Ein vorweihnachtlicher Frieden herrscht bei der Partei
Rechtsstaatliche Offensive nicht gerade. Streit, Missgunst und Rachegedanken
prägten die vergangenen Wochen. Am Dienstagabend voriger Woche erklärte Mario
Mettbach, der Bundesvorsitzende, dass der Parteigründer Ronald Schill wegen
»parteischädigenden Verhaltens« aus der Partei ausgeschlossen worden sei, am
Mittwochmorgen konterte Schill: »Ich behalte mir zivilrechtliche Schritte gegen
den Parteiausschluss vor.«
Doch Schill überlegt nicht nur, die Gerichte anzurufen.
Bereits am 18. Dezember verkündete er die Gründung einer
»Ronald-Schill-Fraktion« in der Hamburger Bürgerschaft. Diese ist nicht zu
verwechseln mit der Schill-Fraktion. Denn nicht überall, wo Schill draufsteht,
ist momentan auch Schill drin. Deshalb will Schill seiner ehemaligen Partei auch
verbieten, den Namen Schill zu tragen. Und was wird wohl aus dem
Wahlkampfslogan: »Schluss mit dem Wahnsinn!«?
Zwei Jahre und gut drei Monate nach seinem gewaltigen
politischen Erfolg bei der Hamburger Bürgerschaftswahl erlebt Schill seine
größte Niederlage. Der von ihm mit gebildete Hamburger Senat aus der CDU, der
FDP und der Schill-Partei ist gescheitert, Neuwahlen stehen an, und die von ihm
gegründete Partei ist in Machtkämpfe verstrickt.
Nach der Bundesvorstandssitzung am Dienstag vergangener Woche
versuchte Mettbach noch, die interne Auseinandersetzung als entschieden und
beendet darzustellen. Wegen seiner »medialen Amokläufe« sei Schill der
»Hauptverantwortliche für die derzeitige Situation, insbesondere für den Bruch
der Hamburger Koalition«, erläuterte er den Rausschmiß seines früheren
Parteifreundes. Schill war erst gar nicht zu der Sitzung nach Hannover gefahren.
Zuvor hatte er gedroht, mit seinen fünf Getreuen in der Bürgerschaft gegen den
Haushalt für das Jahr 2004 zu stimmen.
Der Bundesvorstand der Partei teilte Mettbachs Sicht. Sieben
Vorstandsmitglieder stimmten Schills Rauswurf zu, es gab eine Ablehnung und eine
Enthaltung. Doch dieses klare Abstimmungsergebnis spiegelt nicht die
Kräfteverhältnisse in der Partei. Die Mehrheit der nicht stimmberechtigten
Beisitzer aus den Landesverbänden hatte sich gegen den Beschluss ausgesprochen.
In der Partei mehrt sich die Kritik an dem von Mettbach betriebenen
Parteiausschluss. »Eine fatale Fehlentscheidung« nannte die Berliner
Landesvorsitzende Anke Soltkahn den Rauswurf, und Baden-Württembergs Landesvize
Claus Schweizer fand das Vorgehen »indiskutabel«.
Mittlerweile hat der Landesverband Sachsen-Anhalt um Alan
Morris einen Antrag auf einen außerordentlichen Bundesparteitag gestellt. Über
sechs der zwölf Landesverbände der Bundespartei mit ihren rund 7 000 Mitgliedern
sollen den Antrag unterstützen. Auf der gewünschten Tagesordnung des Parteitags,
der Ende Dezember oder Anfang Januar stattfinden könnte, stehen die Forderungen
nach einer Aufhebung aller Ordungsmaßnahmen gegen Schill und nach einer
Absetzung Mettbachs. Denn wie der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Kay
Oelke denken viele Funktionäre, dass »alleine Mettbachs Machenschaften die
Eskalation zu verdanken« sei.
Seitdem das Gerücht kursierte, Hamburgs Erster Bürgermeister
Ole von Beust (CDU) habe mit Mettbach schon im Sommer heimliche Absprachen für
den »Königsmord« getroffen, ist »Wendehals« noch die harmloseste parteiinterne
Bezeichnung für Mettbach. In einer »Gegendarstellung« gab er zu, dass Beust
»scherzhaft zu mir sagte, wenn ich Asyl bräuchte, würde man mir das gewähren«.
Das Lachen könnte Beust und Mettbach aber auch noch vergehen.
Denn so leicht werden sie Schill nicht los. Schon am 10. Dezember soll dieser
sich mit 30 Getreuen aus sechs Bundesländern an einem geheimen Ort in
Schleswig-Holstein getroffen haben, um seine politische Zukunft zu planen. Der
ehemalige Innensenator versucht nun zur Bürgerschaftswahl am 29. Februar 2004
anzutreten, sein Geltungsdrang und seine Rachegelüste werden ihn antreiben.
Es fragt sich nur noch, mit welcher Partei er um
Wählerstimmen werben wird. Am vergangenen Freitag erklärte er, er werde eine
neue Partei gründen, wenn es ihm nicht gelinge, die Macht in der alten
zurückzuerobern. Richard Braak von der »echten« Ronald-Schill-Fraktion sagte:
»Ich gehe davon aus, dass wir noch vor der Bürgerschaftssitzung am 30. Dezember
eine eigene Partei gründen werden.« Aus dem gesamten Bundesgebiet kämen
»Anfragen«, behauptet er. »Wir warten auf ein Startzeichen, das nur von Schill
selbst kommen kann.«
Einige Landesvorsitzende der alten Schill-Partei, wie Jan
Timke aus Bremen, mahnen indes schon: »Schill ist für die Partei unverzichtbar.«
Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Markus Wagner aus
Nordrhein-Westfalen glaubt: »Ohne Schill ist die Partei kopflos.« Hinter den
Kulissen rechnen die Getreuen Schills längst durch, wie viele Mitglieder Schill
folgen werden, egal ob in der alten oder in einer neu zu gründenden Partei.
Völlig souverän versucht sich indes Ole von Beust zu geben.
»Mir ist es völlig wurscht, was Herr Schill macht«, sagte der Erste
Bürgermeister Hamburgs nach dem Ende seiner Regierung. »Der Mann ist nicht
satisfaktionsfähig. Mir ist auch egal, ob er eine Partei gründet oder nicht.«
Als Mehrheitsbeschaffer kam er Beust vor zwei Jahren gerade recht. »Nachher ist
man immer klüger.« Allerdings baut die CDU auch vor. Wenn sie bei den Neuwahlen
keine absolute Mehrheit erreichen sollte, wäre die »Formation« um Mettbach ein
möglicher Partner. »Herr Schill nicht«, stellte der Landesvorsitzende der CDU,
Dirk Fischer, klar.
Doch die Schill-Partei ohne Schill wollen nach einer
Emnid-Umfrage nur noch zwei Prozent der Hamburger wählen. Dagegen wünschen sich
nach einer Psephos-Studie acht Prozent, dass Schill »weiter eine wichtige Rolle
in der Politik« spielt. Und das ist wirklich zu bedauern. Denn Schill sagte auf
der Pressekonferenz am vorigen Freitag, falls er bei der Wahl nicht mehr als
fünf Prozent der Stimmen erziele, werde er aus der Politik aussteigen und
Deutschland verlassen.