommern) auf einen 20jährigen
Deutschen russischer Herkunft ein. Der Täter und sein Opfer befanden sich auf
derselben Party. Nach einem Streit, bei dem es um Ausländerfeindlichkeit ging,
wurden sie von der Gastgeberin vor die Tür gesetzt. Auf der Straße verletzte der
Skinhead sein Opfer mit mehreren Messerstichen am Rücken, einer davon traf die
Lunge. Der verletzte junge Mann brach 300 Meter vom Tatort entfernt zusammen und
musste operiert werden. Mittlerweile ist er außer Lebensgefahr. Als Tatmotiv
soll der Skinhead aus Malente (Schleswig-Holstein), der in der Wohnung seiner
Mutter festgenommen wurde, nach Angaben der Polizei »Hass auf Ausländer« genannt
haben. »Der Antisemitismus ist ein westdeutsches Problem«, stellte der Soziologe
Elmar Brähler nach Angaben der Jüdischen Allgemeinen fest. Eine Untersuchung des
Leiters der Selbstständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und
Soziologie der Universität Leipzig ergab, dass die Ostdeutschen weniger
Vorbehalte gegenüber Jüdinnen und Juden hätten als Westdeutsche. In den alten
Bundesländern stimmten 32 Prozent der Befragten der Aussage zu: »Ich kann es gut
verstehen, dass manchen Leuten Juden unangenehm sind.« In den neuen
Bundesländern waren es 19 Prozent. In den Jahren 1990 bis 2000 zählte die
Bundesregierung zunächst 26 Todesopfer rechtsextremer Gewalt, später korrigierte
sie die Angabe und sprach von 36 Opfern. Die Frankfurter Rundschau und der
Tagesspiegel zählten im gleichen Zeitraum mindestens 93 rechtsextreme Morde. Die
unterschiedlichen Ergebnisse rühren daher, dass das Innenministerium Fälle nicht
berücksichtigt, in denen die Täter nachweislich einem rechtsextremen Milieu
entstammen, sich aber nicht ausdrücklich zu einem solchen Tatmotiv bekennen.
Eine Parole wie »Ausländer raus« habe vor Gericht nicht immer dazu geführt,
einen rechtsextremen Hintergrund des Täters zu benennen.
Jungle World
Jungle World - Nummer 4 vom 14.01.2004
kt /
hagalil.com
/ 2004-01-14
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